Die Anfänge der Inquisition im Mittelalter. Mit einem Ausblick auf das 20. Jahrhundert und einem Beitrag über religiöse Intoleranz im nichtchtristlichen Bereich, hg. v. Segl, Peter (= Bayreuther historische Kolloquien 7). Böhlau, Köln 1993. VIII, 310 S.

 

Mancher lehrt jahrzehntelang, dass nach römischem Vorbild Verträge zu halten sind, weil andernfalls niemand leistet, wozu er sich selbst verpflichtet hat. Hat er mit der Lehre abgeschlossen, so kann es sein, dass er sich in der Praxis nicht an diesen guten Grundsatz gehalten hat. Findet er dann beim Räumen seines Schreibtisches einen Stoß unrezensierter Bücher, entledigt er sich ihrer am leichtesten durch einfaches Rücksenden.

 

Auf dieses Weise habent fata sua libelli und kommen die – durch ein Gemäde Pedro Berruguetes (um 1500) bildlich veranschaulichten – Anfänge der Inquisition sehr spät und nur kurz zu Wort. Sie entspringen dem jährlich stattfindenden wissenschaftlichen Symposium der Facheinheit Geschichte der Universität Bayreuth. Ihr Plan ist dem verdienstvollen Herausgeber zu verdanken.

 

Peter Segl führt in seinem Beitrag Einrichtung und Wirkungsweise der inquisitio haereticae pravitatis im mittelalterlichen Europa in die Thematik ein und weist dabei nachdrücklich darauf hin, dass ein Amt zur Bekämpfung von Dissidenten erst am 21. Juli 1542 in einem für die gesamte Christenheit zuständigen obersten päpstlichen Inquisitionstribunal in Rom errichtet wurde. Die Sache Inquisition ist freilich deutlich älter (officium inquisitionis 1234, negotium inquisitionis 1235). Innerhalb ihres wohl mehr als ein halbes Jahrhundert währenden Entstehungsvorgangs (1184-1252) wird dabei dem Jahr 1231 einleuchtend insofern eine besondere Stellung zugewiesen, als sich in ihm erstmals mit vom Papst delegierter Gerichtsgewalt ausgestattete inquisitores haereticae pravitatis sichern lassen.

 

Die Grundlage des prozessualen Vorgehens gegen Ketzer bildet dabei das wohl von Papst Innozenz III. zuu Beginn des 13. Jahrhunderts in das kirchliche Prozesswesen eingeführte Verfahren per inquisitionem gegen pflichtvergessene Geistliche. Es ersetzt die Akkusation seitens eines Dritten durch das (disziplinarische) Vorgehen von Amts wegen. Friedrich II. und die oberitalienischen Kommunen folgen dem rasch und wohl Konrad von Marburg (1231-1233) praktiziert als erster die zusätzlich durch die bestätigenden Beweise und summarische Formen gekennzeichnete Ketzerinquisition.

 

Entsprechend der Konzentration des Symposiums auf die frühen Ansätze spannt Winfried Trusen den Bogen von den Anfängen des Inquisitionsprozesses zum Verfahren bei der inquisitio haereticae pravitatis. Lothar Kolmer befasst sich mit den Anfängen der Inquisition in Frankreich. Helmut G. Walther untersucht Ziele und Mittel päpstlicher Ketzerpolitik in der Lombardei und im Kirchenstaat 1184-1252. Dietrich Kurze behandelt die Anfänge der Inquisition in Deutschland, Ludwig Vones (Krone und Inquisition) in den Ländern der Krone Aragón. Alexander Patschovsky referiert über die politische Bedeutung von Häresie und Häresieverfolgung im mittelalterlichen Böhmen. Hans-Eberhard Hilpert befasst sich in seinem letzten, ihm vor seinem frühen Tod möglichen Beitrag mit der Frage, ob das regnum Angliae wegen der dort verpäteten Ankunft der Inquisition (im 15. Jahrhundert) eine Insel der Gläubigen gewesen sei. Am Ende stellt Ulrich Berner Toleranz und Intoleranz in den nichtchristlichen Religionen gegenüber und vermutet Bernhard Schimmelpfennig die christliche Inquisition als Vorläuferin des modernen Totalitarismus. Statt eines wünschbaren ausführlichen Registers bietet Amalie Fößel einen klaren und knappen Bericht über die lebhafte und ertragreiche Diskussion aller anregenden, viele neue Ergebnisse zu den Anfängen der Inquisition im Mittelalter vorlegenden Vorträge.

 

Innsbruck                                                                                                       Gerhard Köbler