Scholze, Bettina, Otto Stobbe (1831-1887). Ein Leben für die
Rechtsgermanistik (= Schriften zur Rechtsgeschichte 90). Duncker
& Humblot, Berlin 2002. 357 S.
Biographien sind dankbare Dissertationsobjekte. Unabdingbar sind freilich Fleiß und Einfühlungsvermögen, während die Phantasie mehr mit den Eigenschaften des Beschriebenen zusammenhängt, also nicht notwendig präsentiert werden muss. Fleißig und einfühlsam ist Scholze jedenfalls; ansonsten bot ihr der behandelte deutsche Professor des deutschen Rechts mit seiner Hauptwirkungszeit im Deutschen Reich und seinem Hauptwerk, dem „Deutschen Privatrecht“ wenig Möglichkeiten zur anderweitigen Entfaltung. So ist eine Bio- und Ergographie Stobbes entstanden, die sein Leben und die gewaltige literarische Leistung plastisch werden lässt. Das geht bis hin zum zaghaften Aufmucken gegen alte akademische Traditionen: Als er in Leipzig im Kolleg vom „bewährten“ Vorlesen und Diktieren abgehen wollte, folgte er alsbald einem mahnenden Hinweis Albrechts und brach das Experiment ab (S. 43). Die Arbeit verfolgt alle erreichbaren (auch der Briefwechsel wird erfolgreich ausgewertet) Details von Stobbes Leben privat, wissenschaftlich wie lehrend. Allerdings wirkt die Notierung wohl einer jeden zweitägigen Reise etwas ermüdend. Andererseits wird der Leser in das fleißige Leben des Gelehrten sehr gut eingeführt.
Der wichtigere Teil der Arbeit ist dem Werk Stobbes gewidmet. Einzelheiten hier wiederzugeben verbietet sich. Der Charakter der Bücher und Aufsätze wird deutlich; gezeigt wird vor allem das Grundlegende, manche Streitigkeiten Abschließende der Bücher, wobei ein Gewicht auf die lange wirkungsmächtigen Gesamtdarstellungen gelegt wird.
Die Edition einer Kollegenmitschrift über Stobbes Reichs- und Landesstaatsrecht aus 1878 ist bereichernde Zugabe eines höchst gründlichen, material- und detailreichen Buches, das Leben und Werk eines führenden Germanisten des letzten Drittels des 19. Jahrhunderts plastisch werden lässt – einer Epoche, die den Ruf der Wissenschaft von der deutschen Rechtsgeschichte vor dem Bürgerlichen Gesetzbuch begründet hat.
Berlin Dahlem Friedrich Ebel