Stadt und Land. Bilder, Inszenierungen und Visionen in Geschichte und Gegenwart. Wolfgang von Hippel zum 65. Geburtstag, hg. v. Schraut, Sylvia/Stier, Bernhard. Kohlhammer, Stuttgart 2001. X, 483 S.
Festschriften zu besprechen, ist eine reizvolle, doch bisweilen auch heikle Aufgabe. Denn einerseits locken der bekannte Name des Geehrten und eine Vielzahl oft interessanter Beiträge, andererseits kann sich diese Vielfalt ins Beliebige verlieren und nach einem bekannten Wort lediglich der Buchbinder die Synthese herstellen. Die hier anzuzeigende, dem Mannheimer Neuzeithistoriker Wolfgang von Hippel zum 65. Geburtstag gewidmete Festschrift vermeidet dies weithin, indem sie in ihrem Konzept von den beiden Schwerpunkten im Werk des Jubilars ausgeht, der Agrargeschichte und der Geschichte der Urbanisierung. Allgemein gesprochen, stehen beide für das klassische Begriffspaar Stadt und Land, das auch den Titel abgab. Der Untertitel „Bilder, Inszenierungen und Visionen“ spricht die drei großen Felder an, in die die Herausgeber die 30 Beiträge des Bandes gegliedert haben. Diese sollten, so das Vorwort, „exemplarische Quelleninterpretationen zum Thema“ bieten.
Der Band steht damit in einer reizvollen Spannung zwischen den letztlich doch sehr allgemein gehaltenen Vorgaben in Titel und Untertitel und der Erwartung an die Beiträger, quellenorientiert und damit von der Sache her notwendig über begrenzte Themen zu arbeiten. Sie haben sich fast alle daran gehalten, und so entstand eine Sammlung von Fallstudien über Gegenstände höchst unterschiedlichen Zuschnitts in weiter zeitlicher Streuung von der Antike bis zur Gegenwart. Das Band, das die drei großen Felder darum schlingen, bleibt freilich (wahrscheinlich unvermeidlich) recht locker, und die Zuordnung einiger Beiträge wirkt bemüht – was die Freude an den durchweg informativen, oft originellen Abhandlungen nicht trübt.
Allerdings überstiege ihre Würdigung im Einzelnen den Rahmen dieser Anzeige bei weitem, und für eine Auswahl fehlen überzeugende Kriterien. So muß ein Überblick genügen. Das Feld „Bilder“ soll den Blick von außen auf Stadt und Land ansprechen, und es bietet (wie die anderen Felder in chronologischer Reihenfolge) eine Vielzahl solcher „Außenperspektiven“. Sie reichen vom Karneval in London im 12. Jahrhundert über den Wandel der Landschaftswahrnehmung in deutschen Reiseberichten 1700 bis 1850 bis zum Bild der Azoren in Reiseführern. Das Feld „Inszenierungen“ geht der Selbstwahrnehmung oder Selbstdarstellung einzelner Gruppen nach, etwa der Villenkultur im Rom der späten Republik und des frühen Prinzipats, der bildungsbürgerlichen Geselligkeit im Hause von Marianne und Max Weber in Heidelberg, der „Heldenstadt Leipzig“ und ihrer Ausstrahlung im Herbst 1989. Als „Visionen“ werden schließlich unter anderem die Funktionen seleukidischer Städtegründungen, „Lichtstuben“ (Spinnstuben), deren Bekämpfung und Behauptung sowie wirtschaftlicher Strukturwandel, Raumordnungspolitik und Dorferneuerung 1950-2000 angesprochen (schon diese Beispiele zeigen, daß die Überschrift dieses Teiles nicht sonderlich gut trifft).
Sollen die nicht erwähnten Beiträge abschließend aufgezählt werden? Verdient hätten sie es, doch ermüden solche im Grunde wenig aussagekräftigen Listen. Wesentlicher scheint mir die Wertung des Gesamtwerkes als eine viele Aspekte ansprechende, originelle, gut organisierte und dem Werk des Geehrten entsprechende, kurz als eine gelungene Festschrift.
Göttingen Karl Heinrich Kaufhold