Hamza, Gábor, Die Entwicklung des Privatrechts auf römischrechtlicher Grundlage unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsentwicklung in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Ungarn (= Andrássy Schriftenreihe 1). Budapest 2002. 282 S.
Der Verfasser will „in erster Linie das Fortleben und die breitgefächerte Wirkung des römischen Rechts“ behandeln (Vorwort S. 9). Der I. Teil (S. 13-25) hat „die Anfänge des europäischen Privatrechts“ zum Gegenstand. Ein Kapitel behandelt „das römische Recht nach der Auflösung des Weströmischen Reiches“ (S. 14ff.). Der Verfasser (S. 15) folgt der These Giulio Vismaras[1], wonach das Edictum Theodorici nicht vom Ostgotenkönig Theoderich dem Großen stamme, sondern unter der Herrschaft des westgotischen Königs Theoderich II. im Regnum Tolosanum für die Westgoten erlassen worden sei. Das Gesetz galt zweifellos für die Goten wie für die römische Bevölkerung[2]. Für die Urheberschaft des Ostgotenkönigs Theoderich des Großen ist Detlef Liebs[3] mit guten Gründen eingetreten[4]. Nur eine kurze Erwähnung findet die langobardische Rechtsschule von Pavia (S. 20).
Der II. Teil (S. 27-69) behandelt „das Privatrecht und die Privatrechtswissenschaft im Mittelalter“. Ein Abschnitt ist hier dem „Wiederaufblühen des römischen Rechts in Italien“ gewidmet (S. 39ff.). Unsystematisch erscheint es, dass die Rechtsentwicklung in den österreichischen Erbländern im 16. und 17. Jahrhundert („Die Versuche der Vereinheitlichung des Privatrechts“, S. 52ff.) bereits im II. Teil (Mittelalter) dargestellt wird.
Der III. Teil (S. 71-147) befasst sich mit den neuzeitlichen Kodifikationen des Privatrechts und der Privatrechtswissenschaft. Das österreichische ABGB findet eine entsprechende Würdigung (S. 103ff.). Eingehend dargestellt wird die Geschichte der Kodifikation in der Schweiz (S. 115ff.) und in Ungarn (S. 132ff.). Ein eigener Abschnitt ist der Bedeutung des römischen Rechts für die Kodifikation des Privatrechts in Ungarn gewidmet (S. 135ff.), ein weiterer Abschnitt der wissenschaftlichen Pflege des römischen Rechts in Ungarn (S. 143ff.). Zu Recht hervorgehoben werden Géza Marton (1880-1957), András Bertalan Schwarz (1886-1953), Károly Visky 1908-1984) und Elemér Polay (1915-1988).
Höchst instruktiv und von großem Interesse ist der IV. Teil (S.149-235): „Der Einfluß der deutschen, österreichischen, schweizerischen und ungarischen Privatrechtswissenschaft und der Privatrechtskodifikationen in Mittel- und Osteuropa“, so in Polen, den baltischen Ländern, der Sowjetunion, in Tschechien, Serbien, Jugoslawien, Bulgarien, Griechenland, in der Türkei und anderen Ländern. Diese Abschnitte stellen eine wesentliche Erweiterung und Bereicherung der europäischen Privatrechtsgeschichte dar.
Verdienstvoll sind die Hinweise (S. 109 u. 155) auf Vertreter der österreichischen Privatrechtswissenschaft in Polen wie Ernest Till (1846-1938), Professor für österreichisches Privatrecht in Lemberg und Fryderyk (Friedrich) Zoll jun. (1865-1948), Professor für Privatrecht in Krakau, der bei Regelsberger und Jhering studiert und sich 1895 in Wien habilitiert hatte[5].
Umfassende Schrifttumsangaben sind jedem Kapitel vorangestellt, bisweilen auch den einzelnen Unterabschnitten. Allgemeine Literaturhinweise zu einzelnen Themenbereichen bzw. Epochen finden sich am Ende des Bandes (S. 239-250). Ein Namen-, Titel- und Sachregister (S. 251-262) erschließt die Arbeit. Den Abschluss bildet das Inhaltsverzeichnis in Ungarisch, Englisch, Französisch, Spanisch und Italienisch (S. 263-282). Illustrativ sind Abbildungen von einigen Gelehrten, so von Irnerius (S. 26), Kreittmayr (S. 70), Savigny (S. 74), K. A. von Vangerow (S. 90), Franz von Zeiller (S. 102), Eugen Huber (S. 114), Gusztáv Szászy-Schwarz (S. 130) und András Bertalan Schwarz (S. 148).
Graz Gunter Wesener
[1] Edictum Theodorici (überarbeitete
Fassung), in: Vismara,
Scritti di storia giuridica I (Milano 1987) 1ff.
[2] Vgl. W. Kunkel, Römische Rechtsgeschichte, 4. Aufl. (1964) 140f., 189; W. Kunkel/M. Schermaier, Römische Rechtsgeschichte, 13. Aufl. (2001) 205, 303.
[3] Jurisprudenz im spätantiken Italien (260-640 n. Chr.) (1987) 191ff. Vgl. G. Dulckeit/F. Schwarz/W. Waldstein, Römische Rechtsgeschichte, 9. Aufl. (1995) 306f.
[4] Zu dieser Kontroverse vgl. H. Siems, Handel und Wucher im Spiegel frühmittelalterlicher Rechtsquellen (Hannover 1992) 168f., 177ff.; E. Cortese, Il diritto nella storia medievale, I. L’alto medioevo (Roma 1995) 80ff.
[5] Vgl. G. Wesener, Österreichisches Privatrecht an der Universität Graz (= Geschichte der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Graz, Teil 4, Graz 2002) 61.