Ruff, Julius R., Violence in Early Modern Europe 1500-1800. Cambridge University Press, Cambridge 2001. XII, 269 S. 8 Abb.

 

Julius Ruff gibt mit dieser Darstellung einen Überblick über die verschiedenen Äußerungsformen von Gewalt in der Frühen Neuzeit aus europäischer Perspektive. Ein Wermutstropfen ist allerdings, dass nur englisch- und französischsprachige Literatur Berücksichtigung findet. Dadurch wird beispielsweise die deutsche, österreichische und Schweizer Forschungslage nur insoweit reflektiert, als sie von bekannteren Autoren in englischer Sprache publiziert wurde. Somit ist das Buch vorwiegend als Einführung in das sehr weit gefasste Thema geeignet, weniger zur Vertiefung.

 

Behandelt werden die Darstellung von Gewalttaten in der zeitgenössischen Publizistik, die Wahrnehmungen von Gewalt und die auch damals schon von Zeitungen und Flugblättern angestachelte Kriminalitätsfurcht, die Verbreitung von Waffen sowie verschiedene Formen von Gewalt bzw. Gewalt in unterschiedlichen sozialen Zusammenhängen oder in Verbindung mit anderen (Straf-)Taten. Dabei findet die Brutalität von Soldaten gegenüber der Zivilbevölkerung genauso Beachtung wie umgekehrt deren Hass und Rache. Das Thema „Ehre“ kann natürlich nicht ausgespart bleiben. Das frühneuzeitliche Rechtswesen mit Folter und Strafen wird einschließlich der Mechanismen außergerichtlicher Konfliktregulierung knapp dargestellt. Dabei vertritt der Autor die Auffassung, die im 17. und 18. Jahrhundert allmählich weniger grausam werdende Bestrafung und die seltenere Verhängung der Todesstrafe sei auf die zunehmende Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols zurückzuführen, die solcherart rituelle Machtdemonstration weniger notwendig erscheinen ließ. Außerdem sei die frühere Hinrichtungspraxis mehr und mehr auf Abscheu gestoßen, weil das Leben der Menschen sicherer wurde und man sich Mitgefühl mit den Tätern leisten konnte (S. 113).

 

Als spezielle Gewaltarten behandelt der Verfasser häusliche Gewalt, Vergewaltigung und Kindestötung. Etwas genauer analysiert Ruff das Treiben der Junggesellengruppen, vor allem im Zusammenhang mit verschiedenen Festen im europäischen Vergleich. Jeweils ein eigenes Kapitel ist Revolten und anderen Formen von sozialem Protest einerseits und den Aktivitäten von Räuber- und Schmugglerbanden andererseits gewidmet.

 

Theoretische Überlegungen stellt der Autor nur vereinzelt an. Spezialfragen finden keine Erwähnung. Dies von einem Werk dieses Umfangs zu erwarten, wäre wohl auch unverhältnismäßig. Dennoch ist an vielen Stellen eine Verflachung die Folge. So hat beispielsweise die neuere Forschung die Vorstellungen bezüglich der früher angenommenen sozialen Isolation und Unehrlichkeit von Henkern deutlich relativiert, was auf Ruffs Einschätzung jedoch nicht durchschlägt. Beim Thema „Kindestötung“ gibt es für Ruff praktisch nur die unverheiratete, junge Magd als Täterin und deren Not als Motiv, ein Stereotyp, das in der Realität zwar sicherlich die größte, nicht jedoch die einzige Gruppe beschreibt.

 

Insgesamt zeichnet der Verfasser ein Bild allgegenwärtiger Bedrohung durch Gewalt im Europa der Vormoderne und gibt sich als Anhänger der Theorie vom Zivilisationsprozess zu erkennen; er zieht diese von Norbert Elias angenommene Entwicklung vielfach als Erklärung heran, ohne diesen Prozess jedoch wirklich zu belegen.

 

Trotz der genannten Bedenken ist das Buch Studenten und Forschern zu empfehlen, die sich einen ersten, knappen Überblick über die wichtigsten europäischen Studien zum Thema Gewalt in der Vormoderne verschaffen möchten.

 

Anschau                                                                                                         Eva Lacour