Dänemark, Norwegen und Schweden im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung. Nordische Königreiche und Konfession 1500 bis 1660, hg. v. Asche, Matthias/Schindling, Anton (= Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung 62). Aschendorff, Münster 2003. 332 S.
Die Darstellung umfasst nicht nur Dänemark,
Norwegen und Schweden, sondern auch die heute selbständigen Staaten Island und
Finnland. Island war im 16. und 17. Jahrhundert ein „Nebenland“ der
dänisch-norwegischen Krone mit Selbstverwaltung, während Finnland keinen
autonomen Status in politischer Hinsicht hatte, sondern eine Landschaft wie
andere im schwedischen Reich war.
Im „Versuch eines Problemaufrisses“ benutzt Matthias
Asche das ab und zu problematische Bild von „Zentrum-Peripherie“-Relationen. Peripherie scheint immer etwas untergeordnet im
Verhältnis zu Zentrum zu sein. Man fragt sich, ob Kopenhagen, das schwedische
Kernland oder Mitteleuropa Zentrum oder Peripherie ist? Asches Darstellung gibt
übrigens eine vielfazettierte Einführung in die Reformationsbegebenheiten und
den Konfessionalisierungsprozess der nordischen Länder.
Geographisch hatte Dänemark eine wesentlich höhere
Städtedichte als die übrigen Länder der Kalmarer Union. Die neue religiöse Lehre
verbreitete sich von den Herzogtümern Schleswig und Holstein in die großen
Handelsstädte in Jütland und Ostdänemark, besonders Malmö und Kopenhagen in der
Form „von obrigkeitlich geduldeten Stadtreformationen“. Ganz anders verlief der
Vorgang in Schweden. Obwohl hier die Einführung der neuen Lehre durch einen
Rechtsakt von oben auf dem Reichstag von Västerås 1527 geschah, blieb die
konfessionelle Lage bis zum Ende des 16. Jahrhunderts unklar, indem viele Elemente
der alten Kirche weiter lebten. Wallfahrten, Heiligenkult, lateinische
Messegesänge, liturgische Gewänder und Klöster, insbesondere das Mutterkloster
des Birgittinenordens in Vadstena, bestanden lange. Von großer Bedeutung war
auch die Bewahrung des Bischofsamtes.
Die Hauptbeiträge liefern zwei Professoren der
Ernst-Moritz-Arndt-Universität in Greifswald, der Däne Jens E. Olesen und der Deutsche Werner Buchholz, sowie
der dänische, aber schwedisch geborene Professor Tore Nyberg an der Syddansk Universität in Odense. Die ersten zwei Beiträge
behandeln besondere Fragen innerhalb der Doppelmonarchie Dänemark-Norwegen mit
Island und des schwedischen Reichs mit Finnland, während Tore Nyberg in dem dritten Beitrag das religöse
Profil des Nordens in einer vergleichenden Darstellung der Entwicklung von
Kirchlichkeit und Frömmigkeit in den skandinavischen Ländern vom späten
Mittelalter bis zum konfessionellen Zeitalter zeichnet. Beide nationale
Entwicklungsgeschichten fangen mit einer geographisch-territorialen Präsentation
von Ländern und Diözesen und einer Analyse gesellschaftlicher Strukturen und
politischer Konflikte an.
Jens E. Olesen (S. 27-99) interessieren besonders die sozialen und wirtschaftlichen
Bedingungen der weltlichen Stände im Verhältnis zu privatrechtlichen,
verwaltungsrechtlichen und kirchenrechtlichen Fragen. Dies gilt auch für das Stockholmer
Blutbad, das er eine provisorische Gerichtshandlung nennt (S. 36). Eine mehr
rechtlich begründete Auffassung von den Begebenheiten in Stockholm 1520 und 1522
wird von Tore Nyberg (S. 259) geboten.
Bestrebungen, eine nationale und von Papst und
Kurie unabhängige Kirche zu schaffen, wurden in Dänemark schon 1526 sichtbar. König
Friedrich I. (1523-1533) erhielt zwar die katholische Kirche, gestattete aber
ab 1527 die Errichtung von evangelischen Kirchengemeinden. Christian III.
