Gergen, Thomas, Sprachengesetzgebung in Katalonien.
Die Debatte um die „Llei de Política Lingüística“ vom 7. Januar 1998 (=
Beihefte zur Zeitschrift für Romanische Philologie 302). Niemeyer, Tübingen
2000. 205 S. Besprochen von Elmar Wadle.
Die Saarbrücker romanistische
Dissertation behandelt den in Katalonien schon seit jeher leidenschaftlich
geführten Sprachenstreit zwischen dem Katalanischen und dem Kastilischen und beleuchtet
damit ein Themenfeld, für das sich die rechtshistorische Forschung bislang eher
beiläufig interessiert hat. Im Mittelpunkt steht das von der spanischen Region
Katalonien am 7. Januar 1998 erlassene neue Sprachengesetz (Llei de Política Lingüística), das sich
als Ergänzung des Gesetzes vom 6. April 1983 (Llei de Normalització Lingüística) versteht. Gergen schildert die
Genese dieses Gesetzes ausführlich, um dem deutschsprachigen Leser die
Komplexität der schwierigen Beratung und Abstimmung näher zu bringen. Dabei
wird insbesondere herausgearbeitet, dass die Problematik der Zweisprachigkeit
nicht nur bei der Diskussion der Präambel dieses Gesetzes eine Rolle spielte,
sondern dass sie weit in die Gesetzes- und Kulturgeschichte Kataloniens bis zum
Anfang des 19. Jahrhunderts zurückreicht: Unter der französischen Besatzung zur
Zeit Napoleons im Jahre 1810 und während der Schulsprachendebatte zu Anfang des
20. Jahrhunderts kam es jeweils zu einer genauen Selbstüberprüfung der nationalen
Identität der Katalanen, die sich die Frage stellten, ob und inwieweit sie
Katalanen bzw. Spanier sein wollten. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts mussten
sich die Katalanen gegen das Französische und für das Spanische entscheiden;
fast genau ein Jahrhundert später betonten die katalanischen Abgeordneten im
Madrider Parlament, dass sie sowohl Katalanen als auch „gute Spanier und gute
Untertanen des spanischen Königs“ seien, denn beides sei miteinander vereinbar.
Für das Verständnis des
Sprachengesetzes von 1998 ist freilich nicht nur die lange Vorgeschichte des
Sprachenstreits unverzichtbar, sondern auch seine Verankerung im
politisch-sozialen Kontext. Dabei ist nicht zuletzt die Rolle der katholischen
Kirche und der Gewerkschaften zu betonen, da beide Institutionen traditionell
hinter dem Katalanismus standen und stehen, sieht man von der autonomen
Gemeinschaft von València einmal ab, in der das Valencianische als Varietät des
Katalanischen gesprochen wird. Die Kirche will den sozialen Frieden zwischen
Katalanisch- und Kastilischsprechern befördern und sieht ihn durch die
Übermacht der kastilischfreundlichen Gesetze und die Arroganz Madrids bei deren
Durchsetzung gefährdet. Die Gewerkschaften sehen seit ihrer Gründung im
Kastilischen ein Instrument zum Erlass von gewerkschaftsfeindlichen Gesetzen;
überdies erhebt man früh die Forderung, dass gerade Arbeiterkinder das
Katalanische lernen sollten, um gesellschaftlich und beruflich aufsteigen zu
können. Nicht zuletzt dient die Betonung der katalanischen Identität und
Sprache der deutlicheren Abgrenzung zur Regierungszeit General Francos, der die
Regionalsprachen Spaniens unterdrückt hatte, um die Einheit des spanischen
Staates und das Spaniertum (hispanidad)
zu stärken. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, dass viele
gesellschaftliche Gruppen, nicht zuletzt Gewerkschaften, die Kirche und eigens
gegründete Bürgerinitiativen, zustimmen, wenn die meisten im katalanischen
Regionalparlament vertretenen politischen Parteien das Katalanische begünstigen
und für seine Stärkung in allen wichtigen Regelungsbereichen eintreten.
Am Beispiel des Sprachengesetzes wird
damit verdeutlicht, wie sehr auch aktuelle Gesetzgebung von der Tradition eines
Landes bzw. einer Region abhängig sein kann und ohne Kenntnis solcher historischen
Zusammenhänge letztlich unzugänglich bleiben muss.
Saarbrücken Elmar
Wadle