Wilke, Jürgen, Grundzüge der Medien- und Kommunikationsgeschichte. Von den
Anfängen bis ins 20. Jahrhundert. Böhlau, Köln 2000. VIII, 436 S.
Die „Grundzüge” Wilkes bieten wesentlich mehr als einen „Grundriß”, sie ähneln eher einem Handbuch, das es versteht,
zahllose Einzelheiten zu einer kompakten Übersicht zusammenzuführen. Dies ist
möglich, weil es dem Autor gelingt, sein Thema durch einen klaren Aufbau, vor
allem aber durch zahlreiche Beschränkungen handhabbar zu machen.
Bereits in den „begrifflichen Vorbemerkungen” (S. 1-3) werden die Weichen gestellt:
Wilke
folgt dem weitreichenden Konsens der Publizistikwissenschaft und versteht
unter Medien nur solche „technischen Mittel ..., die zur Verbreitung von Aussagen
an ein potentiell unbegrenztes Publikum geeignet sind (also Presse, Hörfunk,
Film, Fernsehen)” (S. 1). Die Verwahrung gegen jede Aufweichung dieses Begriffs
erlaubt es, die Mediengeschichte mit der Erfindung des Buchdrucks durch
Gutenberg beginnen zu lassen. Ein gewisses Korrektiv bietet der zweite in den
Titel aufgenommene Begriff „Kommunikation”, der seinerseits aber auf die „Humankommunikation”
beschränkt wird und damit jede unerwünschte Ausuferung des darzustellenden
Gegenstandes verhindert: Es geht eben um die Geschichte der „durch Medien vermittelten
Kommunikation” (S. 3). Neben die zeitliche tritt eine geographische Eingrenzung:
im Zentrum stehen Medien und Kommunikation in Deutschland. Die ausländische
Entwicklung wird zwar nicht übergangen, wohl aber nur paradigmatisch abgehandelt;
vor allem Frankreich, England, Italien, die Niederlande und die USA sind
bedacht. In der Regel geschieht dies in angehängten Passagen, es sei denn, ein
Land wäre für die Entwicklung einer bestimmten medialen Erscheinungsform
wegweisend geworden, wie etwa Frankreich für das Medium „Zeitschrift” (S. 72).
Dem klug zugeschnittenen Konzept entsprechend braucht Wilke der älteren Zeit,
der „Vorgeschichte der Massenkommunikation” (S. 4-40), nur knapp neun Seiten zu
widmen. Die Zeit vor Gutenberg unter den Gesichtspunkten Medien und Kommunikation
zu beschreiben, überläßt Wilke anderen Autoren, die
von einer breiteren begrifflichen Basis ausgehend ins Uferlose geraten müssen[1]. Für Wilke
hingegen gibt es Massenkommunikation erst mit der Verbreitung des Buchdrucks
und seiner Nutzung als „Medium” seit der Mitte des 14. Jahrhunderts.
Erscheinungen wie Brief-Zeitung, Einblattdruck und Flugblatt, Flugschrift und Meßrelation, Serienzeitung und Monatszeitung werden
eingehend beschrieben und sodann auf ihre Kontrolle und Verrechtlichung
sowie auf ihre Funktionen und Wirkungen hin analysiert.
Mit diesen Aspekten formuliert Wilke ein Grundmuster für
die Darstellung der entscheidenden Epochen in der Folgezeit: die „Institutionalisierung
der Massenkommunikation” in Gestalt der Zeitung seit dem 16. Jahrhundert (S.
41-70); die Phase der „Expansion und Diversifikation” und der „funktionalen
Erweiterung der Massenkommunikation” durch die Erfindung der Zeitschrift im 18.
Jahrhundert (S. 71-154); sodann die Entwicklung während des „langen” 19.
Jahrhunderts unter den Stichworten „Retardierung und Entfesselung” (S. 155-302)
und schließlich die „Plurimedialität” des frühen 19.
Jahrhunderts (S. 303-355) im Zuge des Aufkommens optischer und auditiver Medien
wie Film, Kino, Grammophon, Schallplatte und Rundfunk. Das Geschehen in der
Zeit des Nationalsozialismus und in der Epoche nach 1945 wird nicht mehr
behandelt. Allerdings hat der Autor 1999 der Mediengeschichte der Bundesrepublik
Deutschlands einen Sammelband[2] gewidmet, zu dem er
selbst nicht nur die Einleitung, sondern auch wesentliche Beiträge („Leitmedien
und Zielgruppenorgane”, „Nachrichtenagenturen”, „Massenmedien und Vergangenheitsbewältigung”,
„Zukunft Multimedia”) beigesteuert hat.
Hervorzuheben ist, daß die „Grundzüge” jeder
Epochenübersicht einen Abschnitt über die rechtlichen und politischen
Rahmenbedingungen voranstellen; den Abschluß bilden
durchweg allgemeine Überlegungen zu den Funktionen sowie den politischen und
gesellschaftlichen Wirkungen des Medienwesens in der jeweiligen Epoche.
Der Rechtshistoriker vermerkt gern, daß Wilke
den rechtlichen Aspekten immer wieder Raum gewährt. Allerdings beschränken sich
diese Passagen zumeist auf Kontrollfragen unter den Stichworten „Zensur” und „Pressefreiheit”.
Beide Themen verdienen ohne Zweifel in jeder Mediengeschichte einen
angemessenen Platz; andere rechtliche Vorgaben sollten jedoch nicht weniger
deutlich zur Sprache kommen. So gebührt etwa der Geschichte des Urheberrechts
ein nicht unerhebliches Gewicht. Wilke berücksichtigt dies nur für die „Privilegienzeit”,
mithin die Vor- oder Frühgeschichte des Urheberrechts. Die Druckprivilegien
werden freilich eher als Kontrollmittel denn als Vorform eines Schutzes gegen
Nachdruck im Interesse der Verleger und Autoren gesehen. Auch verwundert es
etwas, wenn gesagt wird, das Bücherregal des Kaisers ergebe sich aus „seiner Allzuständigkeit und seinem Gottesgnadentum” (S. 37); eine
solche These kann allenfalls für die Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg gelten
und bedarf überdies einer Abgleichung mit der Privilegienkompetenz großer
Territorialfürsten. In den Berichten über spätere Perioden, namentlich jene des
19. Jahrhunderts, wird die Bedeutung des Urheberrechts für die Stellung von
Zeitungen und Zeitschriften sowie für die rechtliche Situation ihrer Redakteure
und Autoren nicht mehr erwähnt. Das Spannungsverhältnis zwischen Verlag und
Redaktion einerseits und schreibenden Journalisten andererseits ist nicht
weiter bedacht, obwohl die Rechtsprobleme um den angestellten Autor spätestens
nach der frühen Gesetzgebung des Bismarckreiches deutlich vor Augen lagen:
Urhebervertragsrecht und insbesondere das Verlagsrecht haben die Stellung des
Journalisten ohne Zweifel massiv beeinflußt. Gleiches
gilt ganz allgemein für die vertragsrechtliche Stellung aller anderen an den
verschiedenen Medien Beteiligten. Im übrigen ist
festzuhalten, daß die rechtlichen Verhältnisse durch
die Ausdifferenzierung des Dienstvertrags- und Arbeitsrechts im 19. und beginnenden
20. Jahrhundert erheblich verändert worden sind.
Trotz solcher Einwendungen steht der Rezensent nicht an, das Werk Wilke
als große Bereicherung zu bezeichnen. Es gibt einen zuverlässigen Einblick in
den Stand der Forschung, vor allem auch in die schier unübersichtliche
einschlägige Literatur.
Saarbrücken Elmar Wadle