Fricke, Eberhard, Die westfälische Veme im Bild. Geschichte, Verbreitung
und Einfluss der westfälischen Vemegerichtsbarkeit. Aschendorff, Münster 2002.
336 S., zahlreiche Ill.
Der Autor hat sich über Jahrzehnte hin (seit 1964) aktiv an der
Vemeforschung beteiligt. Nunmehr legt er aus intimer Kenntnis der Literatur und
Forschungslage ein Resumee vor in Gestalt einer Sammlung von Bildern, die er
jeweils nach Darlegung der Provenienz sachkundig kommentiert. Der Stoff ist in
sechs große Abschnitte unterteilt : Legende (S. 11), Wirklichkeit (S. 25ff.),
Macht (S. 67ff.), Ohnmacht (S. 175ff.), Ruhm (S. 198ff.) und Nachruhm (S. 235ff.).
Der Text wird ergänzt um ein Literaturverzeichnis (S. 317ff.), zu dem ausdrücklich
vermerkt wird, daß die Fülle der Literatur Vollständigkeit nicht erlaube. Trotz
dieser Einschränkung kann man sagen, daß die wichtigsten Titel erfaßt sind. Der
Art der Publikation entsprechend durfte ein Bildquellenverzeichnis (S. 323ff.)
nicht fehlen. Ein Register der Orts- undPersonennamen ermöglicht den Zugang im
Einzelnen.
Die sich bei einer solchen Bilddokumentation stellende Frage, ob es denn genügend Bildmaterial zur
Thematik gibt, ist eindeutig mit Nein zu beantworten. Neue Vemedarstellungen
wird man vergeblich suchen. Stattdessen findet man reichlich
Urkundenabbildungen, die jedoch häufig wegen der notwendigen Verkleinerung
nicht lesbar sind, Portraits von Persönlichkeiten, die in der Vemegeschichte
eine Rolle spielten, sowieso Abbildungen von Städten aus Merian etc., die in
der Vemegeschichte von besonderer Bedeutung waren. Die Beziehung zur Veme ist aus
den Bildern selbst meist nicht zu erschließen, sondern stellt sich erst über
die Kommentare her. Diese bilden damit die Annäherung an eine Gesamtgeschichte
der Veme nach dem gegenwärtigen Forschungsstand. Originell ist dagegen die
Zusammenstellung von „Denkmalen und Gedenktafeln“ (S. 244ff.), sowie von
„Femezeichen aus der Subkultur“ (S. 252ff.), mit denen die unselige
Wiederbelebung der Erinnerung an die Veme im 20. Jahrhundert dokumentiert wird.
Auch die Aufzählung der Verwertungen des Vememotivs in der Literatur und bei
anderen Formen darstellender Kunst der Moderne (S. 256ff.) besitzt einen großen
eigenständigen Wert.
In den wichtigen Kommentaren wird die Literatur im allgemeinen dicht und
korrekt verwertet. Bei einigen Wertungen wird der Rechtshistoriker jedoch
Fragezeichen machen müssen. Der Achtausspruch gegen alle über 14 Jahre alten
Bürger einer Stadt kann keineswegs als maßlose Übertreibung der
Vemegerichtsbarkeit bezeichnet werden (S. 176), weil solche Formulierungen
gegebenenfalls auch bei Ächtungen durch das königliche Hofgericht üblich waren.
Die Abbildung einer Gerichtszene mit dem Herrscher als Richter und die eines
Gehenkten (S. 206 Nr.172) wird von Fricke als Beleg angeführt „für die potestas maiestatis in peinlichen
Angelegenheiten unter anderem in Ungehorsamverfahren, so auch in Vemesachen“.
Diese Formulierung ist zumindest mißverständlich. Ob und wie weit dem deutschen
Herrscher die direkte Ausübung peinlicher Gerichtsbarkeit im Spätmittelalter
noch zustand, ist zumindest fraglich. Bei Ungehorsam im Prozeß war im übrigen
die Ächtung die Rechtsfolge und nicht die Todesstrafe. Nach der von Battenberg
vorgenommenen Untersuchung von Acht und Anleite am königlichen Hofgericht, die
auch Fricke benutzt hat, darf man von den blumigen und drastischen
Formulierungen in Achturteilen nicht auf deren Vollstreckung im Sinne des
Wortlauts schließen. Wie Fricke selbst in Übereinstimmung mit der Literatur
bemerkt, gilt dies auch für die Vervemung. Wenn Fricke unter Berufung auf
Hönsch meint, Kaiser Sigismund habe die Dortmunder Reichs-Kammer über sein
eigenes Hofgericht gestellt, um damit die privilegierten Reichsfürsten zur
Rechenschaft ziehen zu können (S. 211 Ziff. 179), so bedürfte diese Beurteilung
erneuter rechtshistorischer Überprüfung. An dieser Stelle sei allgemein vermerkt,
daß in der Vemeforschung zu wenig unterschieden wird zwischen vemewrogigen
Sachen, die in die Kompetenz der Freigerichte fielen, und den wohl
zahlreicheren Verfahren, die wegen Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung an
die Veme gebracht wurden, und zur immer größeren Ausweitung ihrer
Gerichtstätigkeit führten. Ebenso scheint mir der Unterschied zwischen Maßnahmen
nach einem Urteil in vemewrogigen Sachen und einem Achturteil wegen
Prozeßungehorsams häufig verkannt zu werden.
Eine abschließende Darstellung der Veme will dieses Buch nicht sein. Eine
solche dürfte sich auch nicht nur auf die bisherige Literatur stützen sondern
bedürfte umfangreicherer Quellenforschung, bei der festzustellen wäre, zu
welchen Zeitpunkten welche Verfahrensarten an welche Freistühle gebracht
wurden. Dies wäre - zusammen mit einer neuen Analyse der Landgerichte
einschließlich des Hofgerichts zu Rottweil - ein dringendes
Forschungsdesiderat, wenn man die Geschichte der deutschen Königsgerichtsbarkeit im Spätmittelalter
wirklich verstehen will.
Kronberg Bernhard
Diestelkamp