Rechtsentwicklungen in Portugal,
Brasilien und Macau. Tagungsreferate, Beiträge, Gutachten, hg. v. Jayme,
Erik/Schindler, Christian. Nomos, Baden-Baden 2002. 257 S.
Der vorliegende Band umfasst Referate, Beiträge und
Gutachten, die in erster Linie auf den Tagungen der Deutsch-Lusitanischen
Juristenvereinigung (DLJV) in Baden-Baden (1999), Köln (2000) und Bochum (2001)
gehalten wurden[1]. Die Aufmerksamkeit des
Rechtshistorikers weckt Erik Jayme mit seinem Beitrag „Silvestre Pinheiro
Ferreira (1769-1846) und seine Beziehungen zu Carl Mittermaier
(1787-1867) – Betrachtungen zur Rechtsvergleichung im 19. Jahrhundert“. So wie
Jayme bereits den deutsch-portugiesischen Gedankenaustausch zwischen Luis
Cabral de Moncada und Carl Schmitt untersucht hat[2],
widmet er sich nun den Beziehungen von Pinheiro Ferreira und Carl Mittermaier.
Der große portugiesische Staatsmann, Verfassungsrechtler und Schriftsteller
Pinheiro Ferreira war Deutschland auf vielfältige Weise verbunden. Die Werke
des Portugiesen umfassen die verschiedensten Geisteswissenschaften, wie
Psychologie, Linguistik und Philosophie und insbesondere öffentliches Recht, Verfassungs-
und Völkerrecht, die zu ihrer Zeit, nämlich in den dreißiger und vierziger
Jahren des 19. Jahrhunderts ein vielfältiges Echo fanden. Höhepunkt seiner
Schriften war der Entwurf eines politischen Gesetzbuches für die portugiesische
Nation aus dem Jahre 1838. Für Pinheiro Ferreira gab es hauptsächlich zwei
Grundthemen. Das eine betraf den Freiheitskatalog der Bürgerrechte, also das,
was wir heute als Menschen- und Grundrechte bezeichnen, das zweite bezog sich
auf die Verfassung der Institutionen und Organe eines Staates und die Frage,
wie die Interessen des Volkes in der gesetzgebenden Gewalt am besten zu
repräsentieren sind, wobei es ihm allgemein und abstrakt um die Herausarbeitung
der „principes du droit universel“ ging, was er in einem Brief an Carl Mittermaier
vom 23. Oktober 1833 besonders hervorhebt. Der Portugiese setzte sich vor allen
Dingen dafür ein, dass die verschiedenen Berufsstände im Nationalkongress
vertreten sein sollten und unterschied dazu drei Stände, nämlich den
Grundbesitz, den Handel und den öffentlichen Dienst, sowie die Vertretung der
Interessen der Gebietseinheiten, wie zum Beispiel der Regionen. Der Gedanke
einer solchen Repräsentation des Volkes durch Berufsstände entwickelte sich
deshalb so deutlich, weil sich zu jener Zeit noch keine politischen Parteien
gebildet hatten, welche die verschiedenen Interessen des Volkes vertreten
konnten. In seinem Brief vom 1. Mai 1835 berichtet Pinheiro Ferreira an
Mittermaier aus Paris, dass die Königin Maria II. da Gloria einen „concours“
ausgeschrieben habe, um Entwürfe für die geplanten portugiesischen Kodifikationen,
insbesondere ein Zivilgesetzbuch vorbereiten zu lassen, woran Mittermaier
teilnehmen durfte. Durch die Gesetzgebungsvergleiche sollten nicht nur die
Verbesserung des Rechts herbeigeführt, sondern gleichermaßen universell
geltende, und zwar auch nichteuropäische Rechte aufgefunden und in praktisches
Recht umgesetzt werden. Jayme arbeitet am Beispiel von Pinheiro Ferreira und
Mittermaier sehr gut heraus, dass das Erstellen von Verfassungen und
Gesetzbüchern in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts von den Gelehrten als
eine europäische Aufgabe begriffen wurde und sich dadurch das liberale
Gedankengut am besten verbreiten konnte. Die Idee der nationalen Identität,
welche in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Raum gewann und wiederum zu
einer gewissen Abschottung der Rechtssysteme führte, war noch nicht spürbar –
eine sehr glückliche Zeit für die Rechtsvergleichung.
Saarbrücken Thomas Gergen
[1] Eine ausführliche Rezension zum positivrechtlichen Teil erscheint in Lusorama 2003 (im Druck).
[2] Dazu die Besprechung zu Erik Jayme (Hrsg.), Luis Cabral de Moncada: Briefwechsel 1943-1973. Luis Cabral de Moncada und Carl Schmitt, Heidelberg 1997, erschienen in ZRG Germ. Abt. 117 (2000) 816-818.