(1536-1559) bekam in allen nachfolgenden Begebenheiten der Reformation sehr
großen Einfluss. Jens E. Olesen nennt die
dänische Reformation sowohl eine Stadtreformation als auch eine Fürstenreformation.
Die Einziehung des Kirchenvermögens bedeutete eine Stärkung der Krone in sowohl
ökonomischer als auch politischer Hinsicht und schuf die finanzielle Grundlage
für den Aufbau einer modernen Regionalverwaltung. 1537 bekam Dänemark eine Kirchenordnung
von Johannes Bugenhagen ausgearbeitet und von Martin Luther selbst approbiert.
Die katholische Universität in Kopenhagen von 1479, die um 1530 angesichts der
anwachsenden evangelischen Bewegung ihren Lehrenbetrieb eingestellt hatte,
wurde 1537 nach dem Modell der Wittenberger Universität wiedereröffnet.
Die lutherische Kirche wurde unter Friedrich II. (1559-1588)
in Dänemark konsolidiert. In Norwegen und Island ging es aber viel langsamer,
und erst mit der heranwachsenden lutherischen Orthodoxie unter Christian IV.
(1588-1648) setzte sich die Konfessionalisierung auch dort fest, obwohl eine
gegenreformatorische Bewegung kurzzeitig in Norwegen in Verbindung mit anderen
katholischen Missionierungsversuchen im Norden stattfand.
Die Entwicklung in Schweden und Finnland (S.
107-230) vor der Reformation, in der Reformationsepoche und in der nachfolgenden
Konfessionalisierung wird von Werner Buchholz sehr detailliert
behandelt. Der Konfessionswechsel Königin Christinas (1644-1654) bildet dabei
sogar einen selbständigen Abschnitt. Viel Gewicht wird darauf gelegt, dass in
Schweden sehr früh der gemeine Mann, der Almoge, politische Bedeutung
erlangte. Die Bauern wurden zu Reichsversammlungen geladen, was in Dänemark
selten der Fall war. Die Kalmarer Union bekam in Schweden eine andere Bedeutung
als in Dänemark und Norwegen, was zu Unabhängigkeitsbestrebungen führte. Den
Autor interessieren besonders die vielen Unterschiede zwischen
Dänemark-Norwegen und Schweden-Finnland sowohl in politischer als auch in kultureller,
religiöser und wirtschaftlicher Hinsicht. Er hebt auch die individuellen
Verschiedenheiten der jeweiligen Könige hervor. Gustav Vasa (Eriksson)
(1521-1560) wusste, wie er das Stockholmer Blutbad in propagandistischer
Hinsicht ausnützen konnte, um sich in eine günstige Position als König zu
bringen. Noch im 19. Jahrhundert scheint die schwedische Historiographie die
Herrschaft und Usurpation des Throns von Gustav Vasa dadurch legitimiert zu
haben. König Gustav übernahm alle Kirchengüter und ihre Einkommen, nicht nur
Bischofsgüter und Klöster wie in Dänemark, um die allgemeine Sanierung der
königlichen Finanzen und die Konsolidierung der königlichen Macht zu sichern.
Die Universität in Uppsala wurde 1477 als
katholische Institution gegründet. Man weiß nicht viel über ihre älteste Epoche,
obwohl einzelne Dozenten bekannt sind, und für die Zeit nach 1508 sind keine
Aktivitäten mehr bezeugt, obwohl die Universität immer noch existierte. Zwischen
1530 und 1565 sind einzelne Gelehrte, die in Wittenberg ihre Ausbildung
erhalten hatten, mit der Universität verbunden, und nach 1566 wurde der
Lehrbetrieb wieder aufgenommen. Am 1. August 1593 wurde die Universität Uppsala
wieder gegründet und bekam jetzt sieben Lehrstühle für sowohl weltliche wie
geistliche Ausbildungen. 1604 erhielt die Universität eine Professur für Recht.
Danach wurde neue Universitäten im großschwedischen Reich errichtet oder
inkorporiert: 1631 kam die 1456 gegründete pommersche Landesuniversität
Greifswald unter die schwedische Krone und darauf folgten neue Universitäten in
Dorpat/Estland (1632), in Åbo/Finnland (1640) und in
der alten dänischen Stadt der Erzbischöfe, Lund, in Schonen (1668).
