Einhundertfünfundzwanzig [125] Jahre
rheinische Amtsgerichte, eine Darstellung der Gerichte im Bezirk des
Oberlandesgerichts Köln mit Fotografien von Minssen, Ibo, hg. v. Lünterbusch,
Armin/Strauch, Dieter, Redaktion Scheiff, Bernd (= Kölner Justiz Bd.
1), 2003. Landpresse, Köln 2003. 263 S.
Die von
Oberlandesgerichtspräsident Armin Lünterbusch und dem renommierten
Rechtshistoriker Dieter Strauch herausgegebene Publikation ist bemerkenswert,
ja ungewöhnlich. Es ist bekannt, daß die Gerichte des Rheinlandes sich in
besonderem Maße historischer Betrachtung erfreuen. Das Interesse richtet sich
in der Regel auf die bekannten Kölner Gerichte. Nunmehr liegt jedoch ein Werk
vor, das sich eingehend mit den unteren Gerichten des Kölner
Oberlandesgerichtsbezirks befaßt. Anlaß dazu gab die Erinnerung an die vor 125
Jahren erlassene, gemeinsam mit den Reichsjustizgesetzen in Kraft getretene
preußische Verordnung über die Errichtung der Amtsgerichte vom 16. Juli 1878.
Damals wurden die für die sog. Bagatellgerichtsbarkeit in der Rheinprovinz
zuständigen Friedensgerichte aufgehoben und - mit erweiterter Zuständigkeit -
die Amtsgerichte errichtet.
Eine
materialreiche, zweiteilige Abhandlung von Dieter Strauch über den Wandel der
bürgernahen Gerichtsbarkeit im Rheinland steht demgemäß im Mittelpunkt des
Aufsatzteils der Publikation. Strauch untersucht zunächst die Zeit des Alten
Reiches und die Neugestaltung des rheinischen Rechts in der kurzen, aber
inhaltsreichen Franzosenzeit, um sich dann den Entwicklungen von 1848 bis zur
Gegenwart zuzuwenden. Dazwischen findet eine Abhandlung von Marcel Erkens über
die rheinpreußische Friedensgerichtsbarkeit von 1814 bis 1879 ihren Platz, die
eine interessante geschichtliche Periode der Gegenwart erschließt.
Vorangestellt ist den historischen Abhandlungen ein Beitrag von Jürgen
Mannebeck, der in lockerer, lebendiger Form dem rechtsunkundigen Leser deutlich
macht, welche Fülle von Zuständigkeiten heute das Amtsgericht vereinigt.
Zwei
Drittel des Werksumfangs beansprucht der Bilderteil, in dem alle Amtsgerichte
in vorzüglichen Fotografien von Ibo Minssen und informativen Kurzbeiträgen aus
der Feder ihrer Direktoren vorgestellt werden. Ibo Minssen, von dem alle Fotos
stammen, ist ein passionierter Hobby-Fotograf, der bis zu seiner Pensionierung
Vorsitzender einer Zivilkammer des Landgerichts Köln war. Unterstützt durch
einen trefflichen Essay Uwe Günthers veranschaulichen die Bilder in sehr
gelungener Weise, wie sich der Zeitgeist in der Formensprache der
Gerichtsgebäude widerspiegelt. Die preußische Bauverwaltung hatte für den
Neubau der Gerichte eine hierarchische Abstufung vorgeschrieben; danach sollten
die Amtsgerichte gotisch gestaltet werden, während die Formen des Barock und
der Renaissance den oberen Gerichten vorbehalten blieben. Die in der
Publikation vereinigten Bilder aller Gerichte des Bezirks einschließlich des
Oberlandesgerichts und der Landgerichte zeigen, wie der Weg der
Gerichtsarchitektur vom Historismus über das Neue Bauen zur stilistischen
Mannigfaltigkeit der Gegenwart führt, in der Gebäude geschaffen werden sollen,
in denen der Geist der modernen Justiz zum Ausdruck kommt. Transparenz,
Funktionalität und Kommunikationsfreundlichkeit gelten als Merkmale einer
demokratischen, sich von Herrschaftsattituden distanzierenden, und die
Rasterfassaden der ersten Nachkriegsjahre überwindenden Baukultur. Die
eindrucksvollen Bilder aus der neueren Zeit, die den besonderen Reiz des Buches
ausmachen, lassen allerdings auch erkennen, daß die Aufgabe, Gerichte zu
schaffen, in denen sich der Geist der neuen, dem Bürger zugewandten
Gerichtskultur verkörpert, nicht leicht zu lösen ist.
Goslar Rudolf Wassermann