Ziekow, Jan, Freiheit und Bindung des Gewerbes (= Schriften zur Rechtsgeschichte 54). Duncker & Humblot, Berlin 1991. 687 S.

 

Das Werk beschäftigt sich mit den Formen korporativer Organisation der Wirtschaft und den Modalitäten der Gewerbefreiheit bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Dieses Thema erscheint, nicht zuletzt nach der Flut von Veröffentlichungen um die vorige Jahrhundertwende, angestaubt und auch ausgereizt.

 

Dabei wird übersehen, dass die Aktualität der von Ziekow treffend benannten Problematik von „Freiheit und Bindung des Gewerbes“ gerade in Deutschland ungebrochen ist. Beispiele dafür bieten der große Befähigungsnachweis im Handwerk, der zunehmend in Widerspruch mit dem EU-Recht gerät oder die Organisation und Wirkungsweise der kassenärztlichen Vereinigungen, die in vielen Details auffallend den Regelungen und Zielsetzungen einer zünftig verfassten Wirtschaft ähneln.

 

Insofern erscheint es verdienstvoll, wie Ziekow in umfassender Weise die Materie aufgearbeitet hat. Zu Beginn werden dabei das Zunftrecht als Basis des mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Gewerberechts eingehend behandelt und die Theorien zur Entstehung einer kritischen Würdigung unterzogen. Die für das Verständnis der frühen Zunft kennzeichnende Ergänzung von freier Einung und der Privilegierung durch das Stadtregiment, das die Ausübung des Handwerks zum Amt werden lässt, arbeitet Ziekow in Auseindersetzung mit neuerem Schrifttum (Hof, Albers) so heraus, dass die nachfolgenden Kapitel zu Struktur und Aufgaben der Zunft in ihrem Grundmuster erschlossen werden.

 

Gelegentlich wird dem vorherrschenden Ansatz eines sammelnden und zusammenfassenden Überblicks auch eine statistische Aufarbeitung des verstreuten und unübersichtlichen Materials an die Seite gestellt. Auf diese Weise ist es möglich, bestimmte Voraussetzungen für die zünftige Berufsausübung graphisch aufzubereiten. Die so gewonnenen Darstellungen lassen beim Vergleich von Lehrzeiten und Wanderverpflichtungen als Längsschnitt und im Vergleich zwischen verschiedenen Handwerken bestimmte sozioökonomische Erklärungsmuster, wie etwa den Technologietransfer bei der Wanderschaft, plausibel erscheinen.

 

Die Schilderung der Einwirkung der Territorialstaaten auf die Gewerberechtsentwicklung bis zum Ende des Alten Reiches bildet gleichsam das Scharnier zwischen der klassischen Zunftzeit und dem Kapitel 4, das die Einführung der Gewerbefreiheit behandelt. Für das Verhältnis von Territorialgewalt und Zunft gilt allerdings ein Vorbehalt, den Ziekow selbst in seiner Einleitung gemacht hat. Bei dem ausschließlichen Rückgriff auf gedruckte Quellen kommt logischerweise die Sicht des „Druckers“ und damit der Obrigkeit zum Zuge.

 

Gegenüber dieser offiziösen Öffentlichkeit bleibt aber die Rechtswirklichkeit nur zu oft auf der Strecke und kann nur dort rekonstruiert werden, wo durch augenfällige wiederholte Ermahnungen und Verbote (z. B. beim Verstoß gegen das Feiern des blauen Montags oder der Abhaltung von unerlaubten Morgensprachen) auf die tatsächliche Praxis rückgeschlossen werden kann.

 

Dieser Vorbehalt richtet sich auch gegen den dritten Hauptteil der Arbeit, der sich mit Einführung und einzelstaatlicher Ausprägung der Gewerbefreiheit beschäftigt. Positiv schlägt hier zu Buche, dass Ziekow sich von der Fixierung auf Preußen und Österreich löst und auch hier wieder in umfassender Weise die übrigen Staaten des Deutschen Bundes mit ihrer Gewerbegesetzgebung behandelt.

 

Der Anmerkungsapparat spielt in dem gesamten, 687 Seiten umfassenden Werk eine herausragende Rolle. Die zahlreichen Verweisungen sind nicht nur eine wertvolle Hilfe für den Rechtshistoriker, der sich mit dem Thema beschäftigt, sie bieten mit den eingestreuten gut ausgewählten Zitaten zugleich auch eine Anschaulichkeit, wie man sie bei dieser spröden Materie nicht oft findet. Der Umstand, dass ein zusammenfassendes Kapitel fehlt, kann als Hinweis auf den Charakter des Werkes gedeutet werden. Die Ergebnisse liegen weniger in neuen Erkenntnissen als in einer bislang nicht erreichten Zusammenschau des positiven Zunftrechts, das auch in dem Literaturverzeichnis in erschöpfender Weise dokumentiert ist. Ziekow hat hier gewissermassen ein Handbuch geschaffen, das jedem, der sich auf diesem Felde kundig machen will, nachdrücklich empfohlen werden kann.

 

Wuppertal                                                                                                                   Jürgen Brand