Fetzer, Ralf,
Untertanenkonflikte im Ritterstift Odenheim vom ausgehenden Mittelalter bis zum
Ende des Alten Reiches (= Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche
Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe B, Forschungen Bd. 150). Kohlhammer,
Stuttgart 2002. LIV, 433 S. 1 Karte.
Schon seit längerem hat die Geschichtswissenschaft
erkannt, dass die von Günther Franz vertretene These von der politischen
Bedeutungslosigkeit des deutschen Bauernstandes nach der Niederlage von 1525
einer Revision unterzogen werden muss. Anknüpfend an die grundlegenden
Untersuchungen aus jüngerer Zeit von Peter Blickle und Winfried
Schulze zum bäuerlichen Widerstand im Alten Reich zeigt der Autor für das
Gebiet des ehemaligen Ritterstifts Odenheim auf, dass die Konflikte zwischen
Untertanen und Ritterstift in der Folgezeit nicht mehr gewaltsam gelöst,
sondern in die Bahnen des gerichtlichen Austrags gelenkt wurden. Gerade im
Hinblick auf die eingangs erwähnte These von Franz ist die gut belegte
Feststellung Fetzers interessant, dass die bäuerlichen Untertanen nur wenige
Jahrzehnte nach dem verheerenden Bauernkrieg vor den Gerichten durchaus
selbstbewusst agierten. Die beiden obersten Gerichte im Reich, Reichskammergericht
und Reichshofrat, wurden insbesondere in der zweiten Hälfte des 16.
Jahrhunderts häufig im Wege des Mandatsprozesses in Anspruch genommen; dies
aber erst dann, wenn die direkten Ansprechpartner – so z. B. der Fürstbischof
von Speyer als Kastenvogt des Ritterstifts oder auch der pfälzische Kurfürst –
den Forderungen der Gemeinden ablehnend gegenüberstanden. Insbesondere die
Kraichgaugemeinden Eichelberg und Odenheim nutzten die Möglichkeiten des
summarischen Prozesses und die Nähe des Speyerer Reichskammergerichts intensiv
aus, um das begehrte Mandat zu erlangen. Ein umfangreicher Waldbesitz
erleichterte es der Gemeinde Odenheim, die finanziellen Unwägbarkeiten
gerichtlicher Auseinandersetzungen zu verkraften. Auch bei diesen Konflikten
findet man die aus den Prozessen zwischen reichsstädtischen Magistrat und
aufbegehrender Bürgerschaft bekannte Frontenstellung vor: Während Kaiser und
Reichshofrat die ritterstiftische Position zu stärken suchten, verliefen die am
Reichskammergericht geführten Prozesse oftmals zu Gunsten der Gemeinden.
Aufgrund der Rechtsprechung des Reichskammergerichts wurden
denn auch z. B. die Einführung ungemessener Frondienste verhindert und so die
Position der Untertanen wesentlich gestärkt. Bemerkenswert ist gleichfalls, dass
dieses, neben dem Reichshofrat höchste Gericht im Alten Reich sich nicht
scheute, in mehreren Urteilen gelegentlich der Odenheimer Waldkonflikte
herrschaftliche Eingriffe als rechtswidrig zu kennzeichnen und das
Eigentumsrecht der Gemeinde an den Waldungen zu betonen. In Frage gestellt
wurde dadurch nichts weniger als die vogteiliche Herrschaft des Ritterstifts.
Verständlich ist, dass das in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts
eingerichtete ritterstiftische Hofgericht bei den Untertanen nur auf wenig Resonanz
stieß. Im Gegenteil: Die untertanenfreundliche Rechtsprechung des
Reichskammergerichts führte dazu, dass die ritterstiftische Herrschaft
gleichsam paralysiert wurde und die Gemeinde vermeintliche Privilegien und
Gerechtsame behaupten konnte. Allein in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts
erwirkte die Gemeinde Odenheim 30 Mandate gegen das Ritterstift. Schon diese
Zahl verdeutlicht eindrucksvoll die Bedeutung des prozessualen Konfliktaustrags
auf reichsrechtlicher Ebene im Rahmen des „Widerstandsrepertoires“ der
Untertanen. Jene massive Inanspruchnahme des Speyrer Reichskammergerichts - wie
auch des kaiserlichen Hofgerichts zu Rottweil - deutet darauf hin, dass das
Bruchsaler Ritterstift sich als unfähig erwies, das Konfliktpotential in
Eigenregie zu entschärfen. Durchaus selbstbewusst agierten die bäuerlichen
Untertanen nur wenige Jahrzehnte nach dem verheerenden Bauernkrieg Der reiche
Inhalt dieser mustergültigen Studie kann an dieser Stelle nicht weiter
ausgebreitet; ein Resumee ist schwierig. Deutlich wird aber, dass mit der
Begrenzung auf kleine Räume - der Autor selbst bezeichnet seine Untersuchung
als „Mikrostudie“ – eine Dichte und Kompaktheit der Darstellung erzeugt wird,
welche beeindruckend ist.
Heidelberg Klaus-Peter
Schroeder