Der Dresdener Sachsenspiegel. Faksimile-Ausgabe. Akademische Druck- und Verlagsanstalt, Graz 2002. 92 Bl.
Die Dresdener
Bilderhandschrift des Sachsenspiegels. Interimskommentar, hg. v. Lück, Heiner. Akademische Druck- und
Verlagsanstalt, Graz 2002. 77 S.
Der vermutlich um 1221-1224 von Eike von Repgow verfasste Spiegel
der Sachsen ist der Gegenwart durch mehr als 450 Zeugnisse überliefert. Von
ihnen sind die Bilderhandschriften wegen ihres den Text veranschaulichenden Charakters
von besonderem Reiz. Von einer verlorenen Stammhandschrift des dreizehnten
Jahrhunderts ausgehend sind heute noch vier von wahrscheinlich sieben oder acht
einst hergestellten Exemplaren erhalten.
Die moderne Abbildungstechnik macht ihre
kostengünstigere Vervielfältigung für eine breitere Öffentlichkeit möglich.
Dies erkannte bereits Karl von Amira. Mit der Edition
Die Dresdener Bilderhandschrift des Sachsenspiegels. 1. Faksimile, Leipzig 1902
(Neudruck Osnabrück 1968). II, 1 und 2. Erläuterungen, Leipzig 1925, 1926
(Neudruck Osnabrück 1969) legte er (in der Form 194er lose eingelegter Tafeln
und dreier Ergänzungstafeln) den ersten vollständigen Doppellichtdruck einer
mittelalterlichen Bilderhandschrift vor, wobei aus Kostengründen allerdings 187
Tafeln nur in Schwarzweiß und nur 6 Tafeln in Farbe ausgeführt werden konnten.
Amiras Vorlage wurde bei der Zerstörung des die
sächsische Landesbibliothek beherbergenden japanischen Palais in Dresden im
Frühjahr 1945 trotz bombensicherer Unterbringung im Keller schwer beschädigt.
In das am Elbufer gelegene Gebäude drang Wasser ein. Bis zu seiner Entdeckung
durchnässte es erhebliche Teile der kostbaren Pergamenthandschrift.
Auf Grund der politischen Verhältnisse im Osten
Deutschlands und der damit verbundenen Wissenschaftspolitik rückte die (bis
1990 nur in einem anderen, sich nicht nur wissenschaftlich nach außen
abschottenden politischen System zur Verfügung stehende) Handschrift nach den
Worten Heiner Lücks etwas an die Peripherie der
rechtsgeschichtlichen Forschung. Im verständlichen Gegensatz hierzu legte im
Westen 1970 Walter Koschorrek die Faksimileausgabe
Der Sachsenspiegel. Die Heidelberger Bilderhandschrift Cod.
Pal. Germ. 164. Kommentar und Übersetzung, vor. Ihr
Umfang war wegen der gewichtigen Lagenverluste der an der Wende vom 13. zum 14.
Jahrhundert entstandenen Handschrift auf 30 Blätter mit 310 Bildstreifen
beschränkt.
In der Folge widerfuhr der Dresdener
Bilderhandschrift der seltene Segen modernen rechtsgeschichtlichen
Mäzenatentums. Dietrich H. Hoppenstedt hatte durch
seinen Lehrer Karl Kroeschell Christian Ulrich Grupens Interesse für das mittelalterliche Rechtsbuch
kennen und schätzen gelernt (Christian Ulrich Grupen
als Jurist und Rechtshistoriker, 1971). Als eine Delegation des
niedersächsischen Sparkassen- und Giroverbands bei einer Besichtigung der
sächsischen Landesbibliothek 1986 auch die schwer beschädigte Bilderhandschrift
sah, verwendete sich seine niedersächsische Sparkassenstiftung für eine
langjährige Restaurierung und Konservierung in Wolfenbüttel.
Darüber hinaus erwarb die niedersächsische Sparkassenstiftung 1991 aus dem Eigentum des Großherzogs von Oldenburg die 1336 von Hinricus Gloyesten aus dem Kloster Rastede geschriebene, in fünf Bücher geteilte, mittelniederdeutsch gehaltene Oldenburger Bilderhandschrift (Landesbibliothek Oldenburg CIM I 410) mit ihren 136 Blättern und 586 (nur selten kolorierten) Bildstreifen, die 1995/1996 von Ruth Schmidt-Wiegand nach vorarbeitender Vertiefung wissenschaftlicher Einzelfragen durch mehrere junge Forscher in drei Bänden (Faksimile, Text, Kommentar) ediert wurde. Gemeinsam konnten auf Grund dieses Eigentümerwechsels erstmals alle vier Bilderhandschriften gleichzeitig in Wolfenbüttel ausgestellt werden. Unterstützt durch die Forschungen Paul Raabes gelang Ruth Schmidt-Wiegand 1993 auch eine ebenfalls dreibändige (ergänzte) Ausgabe (Faksimile, Text, Kommentar) der Wolfenbütteler Bilderhandschrift (Cod. Guelf. 3.1 Aug. 2°), so dass damit für alle vier Bilderhandschriften Faksimileausgaben greifbar waren.
Allerdings hatte sich seit 1902 der Stand der
Technik erheblich verbessert. Schon die Ausgabe der Heidelberger
Bilderhandschrift hatte neue Maßstäbe gesetzt. Dementsprechend lag kaum etwas
näher als eine verbesserte Faksimileausgabe der mehr als 4000 Menschen in den
erhaltenen 924 Bildstreifen typisierend abbildenden, vermutlich zwischen 1347
und 1363 vielleicht für Friedrich III. von Meißen geschaffenen und über
Annaburg 1586 nach Dresden gelangten Dresdener Bilderhandschrift des
Sachsenspiegels.
Sie ist hundert Jahre nach der Erstausgabe Karl
von Amiras mit Hilfe beträchtlicher öffentlicher
Mittel gelungen. Wie Musterblätter (fol. 43r, 43v mit
Landrecht III, 42-45, fol. 57r, 57v mit Lehnrecht
1-4) zeigen, kann damit jedermann ein dem restaurierten, ursprünglich 100
Seiten umfassenden, inzwischen durch Verluste (sechser Blätter) zwischen Blatt
1 und 2 und (zweier Blätter) zwischen Blatt 29 und 30 geschädigten Original
weitgehend gleiches Faksimileexemplar erwerben (Subskriptionspreis 2750 Euro,
Endpreis mindestens 3500 Euro). In einem von Heiner Lück
herausgegebenen schlanken Interimskommentar bieten der Herausgeber einen
fundierten Überblick über den Sachsenspiegel und seine Dresdener
Bilderhandschrift, Ruth Schmidt-Wiegand eine auf eigene Forschungen gegründete
Beschreibung der Zusammenhänge aller Bilderhandschriften und Dag-Ernst Petersen
eine detaillierte Darstellung der Erhaltung der Dresdener Bilderhandschrift,
über die ein in Vorbereitung befindlicher Textband ebenso noch hinausführen
wird wie ein Aufsatzband mit ausführlicher Bibliographie.
Damit wird es künftig für alle Forschungen zu den
Bilderhandschriften des Sachsenspiegels hervorragende Voraussetzungen geben.
Innsbruck Gerhard
Köbler