Wolfram,
Herwig, Konrad II. 990-1039. Kaiser dreier Reiche. Beck, München
2001. 464 S.
Es gab eine Zeit, da standen Biographien von
historischen Persönlichkeiten infolge der jenen unterstellten
personalistischen Geschichtsauffassung nicht eben hoch im Kurs. Diese
Einstellung scheint sich inzwischen gewandelt zu haben; denn an
Herrscherbiographien besteht zur Zeit kein Mangel auf
dem Büchermarkt. Um so gespannter darf man daher sein,
von welcher Position aus sich ein Autor seinem Gegenstand nähert. Es mag
überraschen, wenn der Verfasser, welcher der Fachwelt vor allem durch seine zum
Standardwerk gewordene Geschichte der Goten vertraut ist und darüber hinaus
durch Studien zur Völkerwanderungszeit sowie zur österreichischen
Landesgeschichte hervorgetreten ist, sich nunmehr einer Herrscherfigur des
beginnenden 11. Jahrhunderts zugewandt hat. Die scheinbare Distanz zum
Gegenstand erweist sich jedoch als Vorteil; denn sie verleiht dem Verfasser ein
hohes Maß an Unvoreingenommenheit und versetzt ihn in die Lage, die Geschichte
Konrads II. „in der Sprache und Betrachtungsweise unserer Zeit“ (S. 16)
darzustellen. Um es vorwegzunehmen: Dies ist ihm auch auf überzeugende Weise
gelungen. Herwig Wolfram bietet freilich keine Biographie im herkömmlichen
Sinne. Ihm liegt vielmehr daran, Leben und Wirken Konrads II. vor dem
Hintergrund seiner Zeit, d. h. unter Einbeziehung der vorherrschenden
Strukturen in Reich und Kirche, „Staat“ und Gesellschaft nebst den dieselben reflektierenden Vorstellungen der Zeitgenossen
zu schildern. Sein besonderes Interesse gilt jedoch dem Felde der „Politik“;
den Wegen und Möglichkeiten des Herrschers, seine Ziele zu verfolgen und
Konflikte auszutragen. Auf breiter Quellengrundlage, wobei der urkundlichen
Überlieferung besondere Bedeutung zukommt, wird hier ein facettenreiches, der
aktuellen Forschungsdiskussion Rechnung tragendes Bild des ersten Saliers entworfen, der nach der
erfolgreichen Eingliederung Burgunds in den Reichsverband in der Tat als
„Kaiser dreier Reiche - wie der Untertitel lautet - wahrgenommen werden konnte.
Das Buch ist in sechs Teile gegliedert, von
denen die beiden ersten dem chronologischen Schema folgen, während die übrigen
einschließlich des Epilogs systematischen Aspekten gewidmet sind. Ausgehend von
einer genealogischen Verortung des salischen Hauses werden die Anfänge Konrads
II. bis zur Etablierung seines Königtums verfolgt, wobei das Argument der Idoneität als entscheidend für seine Wahl angesehen wird.
Unter dem Gesichtspunkt der Konfliktaustragung und Konfliktbewältigung werden
sodann die entscheidenden Phasen der Regierung Konrads II., die
Auseinandersetzungen innerhalb der königlichen Familie, der Konflikt mit
Erzbischof Aribo von Mainz im Gandersheimer Streit sowie die Italienpolitik vor
und nach der Kaiserkrönung, verfolgt. Die anschließenden systematischen Teile
sind dem Reich, der „Außenpolitik“ und der Kirche gewidmet. Im Rahmen des
Reiches werden Herrscher und „Volk“, hier verstanden als Kreis der „politisch
Handlungsberechtigten“, der milites, denen die
besondere Fürsorge des Herrschers galt, und der Schicht der adeligen
Funktionsträger, einander gegenübergestellt. Unter den von Konrad II. zur
Sicherung der salischen Dynastie ergriffenen Maßnahmen wird nicht nur dem
Mitkönigtum des Thronfolgers Heinrich (III.) besondere Beachtung geschenkt,
sondern auch der Förderung der Speyerer Domkirche als Stätte der Memoria und
Herrschergrablege. Unter den außenpolitischen Aktivitäten Konrads II. erfahren
die Gesandtschaft des Jahres 1027 nach Konstantinopel, die Bemühungen zur
Sicherung der Nord- und Ostgrenze des Reiches sowie als krönender Abschluß der von Heinrich II. eingeleiteten Politik der
Erwerb Burgunds eine Würdigung. Breiten Raum nimmt schließlich die Betrachtung
der Kirchenpolitik Konrads II. ein. In einer reichlich kursorisch angelegten
Übersicht werden die Beziehungen des Herrschers zu Bistümern und Klöstern und
deren jeweiligen Repräsentanten beleuchtet, wobei Konflikte wie etwa zu Egilbert
von Freising oder Poppo von Aquileia
nicht ausgespart werden. Wenn hier eine den Namen verdienende Kirchenpolitik
nicht erkannt werden kann, dann sei das dem Umstand zu verdanken, daß die Kirche der Vorreform noch zu keiner einheitlichen
Linie gefunden habe.
