Quellen zur Geschichte des Deutschen Bundes. Abteilung 2 1830-1848. Band 1
Reformpläne und Repressionspolitik 1830-1834, bearb. v. Zerback, Ralf.
Oldenbourg, München 2003. LXVIII, 805 S.
Die Edition der Quellen zur
Geschichte des Deutschen Bundes (hierzu Werner Schubert, ZRG GA 119, S. 812ff.) soll über die
rein rechts- und institutionengeschichtlichen Aspekte hinaus die Entstehung und
Ausgestaltung des Bundes sowie die diversen Reformansätze vor dem Hintergrund
der Auseinandersetzungen mit der nationalen und liberalen Bewegung in
Deutschland beleuchten. Diesem Ziel ist auch der Bd. 1 der Abteilung II:
„Quellen zur Geschichte des Deutschen Bundes 1830-1848“ verpflichtet. Der
Herausgeber Zerback
spricht speziell für den vorliegenden Band von einer Edition der „Blicke“ bzw.
der „Perspektiven“: Des Blicks der Bundespolitik auf die „Nation“ und des
Blicks der Nationalbewegung auf den Bund (S. LI). Die Edition soll zeigen, „wie
der österreichische Staatskanzler Metternich die öffentliche Meinung sieht, was
der badische Parlamentsabgeordnete Welcker am Bund schätzt, ob der Bremer
Bürgermeister Smidt Zeitereignisse
durch eine nationale Brille wahrnimmt und inwieweit der britische Außenminister
Palmerstone den deutschen Konstitutionalismus als Verbündeten betrachtet.“ (S.
LI). Die Edition ist systematisch-chronologisch in sieben Teile gegliedert.
Teil 1 (Grundcharakter und Entwicklungspotential) enthält Dokumente, in denen
sich Entscheidungsträger (u. a. Blittersdorf, Baden; Carlowitz,
Sachsen-Coburg-Gotha; Metternich zur Stellung der Bundesgesandten und zur
Veröffentlichung der Bundestagsprotokolle; Marschall, Nassau) grundlegend zum
politischen Aufbau des Bundes und dessen Weiterentwicklung äußern. In Teil 2
geht es um Alternativmodelle zu den preußischen Zollvereinigungsplänen. Der
Abschnitt „Frühe Repressionspolitik“ dokumentiert den Bundesbeschluss über
„Maßregeln zur Herstellung und Erhaltung der Ruhe in Deutschland“ vom 21. 10. 1830.
Breiter dokumentiert wird in Teil 4 (33 Dokumente) der Bundesbeschluss vom 28. 6.
1832 zur „Aufrechterhaltung der gesetzlichen Ordnung und Ruhe im Deutschen Bund
(sog. „10 Artikel“)“ und die Konfliktlage zwischen dem Bund und den
oppositionellen Liberalen, aber auch zwischen den Großmächten und den
konstitutionell verfassten Staaten.
Nicht näher behandelt wird
aus Platzgründen die Auseinandersetzung um die kurhessische Verfassung und das
Hambacher Fest. Dagegen betraf den Bund unmittelbar der Frankfurter
Wachensturm, der zur Bundesintervention in Frankfurt und zur Bestellung einer
Bundes-Zentralbehörde am 30. 6. 1833 führte. Zerback gibt in diesem Zusammenhang
auch die Protestnoten des französischen und des englischen bevollmächtigten
Ministers am Bundestag sowie den Bundesbeschluss über die „Unstatthaftigkeit
der Einmischung fremder Mächte in die inneren Angelegenheiten des Deutschen Bundes“
wieder. Auch die Deutschland-Debatte im britischen Unterhaus am 2. 8. 1832
fehlt nicht. Die 24 Dokumente über die Wiener Kabinettskonferenz 1834, die zu
den sog. Sechzig Artikeln führte, geben einen Überblick über die Verhandlungen
in Wien. Obwohl dieser Teil der Edition ein Viertel des Bandes einnimmt, musste
die Auswahl angesichts der Fülle des vorhandenen Quellenmaterials besonders
restriktiv getroffen werden (vgl. XXIV). Im letzten Teil („Reformpläne in Parlament
und Publizistik“) werden Reformprojekte der liberalen und nationalen Bewegung
gebracht, die weitgehend unmittelbar am Deutschen Bund ansetzten oder ihn
fortentwickeln wollten. Zerback bringt u. a. (zum Teil in Auszügen) Texte von
Ernst Münch: „Teutschlands Vergangenheit und Zukunft“ (1830), von Welcker (Motion
in der badischen Zweiten Kammer, 1831), von Wilhelm Traugott Krug: „Über
deutsche Einigungsprojekte“ (1831), von K. A. F. Seeger: „Eine zeitgemäße
Organisation des Deutschen Bundes“ (Stuttgart 1832), von J. G. A. Wirth: „Die
politische Reform Deutschlands“ (Straßburg 1832) und zwei Schriften von W.
Schulz (1832, 1833). – Die Bundesgerichtsfrage, die noch 1813-1815 eine
wichtige Rolle spielte, gehörte nicht mehr - wie auch nicht die Rechtsvereinheitlichung
– in dem dokumentierten Zeitraum zu den zentralen Fragen. Die 5. Kommission der
Wiener Kabinettskonferenz, die sich mit der „inneren Landesgesetzgebung im
Verhältniße zu jener des Bundes“ befasste, schlug statt eines Bundesgerichts
die Errichtung einer Bundesschiedsgerichtsbarkeit vor, nach Zerback „eine der
bedeutendsten Veränderungen der Bundesverfassung seit 1820“ (S. XLIII). Wie die
Vorbände enthält auch der neue Band eine präzise Einleitung, die in die
Schwerpunkte des Editionsbandes einführt (Reformüberlegungen,
Repressionspolitik, Wiener Kabinettskonferenz und liberale Reformagitation),
sowie drei umfassende Register. Insgesamt bietet der Band in seiner Quellenvielfalt
die Möglichkeit, den Beginn der Hochphase der politischen Repression unter dem
Deutschen Bund differenzierter zu sehen, als dies bisher möglich war.
Kiel Werner
Schubert