Meyer, Bruno Berthold, Kastilien, die Staufer und das Imperium. Ein Jahrhundert politischer Kontakte im Zeichen des Kaisertums (= Historische Studien 466). Matthiesen, Husum 2002. 234 S.

 

Im Jahre 1257, während des Interregnums im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation, wurde neben Richard von Cornwall auch Alfons X., König von Kastilien, zum „rex romanorum“ gewählt. Dieses Ereignis geschah nicht überraschend, hatte doch der kastilische Herrscher immer schon den Kaisertitel angestrebt. Vor seiner Thronbesteigung in Kastilien war Alfons im Auftrag seines Vaters an mehreren Feldzügen und Missionen beteiligt, die alle mit der Reconquista Murcias zusammenhingen. Als König verfolgte Alfons X. der Weise einen für das 13. Jahrhundert typischen „Imperialismus“, der sich auf verwandtschaftliche Bindungen mit dem französischen Königshof stützte und eine Eroberung Marokkos ins Auge fasste, wofür er wegen des benötigten Schiffsraumes die Unterstützung der Seestädte im westlichen Mittelmeer brauchte. Der Tod des römischen Königs Konrad IV. (1254) war Anlass, sich über seine Mutter als einziger Erbe der Staufer zu fühlen. Als Konsequenz reklamierte er 1255 das Herzogtum Schwaben für sich und nahm im März 1256 die Wahl durch ghibellinische Pisaner zum Kaiser an. Die bei Thomas Zotz an der philosophischen Fakultät IV der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau geschriebene Dissertation untersucht unter der Prämisse der Außenpolitik im Mittelalter die Beziehungen Kastiliens zum Heiligen Römischen Reich deutscher Nation. Von zentraler Bedeutung sind hierbei die zwischen einzelnen Persönlichkeiten bestehenden Kontakte, seien sie politisch oder zwischenmenschlich motiviert.

 

Im Mittelpunkt der Arbeit stehen zwei Problemkreise: Zunächst untersucht der Verfasser, welche Gründe Alfons X. bewogen nach der Würde des „rex Romanorum“ zu streben, welche politische Absichten er damit verfolgte und wie er seinen Anspruch auf die Krone begründete. Sodann spürt er der Frage nach, auf welcher historischer Basis der kastilische Herrscher gedachte eine kastilisch-deutsche königliche Personalunion zu errichten. Die bisherige Forschung hat versucht, die Person Alfons X. und seine politischen Absichten näher darzustellen, freilich mit unterschiedlichen Ergebnissen. Weitgehend unklar blieb, ob Alfons X. mit dem Bestreben nach der Kaiserkrone auch ein universal-imperales Konzept verfolgte, oder ob er sich mit seiner Herrschaft über die iberischen Königreiche zufrieden gab. Anders formuliert: Strebte Alfons X. nach einer Universalherrschaft europäischer Größenordnung, oder nach einer auf die iberische Halbinsel begrenzte Kaiserwürde?

 

Das Verdienst des Autors ist unter anderem darin zu sehen, dass er, im Gegensatz zu vielen bisherigen Untersuchungen, nicht erst zeitlich in der Regentschaft Alfons X. ansetzt. Bereits in der Regentschaft Alfons VII. findet der Autor Hinweise auf Verbindungen zwischen Kastilien und den Staufern, die sich bis Alfons X. weiter fortsetzten. Dabei gelingt es dem Verfasser äußerst facettenreich die „außenpolitischen“ und politischen Kontakte zwischen der iberischen Halbinsel und dem Heiligen Römischen Reich darzustellen. Die quellenreiche Untersuchung spart keine Fragen aus. Insbesondere geht die Arbeit dem von der spanischen Forschung „fecho del imperio“ genannten Umstand, also „der Erschaffung des Kaisertums“, unter Alfons X., in den kastilischen Quellen nach. Der Autor kommt hiernach zum Ergebnis, dass Alfons X. sehr wohl ein universales, nicht nur auf die iberische Halbinsel bezogenes Konzept verfolgte. Allein, dieses Ziel sollte nicht von Erfolg gekrönt werden. Die Dominanz der französischen Krone, die Vorstellungen des Papsttums und die „anachronistisch gewordene Imperiumidee“ (S. 195) standen den Vorstellungen des kastilischen Herrschers im Wege.

 

Der Autor ordnet die Konflikte breit in die Geschichte sowie in die politischen Entwicklungen ein und versteht es, die Inhalte der Quellen dem Leser interessant zu vermitteln. Die Arbeit stellt für die Erforschung der herrschaftlich-politischen Vorstellungen des Hochmittelalters eine Bereicherung dar.

 

Würzburg                                                                                                       Ignacio Czeguhn