Herwig Wolfram schildert dem Leser Konrad
II. als einen „Vollblutpolitiker“, dessen hervorstechender Charakterzug sein
Pragmatismus war. Den Mangel, kein guter Feldherr gewesen zu sein, scheint er
seinem Enkel Heinrich IV. weitergegeben zu haben; doch erwies er sich dafür als
ein um so besserer Politiker und Diplomat. Es ist
bemerkenswert, wie sehr Konrad II. zunächst - trotz der Bemerkung Wipos, er habe einen ,heilsamen
Schnitt’ in das Staatswesen getan - die Kontinuität zur Regierung Heinrichs II.
gewahrt hat: sowohl im Bereich der Italien- und Kaiserpolitik, in seinem
Verhältnis zu Elbslawen und Polen, als auch gegenüber der Kirche. Allerdings
war er ebenso bereit, mit dieser Tradition zu brechen, wenn er deren Schwächen
erkannt hatte. Auch die Marienverehrung der Salier
dürfte auf ältere Wurzeln zurückgehen. In Fortführung der von Heinrich II.
gepflegten Tradition des ottonischen Herrscherhauses
erfuhr sie unter Konrad II. und seiner Gemahlin Gisela eine durchaus
persönliche Züge erkennen lassende Ausgestaltung. In diesem Zusammenhang wird
auf eine Speyerer Münzprägung Konrads II. verwiesen, die nach byzantinischem
Vorbild eine Verbindung zwischen dem Heiligen Kreuz und der Mutter Gottes
herstellte. Eindrucksvoll vermag der Verfasser schließlich zu zeigen, wie die
Regierungszeit Konrads II. von einem Prozeß der
„Transpersonalisierung“ des Staatswesens begleitet wird, - wovon nicht allein
die Verwendung der berühmten Schiffsmetapher in der von Wipo
stilisierten Antwort des Königs an die Pavesen Zeugnis
ablegt. Hierzu gehörte die zumindest formale Inanspruchnahme des
Hochverratsprozesses zur Konfliktbewältigung, welche das Einschreiten gegen
Empörer wie Ernst von Schwaben oder Adalbero von Kärnten als „Staatsfeinde“
legitimierte. Eine zunehmende Abstraktion des Staatsgedankens dokumentiert sich
auch in dem von Konrad II. zur Feststellung des Reichsgutes in Bayern
eingeleiteten Rekuperationsverfahren, in welchem
Grafen und Richter Auskunft über die Zugehöngkeit von
Burgen und Abteien ad solium
... imperii zu geben hatten Es war hiernach nur
konsequent, wenn auch das Witwengut Kunigundes nach deren Tod als Reichsgut
beansprucht wurde. Auch der Erwerb Burgunds vollzog sich im Zeichen eines
transpersonalen Staatsverständnisses, gehörte es nach Wipo
doch zu den Aufgaben des Herrschers, das Reich nicht nur in seinem Bestand zu
wahren, sondern es zu mehren. Und in einer Urkunde für die bischöfliche Kirche
zu Como (DK II. 54) wurde dem Gedanken Ausdruck
verliehen, daß der Besitz von Majestätsverbrechern
gleichsam nach ,Völkerrecht’ ad regale publicum,
d. h. an das Reich, falle. Seine
greifbarste Ausprägung erfuhr dieser Prozeß jedoch in
einem gewandelten Verständnis der Reichsinsignien, insbesondere der von Wolfram
in ihrer gegenwärtigen Gestalt als „Werk Konrads II.“ gedeuteten Reichskrone:
In ihr habe sich die Transpersonalisierung des Reiches gleichsam
materialisiert. Die spezifische Art ihrer Aneignung durch Konrad II. mit ihrem
den vorbildlichen Herrscher symbolisierenden Bildprogramm wird als Äußerung
eines „neuen Staatsverständnisses“ in Anspruch genommen. Vielleicht wurde in
diesem Zusammenhang - so Wolfram - erstmals die Vorstellung vom „Kaiser, der
niemals stirbt“, entwickelt.
Das glänzend formulierte, gelegentlich zu
saloppen Wendungen neigende Buch ist weit mehr als „nur“ eine Würdigung Konrads
II. und seiner Regierung. Es führt gerade den weniger bewanderten Leser in die
heute ferner gerückte Welt des Mittelalters ein. Man darf dem Werk daher
möglichst viele Leser wünschen! Unverständlich bleibt nur, weshalb sich der
Verlag nicht dazu entschließen konnte, Quellen- und Literaturnachweise als
Anmerkungen am Fuß der jeweiligen Seite anzuordnen. An das Ende des Bandes
gesetzt, sind sie für jeden ernsthaften Benutzer eine Qual.
Köln Tilman
Struve