Werner Buchholz vergleicht die zwei Kirchenregimente der nordischen Länder und findet die
schwedische Kirche einerseits unter einem starken königlichen Einfluss
besonders im Hinblick auf das Recht der Ernennung der Bischöfe, andererseits
aber mit autonomer Verwaltung von inneren Angelegenheiten ausgestattet im
Gegensatz zu der straffen Zentralisierung der dänischen Kirche, die von der
königlichen Kanzlei in Kopenhagen geführt wurde.
In seinem Beitrag über das religiöse Profil des
Nordens (S. 245-306) beschreibt Tore Nyberg die
Entwicklung von Kirchlichkeit und Frömmigkeit in den skandinavischen Ländern. Er
sieht zwar wie die beiden anderen Autoren die Verschiedenheiten der zwei
Kirchenregimente, möchte aber doch auch die Übereinstimmungen besonders hervorheben.
Die Periode von den 1520iger Jahren bis 1536 weist seiner Meinung nach mehrere
Parallellen und eine stärkere Synchronie auf als bisher in der nationalen
Kirchenrechtsliteratur sichtbar wurde. Zum Beispiel gibt es viele Ähnlichkeiten
im Hinblick auf die Bedeutung von Städtewesen und Bürgertum als Nährboden für
die neue lutherische Bewegung in Ostdänemark mit Kopenhagen und Malmö und in
den Gegenden um Stockholm, wo die neue Lehre schnell Aufnahme fand. Die
Besetzung der Bischofsstühle durch Könige bildete für ganz Skandinavien
1523-1536 den entscheidenden Bruch mit der kirchenrechtlich korrekten Ernennung
durch den Papst.
Obwohl Dänemark mit der Annahme der Confessio Augustana und der von Johannes Bugenhagen ausgearbeiteten und von Martin Luther
approbierten dänischen Kirkeordinans Schweden voranging,
gab es doch andere Ähnlichkeiten, die wohl vom europäischen Gesamtgeschehen
abhingen, aber in den beiden neuen Königtümern bedeuteten, dass der König sich
schnell zum Herren der Kirche machte. Die politische Entwicklung im Ostseeraum
brachte tiefgreifende Veränderungen in den dänischen und schwedischen Königtümern
mit neuen Konfrontationen. Sowohl Schweden als auch Dänemark und Norwegen
erfuhren um 1600 eine durchgreifende Veränderung der Haltung zum alten Kultus.
Der gesamteuropäische Humanismus, der an konfessionellen Merkmalen kein
Interesse gehabt hatte, musste der „rigorosen Verfolgung von konfessionell
Andersdenkenden durch die lutherische Orthodoxie weichen“.
Tore Nyberg diskutiert in diesem Zusammenhang die
interessante Frage, ob die Zunahme des Hexenglaubens und der Hexenprozesse in
der historischen Situation Skandinaviens im ausgehenden 16. Jahrhundert mit der
Unterdrückung des weiblichen Aspektes im Christentum, besonders dem Verbot der
Verehrung Mariens und der wichtigen jungfräulichen Märtyrerheiligen sowie der
Geringschätzung des Jungfrauenstandes zu tun haben könnte (S. 298). Die jetzt
verheirateten Bischöfe und Priester hatten den kultischen Bedürfnissen nach
Verehrung des Weiblichen wenig Platz eingeräumt.
Sehr wertvoll für einen nicht-nordischen Leserkreis
sind die viele historischen Landkarten über skandinavische Reiche und Bistümer
von den verschiedenen Epochen vor, während und nach der Reformation, wozu noch Stammtafeln
der skandinavischen Könige sowie Orts- und Personenregister, aber leider keine
Sachenregister kommen. Quellen- und Literaturverzeichnisse sind nach jedem
Beitrag eingefügt.
Ein Buch mit einem solchen vergleichenden Zugang
ist in der skandinavischen Geschichtsschreibung nicht gewöhnlich. Es muss
deshalb als sehr wertvoll nicht nur für einen nichtnordischen Interessentenkreis,
sondern auch für einen entsprechenden nordischen Leserkreis angesehen werden.
Kopenhagen Inger Dübeck