Laubach,
Ernst,
Ferdinand I. als Kaiser. Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls
V. Aschendorff, Münster 2001. 783 S.
Die hier gedruckte Habilitationsschrift (Universität Münster) wurde noch
von Fritz Dickmann angeregt. Daß der Autor sie nach
drei Jahrzehnten zum Abschluß und zum Druck gebracht
hat, ist hoch zu respektieren. Die Zielsetzung, eine Teilbiographie eines
Herrschers zu schreiben, genauer die auswärtige Politik Ferdinands I. von1555
bis 1564 zu untersuchen, muß auch heute nicht
„altmodisch“ sein, wie der Autor fürchtet. Die Darstellung konzentriert sich
auf das Handeln gegenüber dem Reich und der Kurie und setzt beim Augsburger
Religionsfrieden 1555 ein. Die Begründung ist, daß
Ferdinand seit 1555 ein „Eigenprofil“ (13) bewiesen habe, was freilich schon
für das Jahr 1552 gelten könnte. Die Reichstage (1555, 1556, 1559) und
Kurfürstentage (1558, 1562) bilden neben den Auseinandersetzungen mit der Kurie
um Kaisertum und Kirchenreform die Schwerpunkte der gesamten Untersuchung.
Ausgeblendet ist die innere Politik, sind die Probleme der Integration der
österreichischen, böhmischen und ungarischen Territorien, ausgeblendet sind
auch die Fragen der Konfession und Staatsbildung. Daher wird die Bestimmung der
„Herrscherauffassung“, die der Untertitel programmatisch angekündigt, nur von
der Reichspolitik her entworfen. Demgemäß sah Ferdinand sich „in einer
eigenständigen Verantwortung neben dem Papst für die gesamte Christenheit und
die Kirche“ (738). Wie Karl V. sei Ferdinand von der führenden Position
Habsburgs in der Christenheit überzeugt gewesen, wie Karl V. habe er die
Einheit der Christianitas wiederherstellen wollen, im
Unterschied zu ihm jedoch mit der Priorität eines Friedens zwischen den
Konfessionsparteien. Die Studie bestätigt hier die bisherige Forschungsmeinung,
fördert aber eine Fülle von neuen Einzelaspekten zur Politik des Wiener Hofs
zutage, da sie unmittelbar aus den Quellenbeständen gearbeitet ist. Die
gestaltende Rolle Ferdinands läßt sich dennoch nicht
aus den Akten belegen, weil dort die Hand Ferdinands so gut wie nicht auftaucht
und weil die Überlieferung es in der Regel nicht erlaubt, die
Entscheidungsprozesse zu rekonstruieren. Man darf wohl annehmen, wie das bisher
schon geschah, daß Georg Sigmund Seld,
der Geheime Rat und Vizekanzler, die kaiserliche Politik gestaltend plante und
durchführte.
Die Orientierung an den Quellen und die lange Entstehungszeit führten dazu,
daß neuere Forschungen zu wenig oder nicht beachtet
sind. Die Studien Albrecht Luttenbergers nahmen schon
manches vorweg, was nochmals ausgeführt wird. Die Studie Dietmar Heils zur
Reichspolitik Albrechts V. von Bayern, die auf manchen Strecken den gleichen
Stoff behandelt, und die große Edition Josefs Leebs zu den Reichsversammlungen
1558/59 sind Laubach nicht mehr zur Kenntnis gelangt. Dennoch ist die
Untersuchung höchst willkommen, weil sie ein Gesamtbild der kaiserlichen
Reichspolitik liefert, das in der Detaillierung kaum zu übertreffen ist, weil
sie gerade in den Details äußerst kundig informiert und weil sie die
Herrschergestalt des Kaisers Ferdinand I., soweit es die Quellen immer
zulassen, ausleuchtet. Man würde sich wünschen, daß
wir über das Wirken des Königs von 1531 bis 1552 ebenso gut Bescheid wüßten.
Bonn Maximilian
Lanzinner