Schäfer, Frank L., Das Bereicherungsrecht in Europa. Einheits- und
Trennungslehren im gemeinen, deutschen und englischen Recht (= Untersuchungen
zum europäischen Privatrecht 10). Duncker & Humblot, Berlin 2001. 983 S.
Die vorliegende Monographie geht auf die Heidelberger
Dissertation des Verfassers zurück. Diese, betreut von Adolf Laufs, wurde im
Jahre 2000 abgeschlossen. Weitere wesentliche Ergänzungen sind bei der
Drucklegung nicht mehr erfolgt. Nicht nur der ungewöhnliche Umfang, sondern die
beeindruckende wissenschaftliche Dichte der darin nachgewiesenen Dokumentation
charakterisiert die Arbeit von vornherein als eine ungewöhnliche Leistung.
Einiges sei hier zunächst zum Inhalt der Untersuchung angemerkt. Das Thema ist
weit gefasst. Der Verfasser möchte die Problematik des Bereicherungsrechts in
eine historische und rechtsvergleichende Perspektive
einordnen. Die Untersuchung greift also zugleich in die europäische
Rechtsgeschichte und in eine rechtsvergleichende
Analyse der europäischen Rechtsordnungen ein. Im Kern geht es um den Vergleich
der kontinentalen, hier vor allem der deutschen Rechtstradition mit den
Entwicklungen des englischen common law. Nach einer Einleitung (S. 39-60) folgt ein erster Teil
zur Geschichte des Bereicherungsrechts im deutschen Recht (S. 61-494). Im Kern
werden hier die gemeinrechtliche Tradition: § 2 „Römisch-deutsche
Rechtsgeschichte“ (S. 84-312), und die Entstehungsgeschichte des „Deutschen
Bürgerlichen Gesetzbuches“ (S. 313-475) vorgestellt. Es folgt dann ein Exkurs
zur Problematik der „Subsidiarität der Eingriffskondiktion“
(S. 476-494). Ein zweiter Teil ist dem englischen Recht gewidmet (S. 495-686).
Nach einigen grundsätzlichen Überlegungen (S. 495-511) folgt eine Analyse des
englischen historischen Entscheidungsmaterials, „Das Fallrecht“ (S. 512-564)
und anschließend die Präsentation des englischen „common
law“ zur Rechtsfigur des „unjust
enrichment“ (S. 565-686). Ein dritter Teil ist einem
„europäischen Ausblick“ (S. 687-723) gewidmet. Nach einigen „prinzipiellen
Vorüberlegungen“ (S. 687-712) folgt eine Diskussion der Frage, ob die Institute
des Bereicherungsrechts einer kodifikatorischen
Fixierung zugänglich sind: „Kodifikationsgedanken“ (S. 713-719). Die Arbeit
wird dann durch einige zusammenfassende rechtsvergleichende
und rechtshistorische Feststellungen zu einer – wie der Verfasser es nennt –
„Genealogie des Bereicherungsrechts“ abgeschlossen (S. 720-723). Die bereits in
ihrem Umfang und in ihrer Tiefe sowie in ihrer wissenschaftlichen Dokumentation
beeindruckende Monographie wird durch eine geradezu monographisch anmutende
Dokumentation der Quellen und der herangezogenen Literatur (S. 738-938)
abgeschlossen. Es folgen zahlreiche Register der zitierten Autoren, der zitierten
Quellen und der nachgewiesenen Gerichtsentscheidungen (S. 939-983). Bereits die
Durchsicht der herangezogenen Werke, der zitierten Literatur sowie der
durchsuchten archivalischen Materialien hat den
Rezensenten tief beeindruckt. Der Verfasser legt hier eine Dokumentation zur
Geschichte des deutschen Zivilrechts im 19. Jahrhundert vor, die freilich auch
für vergleichbare Untersuchungen eine Standardquelle werden dürfte. Ebenso
ausführlich werden das Entscheidungsmaterial und die englische Literatur dokumentiert.
Besonders beachtenswert ist die Dokumentation der herangezogenen Vorlesungsnachschriften
Carl Friedrich von Savignys sowie anderer Pandektenprofessoren aus der Mitte
des 19. Jahrhunderts Dasselbe gilt für den Nachdruck zahlreicher Materialien zur
Entstehungsgeschichte des sächsischen Bürgerlichen Gesetzbuchs (S. 874-930).
