Braun, Johann, Judentum, Jurisprudenz und Philosophie. Bilder aus dem Leben des Juristen Eduard Gans (1797-1839). Nomos, Baden-Baden 1997. 254 S.

 

Der Band des in Passau wirkenden Autors ist - was man ihm nicht anmerkt - aus einer Zusammenfassung von 7 Vorarbeiten entstanden, zu denen zwei neue Abschnitte, der erste und der vorletzte, getreten sind.

 

Gans ist dem Rechtshistoriker primär als hegelianischer Antagonist des in dieser Causa gar nicht so noblen Savigny bekannt. Zur Seite geschoben wird vielfach der Umstand, dass Gans ein Gegner eines rabbinisch-orthodoxen und der Protagonist eines assimilierten, bourgeoisen Judentums war. Gerade diese seine Seite tritt in dem hervorragenden ersten Kapitel hervor, das dem „Verein für Kultur und Wissenschaft der Juden“ gilt. Einen wichtigen Vorläufer hatte dieser Verein im kurzlebigen „Wissenschaftszirkel“, dessen Aktivität vom November 1816 bis zum Juli 1817 reichte (S. 11). Daß es im 1819 konstituierten Verein alsbald zu bitteren Richtungskonflikten kam, kann keinen Kenner der jüdischen Geschichte überraschen. Der Philosophie Hegels entnahm Gans die Annahme einer „welthistorischen Notwendigkeit des Christentums“ (S. 42). Am 12. 12. 1825 wurde Gans in Paris evangelisch getauft.

 

Die Bedeutung des preußischen Edikts vom 11. 3. 1812 für die Judenemanzipation wird S. 46ff. präzise erfaßt. Der allgemeine öffentliche Dienst blieb Juden verschlossen - mit einer Ausnahme, an der sich der „Fall Gans“ (S. 51ff.) entzündete: das akademische Lehramt. Gans hatte 1819 in Heidelberg promoviert. Er strebte nun eine außerordentliche Professur für römisches Recht in Berlin an, stieß aber bei der dortigen Fakultät, die keinen jüdischen Professor wollte, auf erbitterten Widerstand. Köstlich ist die Nachricht (S. 67), daß der Gans freundlich gesonnene Reformer Hardenberg seinen Minister Altenstein dazu verhielt, die Formulierung des Gesetzes von 1812 wörtlich abzuschreiben.

 

Savignys Persönlichkeitsbild wird durch die von Braun (besonders S. 89) mitgeteilten Fakten merklich getrübt. Daß es bleibende Wirkungen von Gans (S. 90) gibt, zeigt schon Lentze, Die Unterrichtsreform des Ministers Graf Leo Thun-Hohenstein, 1962, 132f.

 

Eingehend wendet sich Braun, von dem wir unterdessen ein vorzügliches Buch über die Entwicklung der Rechtsphilosophie im 20. Jahrhundert haben, dem Streit zwischen Gans und Savigny über die Rechtsnatur des Besitzes (S. 91ff.) zu, der unverkennbar nicht nur von (Gegensätzen im Juristischen genährt wurde. Braun (S. 93 f.) sieht die Schwächen von Savignys Position genau. Er zeigt S. 99f. eindrucksvoll, wie Savignys Schüler Puchta für den Meister zu kämpfen versuchte. Daneben trat Rudorff für Savigny auf den Plan. Daraus ergab sich eine lebhafte Diskussion über den Charakter des Besitzschutzes, über den auch zwischen Rudorff und Puchta Uneinigkeit herrschte. Braun dokumentiert diese Diskussion auf S. 102 mit, viel Präzision. Dann spricht Braun Savignys neuerliches Eingreifen an und sagt über die These, der Besitz sei Faktum und Recht zugleich, dies sei weder Fisch noch Fleisch gewesen (S. 103). Dann wendet sich Braun (S. 107ff.) dem weiteren Diskussionsverlauf zu, der zu immer ärgeren Ausfällen führte. Ich habe die Schärfe des Diskussionsstils im 19. Jahrhundert mehrmals damit zu erklären versucht, daß es jene Fachkongresse noch nicht gab, auf denen man einander wohl oder übel begegnen mußte. Die Diskussion über den Besitz wurde aber hauptsächlich unter Berliner Kollegen geführt.

 

Die Auseinandersetzungen über den Besitz wären nie so heftig geworden, hätten sie nicht einen tieferen Grund gehabt: die Konfrontation zwischen philosophischem und und historischem Rechtsverständnis (dazu treffend Braun S. 112ff.). Der Gedanke einer Universalrechtsgeschichte, der ja für einige Institute konkretisiert wurde, gerät ins Blickfeld (S. 130ff.). Ein Glanzstück des Buches von Braun ist die Darstellung der Entwicklung der heute weithin unbekannten Lehre Hegels von der Opposition (S. 144ff.). Brauns Buch darf als eine hervorragende Leistung bezeichnet werden, die starke Aufmerksamkeit verdient.

 

Innsbruck/Salzburg                                                                                           Theo Mayer-Maly