Das Recht im kulturgeschichtlichen Wandel. Festschrift für Karl Heinz Burmeister zur Emeritierung, hg. v. Marquardt, Bernd/Niederstätter, Alois. UVK, Konstanz 2002. 608 S.

 

Karl Heinz Burmeister, am 21. November 1936 in Krefeld als Sohn eines Dermatologen geboren, dort und im mütterlichen Bregenz geschult, 1961 in Mainz zum Doktor der philosophischen Fakultät promoviert und vom 1. Februar 1967 bis zum 31. Dezember 2001 im Archivdienst Vorarlbergs tätig (1971 definitiver Leiter, 1975 Direktor), wurde nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Köln, Genf, Wien und Innsbruck 1969 in Tübingen auch zum Doktor der Rechtswissenschaften promoviert, 1974 in Zürich habilitiert, am 28. November 1984 zum Titularprofessor ernannt und zum 1. Januar 1995 zum außerordentlichen Professor der Hochschule/Universität Sankt Gallen gewählt. In 43 Jahren Forschungstätigkeit ist die Liste seiner in mehreren europäischen Sprachen erschienenen Arbeiten auf 647 Titel angewachsen. Auf Grund dieses Erfolgs haben Bernd Marquardt und Alois Niederstätter bei Gelegenheit seiner Emeritierung eine stattliche Festschrift mit 20 Beiträgen herausgegeben.

 

Alphabetisch nach den Familiennamen der Verfasser geordnet beleuchtet sie das Recht im kulturgeschichtlichen Wandel von vielen Seiten. Theodor Bühler beschreibt die Formen und Methoden der mündlichen Überlieferung und ihre Bedeutung für das Gewohnheitsrecht und stellt dazu fest, dass es in Zeit der mündlichen Überlieferung anzuwendende Rechtssätze nicht gibt. Louis Carlen legt erstmals die Geschichte der Rechtsanwaltschaft im Wallis bis 1800 dar und gelangt dabei bis zum Jahr 1446 zurück – zwischen 1462 und 1522 waren in Basel immerhin 65 Walliser immatrikuliert, von denen sich 15 später in öffentlichen oder rechtlichen Funktionen nachweisen lassen. Gernot Kocher veranschaulicht die Wendung „dem armen als dem richen, dem richen als dem armen“ an Hand siebener  Bilder. Gerda Leipold-Schneider behandelt die Lindauer Schiffer- und Fischerzunft von den Anfängen (urkundliche Ersterwähnung 1349) bis ins 18. Jahrhundert. Michele Luminati nimmt sich von der Schweiz aus Eidgenossenschaft und Eid in der frühen Neuzeit vor. Auf das Strafrecht in den ländlichen Herrschaften des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation geht Bernd Marquardt in segmentärer Betrachtungsweise ein und erkennt die These von der Fixierung des Ancien Régime auf die Todesstrafe als unhaltbar. Notizen zu einer Rechts- und Kulturgeschichte der Nacht schreibt Alois Niederstätter. Über (5) missglückte Hinrichtungen des letzten Altsalzburger Scharfrichters Franz Josef Wohlgemuth (1757-1817) berichtet Peter Putzer. Polybios, Cicero und die römische Republik untersucht Alois Riklin. Auf Stigmatisierung und Stigma-Management – Bemerkungen zur Geschichte der Lindauer Scharfrichter in der frühen Neuzeit greift Wolfgang Scheffknecht aus. Clausdieter Schott ordnet zwischen Dorf und Stadt am Beispiel Zurzachs den Flecken als Rechtsbegriff ein. Rainer J. Schweizer und Ulrich Zelger stellen unter dem Motto Alle Macht dem Volk! den Verfassungsentwurf der Senatoren Heinrich Krauer und Johann Melchior Kubli von 1800 als Meilenstein schweizerischer Verfassungsgeschichte vor. Marcel Senn schlägt in Kulturgeschichte und Rechtsstudium ein Rechtsstudium auf kulturhistorischer Grundlage vor. Was ist Umweltgeschichte? fragt Rolf Peter Stieferle und fordert verstärkte Aufmerksamkeit für sozial-ökologische Erklärungsansätze. Claudio Solivas ebenfalls als Frage formuliertes Thema lautet: Der Eid: Sakrales Relikt in einer säkularisierten Gesellschaft? Seine Antwort hält den Eid zwar für veränderbar, aber unverzichtbar. Die persönliche Ehre und die Ehrenstrafen vom Mittelalter bis zur Neuzeit stehen im Mittelpunkt des Interesses Daniel Sprechers. Manfred Tschaikner geht von der Wendung aus „die halbe Gemeinde (Feldkirch) besteht aus Hexen und Hexenmeistern“. Werner Vogler behandelt das geistliche Testament von P. Deicola von Ligerz (1654-1734) von 1734. In die jüngste Vergangenheit führt Clemens von Zedtwitz mit der Betrachtung „Die Zeiten ändern sich“ – Zur Verfahrensdauer im Telekommunikationsrecht und begründet damit drohende wirtschaftliche Nachteile für die Schweiz. Den Abschluss bilden Ernst Zieglers Ergebnisse aus der Geschichte von Gaiserwald nordwestlich Sankt Gallens.

 

Insgesamt bieten so Freunde, Kollegen und Schüler dem Jubilar einen bunten, auch besonders auf seine Interessengebiete bezogenen Strauß wissenschaftlicher Erörterungen, dessen gediegene äußere Form großzügiger finanzieller Unterstützung zu verdanken ist. Sie würdigen damit den besonderen Platz, den sich Karl Heinz Burmeister in der Geschichte verdient hat. Zur Dokumentation beigefügt sind dem die von der Beschimpfung der Engadiner durch Sebastian Münsters Kosmographie (1959) über den Versuch zu einem biographischen Gesamtbild Münsters (1963, 2. unv. Aufl. 1969), die Vorarlberger Landsbräuche (1970), das Studium der Rechte im Zeitalter des Humanismus im deutschen Rechtsbereich (1974) und medinat bodase – Zur Geschichte der Juden am Bodensee (1994ff.) bis zum Bild der Stadt Lindau (2002) reichenden Veröffentlichungen, deren übersichtliche chronologische Zusammenstellung jedermann willkommen sein wird, der sich mit den vielfältigen Erkenntnissen des Jubilars auseinandersetzen will.

 

Innsbruck                                                                                           Gerhard Köbler