Herangezogen hat der Verfasser auch das „Nachschlagewerk des Reichsgerichts“
sowie die „Sammlung sämtlicher Erkenntnisse des Reichsgerichts in Zivilsachen“,
die derzeit in der Bibliothek des Bundesgerichtshofs aufbewahrt werden. Aus der
Sammlung sämtlicher Erkenntnisse werden (S. 931ff.) zwei unveröffentlichte
Urteile des Reichsgerichts wiedergegeben (siehe insb. RG, 28. 10. 1910 II ZS,
19/1910, nachgewiesen bei Werner Schubert, Sammlung 1910, S.194 und
veröffentlicht bereits in Warneyers Jahrbuch 1910,
405). Trotz des beeindruckenden Umfangs bleiben allerdings gewisse Ergänzungen
bei den Nachweisen sinnvoll. Der Rezensent erlaubt sich den Hinweis, dass
zwischenzeitlich das von Werner Schubert betriebene Projekt der Publikation der
„Sammlung sämtlicher Erkenntnisse des Reichsgerichts in Zivilsachen“ über das
Jahr 1907 längst hinausgegangen und inzwischen mit dem Jahrgang 1914 vorläufig
als abgeschlossen anzusehen ist (Bd.1-15, Goldbach: Keip,
1992-2002). Dasselbe gilt für die Edition des „Nachschlagewerks des Reichsgerichts“
seitens Werner Schuberts und Hans Peter Glöckners: Inzwischen sind sämtliche
Bände bis § 2385 BGB (Bd.1-10, 1994-2002) erschienen (zu diesem Projekt vgl.
zuletzt F. Ranieri, in: Archiv für die civilistische Praxis 195 [1995], S. 579-594). Zu § 812 BGB
hat der Verfasser sowohl die „Sammlung“ als auch das „Nachschlagewerk“ sehr
gründlich herangezogen (vgl. die sehr ausführliche Analyse der frühesten
Rechtsprechung des Reichsgerichts auf S. 332-366). Mit einer beeindruckenden
Dichte wird die Rechtsprechung des Reichsgerichts auch unter Einschluss
unveröffentlichter und bisher nicht kritisch diskutierter Urteile analysiert.
Eine solche beeindruckende Rechtsprechungsanalyse beleuchtet wesentliche
Aspekte bei der Entwicklung und dem Übergang von der Einheits- zur
Trennungslehre im deutschen Bereicherungsrecht. Sie bestätigt zugleich, welchen
Nutzen die rechtshistorische Forschung und die heutige Zivilrechtsdogmatik aus
den von Werner Schubert angestoßenen editorischen Quellenwerken zur Rechtsprechung
des Reichsgerichts gewinnen werden können.
Das Thema und der damit verbundene Anspruch des
Verfassers ist mehr als beeindruckend. Beeindruckend ist aber auch dessen
Einlösung. Der Verfasser legt hier eine umfassende und rechtsvergleichende
Dogmengeschichte der Probleme des Bereicherungsrechts vor. Die Untersuchung ist
weitestgehend um die gemeinrechtlichen Ursprünge des geltenden deutschen
Bereicherungsrechts zentriert. Als Kontrapunkt gilt der Vergleich mit der
Entwicklung des englischen common law.
Die übrigen europäischen Privatrechtsordnungen und die Stellung des
Bereicherungsrechts in den naturrechtlichen Kodifikationen des österreichschen
Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs und des französischen Code civil werden
allerdings nur am Rande gestreift (S. 105-109). Kaum berücksichtigt ist die
französische Gerichtspraxis des 19. Jahrhunderts. Sonst geht die Untersuchung
besonders in die Tiefe und geht nicht nur auf den historischen Werdegang der
Institute, sondern sehr ausführlich auch auf die aktuellen Entwicklungen und
Diskussionen des geltenden deutschen Bereicherungsrechts ein. Besonders
lesenswert und auch für den Rezensenten außerordentlich lehrreich waren die
Ausführungen des Verfassers zur Entstehungsgeschichte der modernen Lehren des
Bereicherungsrechts in der Pandektistik und
insbesondere in den Vorlesungen Friedrich Carl von Savignys. Man vgl. hier S.
111-210, wo der Verfasser im einzelnen sämtliche
Vorlesungsnachschriften danach untersucht hat und in einem historischen
Zusammenhang den Werdegang der Savigny’schen Lehren zu den römischen Kondiktionen präsentiert und analysiert. Nach dem ersten
Eindruck des Rezensenten dürfte die herangezogene bibliographische Dokumentation
nahezu perfekt sein. Auch in dieser Hinsicht dürfte die Monographie ein
ständiger Referenzpunkt werden. In einer zusammenfassenden Gesamtwürdigung
bleibt hier insoweit festzuhalten, dass der Verfasser mit seiner Dissertation
einen Beitrag zur Geschichte des Bereicherungsrechts vorgelegt hat, der für
künftige Untersuchungen - nicht auf dem Gebiet der Rechtsgeschichte allein,
sondern auch des deutschen und europäischen Zivilrechts – als unverzichtbares
Standard- und Referenzwerk gelten wird.
Saarbrücken Filippo
Ranieri