Ruff, Julius R., Violence in Early Modern
Julius Ruff gibt mit dieser Darstellung einen
Überblick über die verschiedenen Äußerungsformen von Gewalt in der Frühen
Neuzeit aus europäischer Perspektive. Ein Wermutstropfen ist allerdings, dass
nur englisch- und französischsprachige Literatur Berücksichtigung findet.
Dadurch wird beispielsweise die deutsche, österreichische und Schweizer
Forschungslage nur insoweit reflektiert, als sie von bekannteren Autoren in
englischer Sprache publiziert wurde. Somit ist das Buch vorwiegend als
Einführung in das sehr weit gefasste Thema geeignet, weniger zur Vertiefung.
Behandelt
werden die Darstellung von Gewalttaten in der zeitgenössischen Publizistik, die
Wahrnehmungen von Gewalt und die auch damals schon von Zeitungen und
Flugblättern angestachelte Kriminalitätsfurcht, die Verbreitung von Waffen
sowie verschiedene Formen von Gewalt bzw. Gewalt in unterschiedlichen sozialen
Zusammenhängen oder in Verbindung mit anderen (Straf-)Taten. Dabei findet die
Brutalität von Soldaten gegenüber der Zivilbevölkerung genauso Beachtung wie
umgekehrt deren Hass und Rache. Das Thema „Ehre“ kann natürlich nicht
ausgespart bleiben. Das frühneuzeitliche Rechtswesen mit Folter und Strafen
wird einschließlich der Mechanismen außergerichtlicher Konfliktregulierung
knapp dargestellt. Dabei vertritt der Autor die Auffassung, die im 17. und 18.
Jahrhundert allmählich weniger grausam werdende Bestrafung und die seltenere
Verhängung der Todesstrafe sei auf die zunehmende Durchsetzung des staatlichen
Gewaltmonopols zurückzuführen, die solcherart rituelle Machtdemonstration
weniger notwendig erscheinen ließ. Außerdem sei die frühere Hinrichtungspraxis
mehr und mehr auf Abscheu gestoßen, weil das Leben der Menschen sicherer wurde
und man sich Mitgefühl mit den Tätern leisten konnte (S. 113).
Als
spezielle Gewaltarten behandelt der Verfasser häusliche Gewalt, Vergewaltigung
und Kindestötung. Etwas genauer analysiert Ruff das
Treiben der Junggesellengruppen, vor allem im Zusammenhang mit verschiedenen
Festen im europäischen Vergleich. Jeweils ein eigenes Kapitel ist Revolten und
anderen Formen von sozialem Protest einerseits und den Aktivitäten von Räuber-
und Schmugglerbanden andererseits gewidmet.
Theoretische
Überlegungen stellt der Autor nur vereinzelt an. Spezialfragen finden keine
Erwähnung. Dies von einem Werk dieses Umfangs zu erwarten, wäre wohl auch
unverhältnismäßig. Dennoch ist an vielen Stellen eine Verflachung die Folge. So
hat beispielsweise die neuere Forschung die Vorstellungen bezüglich der früher
angenommenen sozialen Isolation und Unehrlichkeit von Henkern deutlich
relativiert, was auf Ruffs Einschätzung jedoch nicht
durchschlägt. Beim Thema „Kindestötung“ gibt es für Ruff
praktisch nur die unverheiratete, junge Magd als Täterin und deren Not als
Motiv, ein Stereotyp, das in der Realität zwar sicherlich die größte, nicht
jedoch die einzige Gruppe beschreibt.
Insgesamt
zeichnet der Verfasser ein Bild allgegenwärtiger Bedrohung durch Gewalt im
Europa der Vormoderne und gibt sich als Anhänger der Theorie vom
Zivilisationsprozess zu erkennen; er zieht diese von Norbert Elias angenommene
Entwicklung vielfach als Erklärung heran, ohne diesen Prozess jedoch wirklich
zu belegen.
Trotz
der genannten Bedenken ist das Buch Studenten und Forschern zu empfehlen, die
sich einen ersten, knappen Überblick über die wichtigsten europäischen Studien
zum Thema Gewalt in der Vormoderne verschaffen
möchten.
Anschau Eva
Lacour