Heydenreuter, Reinhard, Kriminalgeschichte Bayerns. Von den Anfängen bis ins 20. Jahrhundert. Pustet, Regensburg 2003. III, 365 S.

 

Die vorliegende Publikation hat sich – angesichts des behandelten Zeitraumes auf durchaus knappem Raum – eine geschichtliche Darstellung der bayerischen Strafrechtspflege von den Stammesrechten bis in die Zwanzigerjahre des 20. Jahrhunderts zum Ziel gesetzt, wobei der Verfasser – infolge seiner intensiven Archivstudien für diesen Raum – den geographischen Schwerpunkt auf das Herzogtum und Kurfürstentum Bayern legt. Der zeitliche Schwerpunkt der Darstellung liegt im 16. und 17. Jahrhundert, da es eines der Hauptanliegen des Autors ist, zu beweisen, dass in dieser Zeit der „moderne Staat ... nicht zuletzt auch als Strafrechtsstaat entstanden ist und daß wir unser heutiges Untertanenbewußtsein der ,Verstrafrechtlichung‘ dieser Jahrhunderte zu verdanken haben“ (S.12, – was freilich bereits durch Studien anderer Autorinnen und Autoren als erwiesen angesehen werden darf).

 

Dementsprechend stehen dem ersten Kapitel (S. 13–55), in dem das mittelalterliche Strafrecht („Vom Stammesrecht zum Ewigen Landfrieden“) behandelt wird, vier Kapitel zur frühen Neuzeit gegenüber, in denen der Verfasser zahlreiche bisher unveröffentlichte Archivquellen auswertet und teilweise auch wörtlich wiedergibt, und zwar „Strafgesetzgebung in der frühen Neuzeit. Herrschen durch Strafen“, „Was war früher alles strafbar? Zur Geschichte der Straftatbestände“, „Wem wurde der Prozeß gemacht? Das Malefizverfahren im Herzogtum und Kurfürstentum Bayern 1500–1800“ sowie „Zwischen Galgen und Geld. Die Kriminalstrafen vom 16. bis zum 18. Jahrhundert“. Es folgt sodann das Kapitel „Biedermeier und Revolutionen“, das einen kurzen Überblick über die Strafrechtspflege in Bayern im 19. und frühen 20. Jahrhundert gibt (S. 270–313). Eine Zusammenfassung („Vom ,humanen‘ Mittelalter über den ,Strafstaat‘ des 16. und 17. Jahrhunderts zum modernen schlechten Gewissen“) sowie ein Anhang mit Glossar, Anmerkungen, Literatur- und Abkürzungsverzeichnis, Abbildungsverzeichnis, Register und Bildnachweis ergänzen den Darstellungsteil.

 

Neben der erwähnten intensiven Zitierung von insbesondere frühneuzeitlichen Archivquellen ist hervorzuheben, dass der Text nicht nur mit zahlreichen, vom Verfasser erläuterten Abbildungen illustriert ist (z. B. Titelblättern, Kupferstichen, Holzschnitten, Fotografien etc.), sondern auch mit diversen so genannten Kriminalfällen (so etwa „Tassilos Ende 787/88“, die „Hinrichtung der Herzogin Maria von Brabant 1256“, die „Hinrichtung der Baderstochter Agnes Bernauer 1435“, der „bayerische Hiasl“, der „Spessartwilderer Hasenstab“, der „Schongauer Hexenprozeß 1589/90“, der Fall Kaspar Hauser“, das „Ende des Haberfeldtreibens 1896/97“, der Mord an Kurt Eisner, der Hitlerputsch u. a. m.) und anderen, teilweise aus den Quellen direkt erarbeiteten, sonstigen den Darstellungsteil konkretisierenden Beispielen (manchmal auch ein wenig überraschend als „Kriminalfälle“ bezeichnet, etwa S. 161, 196) versehen ist. Nicht immer ist freilich die spezifische Signifikanz der ausgewählten Fälle bzw. das jeweilige Auswahlkriterium des Verfassers ersichtlich; zudem bleibt unklar, warum manche Abschnitte mehr oder weniger reichlich, andere überhaupt nicht mit „Kriminalfällen“ versehen wurden. Im Übrigen bleibt anzumerken, dass insbesondere die Darstellungsweise dieser Fallbeispiele in der Regel kaum quellenkritisch, sondern vielmehr eher pitavalartig-erzählend erscheint.

 

Insgesamt ist die Darstellungsweise des Verfassers durchgängig als eher referierend und populärwissenschaftlich zu bezeichnen, was auch dem rechtshistorisch interessierten Laien einen sehr leicht zu erlesenden Überblick über die bayerische Strafrechtsgeschichte ermöglicht, im Rechtshistoriker allerdings den Wunsch nach kritisch-differenzierteren Analysen verschiedener angesprochener Fragestellungen nicht nur auf Basis der verwendeten Archivalien, sondern auch unter Hinterfragung politischer, sozialer sowie rechtsphilosophischer Grundlagen und Zusammenhänge weckt. Auch was die vom Verfasser in das Literaturverzeichnis aufgenommenen Publikationen anbelangt, bleiben konkrete Auswahlkriterien und jeweilige inhaltliche Gewichtung des Verfassers einigermaßen im Unklaren.

 

Die vorliegende Arbeit hinterlässt daher insgesamt ein wenig den Eindruck, Produkt eines zufälligerweise mehr oder weniger prall gefüllten Zettelkastens zu sein, wenngleich die Fülle des ausgebreiteten Archivmaterials streckenweise durchaus zu beeindrucken vermag.

 

Wien                                                                                                                         Ilse Reiter