Repgen, Konrad, Der Westfälische Friede. Ereignis, Fest und Erinnerung (= Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften, Geisteswissenschaften, Vorträge G 358). Westdeutscher Verlag, Opladen 1999. 39 S.

 

Konrad Repgen gehört zu den ausgewiesenen Kennern der Geschichte des Westfälischen Friedens. Seit seiner 1962 erschienen Habilitationsschrift publiziert er zu diesem Thema, und er hat durch die Herausgabe der Quellen zum Westfälischen Friedenskongreß und begleitende Studien der Forschung nach dem epochemachenden Werk von Fritz Dickmann neue Impulse gegeben. So war der Vortrag vor der Nordrhein-westfälischen Akademie der Wissenschaften vom 30. September 1998 eine gute Gelegenheit die Forschungsfortschritte in gedrängter Form zu präsentieren. Freilich hat in die ein Jahr danach in erweiterter Form gedruckte Fassung die umfangreiche Literatur des Jubiläumsjahrs keinen Eingang mehr gefunden.

 

Die Studie ist - wie zu erwarten - forschungsgesättigt bis hin zu manch Abgelegenem, auf die Quellen zentriert und stellenweise zu detailverliebt. Die Rolle des Papstes für das Zustandekommen des Kongresses wird aus der Forschungsperpesktive des Verfassers heraus etwas überwertet. Mit Recht betont er hingegen, daß es fast an ein „historisches Wunder“ grenzte, daß die Mächte des christlichen Europas und die Reichsstände angesichts des Umfangs und der Vertracktheit der Probleme überhaupt zu einem Ergebnis gefunden haben. Dieses interpretiert Repgen originell als einen „aus tausend Einzelkompromissen zusammengestückelten Vertrag“, der dem verheerten Reich eine längere Friedensperiode beschert habe; zu beklagen, daß dies nicht für ganz Europa gelungen sei, heißt denn doch die Meßlatte etwas hoch legen. War allein schon das Ende der Kämpfe für die Menschen im Reich ein Gewinn, so konnten Kaiser und Katholiken sich auch machtpolitisch mit dem Ergebnis angesichts ihrer militärischen Schwäche abfinden. Nimmt man, wie Repgen das tut, allerdings die selbst gesteckten Verhandlungsziele zum Maßstab, zählen sie eher zu den Verlierern und Frankreich mit Schweden und den Generalstaten zu den Siegern. Für das evangelische Deutschland dürfte die Bilanz eher gemischt gewesen sein: Gewinn einiger Stifter und rechtliche Absicherung in den Reichsorganen gegen verheerte Länder und Bezahlung der schwedischen Militärsatisfaktion.

 

Hinsichtlich des Reichsverfassungsrechts bestätigt Repgen die eher konservierende Tendenz des Vertragswerks einschließlich des zu oft überbewerteten Bündnisrechts der Reichsstände. Gewiß fußte das 1648 festgelegte Reichsreligionsrecht auf dem Religionsfrieden von 1555, doch es deswegen lediglich als dessen „Novellierung“ zu bezeichnen geht in die Irre. Denn dafür waren zu viele wesentliche Bestimmungen obsolet geworden (Geistlicher Vorbehalt, Declaratio Ferdinandea) oder neu eingeführt worden (Normaljahr, Reformiertes Bekenntnis, Ius emigrandi). Es zeugt aber von einem tiefgehenden Verständnis des religionspolitischen Kompromisses, wenn darauf hingewiesen wird, daß er stark dem Programm des evangelischen Staatskirchenrechts verpflichtet war, dessen letzte Konsequenzen aber nicht zog.

 

Nimmt man die hier präsentierten Ergebnisse zum Anlaß einer auch die Leistungen der letzten Jahrzehnte wenigstens streifenden Bilanz der Forschung, dann bleibt die Erkenntnis, daß manches deutlicher und einiges sicherer geworden ist, aber wesentlich neue Einsichten kaum zu Tage gefördert wurden. Dies wird am ehesten noch für die Verhandlungen Spaniens mit den Generalstaaten und Frankreich zu erwarten sein. Obwohl mit Recht darauf hingewiesen wird, daß diese Nationen zu oft vernachlässigt werden, wenn in Deutschland vom Westfälischen Friedenskongreß gesprochen wird, so wird dessen Bedeutung insgesamt für Europa und Übersee auch hier nur gestreift.

 

Vermutlich weil zum „Ereignis“ Westfälischer Friede so viel Neues nicht zu sagen war, ist Repgen auch noch auf ein bisher kaum beachtetes Feld eingegangen, dem vor allem er sich in letzter Zeit verstärkt zugewandt hat: der zeitgenössischen Reaktion und historischen Rezeption des Westfälischen Friedens. Am wenigsten war bisher bekannt über die Auseinandersetzung der politischen Öffentlichkeit mit den Verhandlungen in Westfalen - um so bedauerlicher, daß dies nur am Rande angesprochen wird.

 

Den unmittelbaren Nachfahren war die Greuel des Krieges noch so gegenwärtig, daß sie den Friedensschluß an sich schon zu schätzen wußten. Diese positive Bewertung hielt während des ganzen Alten Reiches an. Die damals aufkommende und stellenweise bis heute fortwirkende Ansicht, daß die deutschen Dinge 1648 schon mit Blick auf das europäische Gleichgewicht geregelt worden seien, weist Repgen mit gutem Grund zurück. Der nationale Machtstaat des 19. und 20. Jahrhunderts vollzog eine völlige Umwertung, indem er alle Gebrechen Deutschlands dem 1648 scheinbar versperrten Weg zur geeinten Nation anlastete. In dieser Perspektive hat auch Hitler die Dinge gesehen, der - ein interessantes Detail - seinen Krieg gegen Frankreich historisch als die Liquidation des Friedens von Münster verstand! Nüchtern mit leicht resignativem Unterton stellt Repgen abschließend fest, daß dem heutigen Deutschland die Erinnerung an die Ereignisse von Münster und Osnabrück und ihre Vorgeschichte weitgehend anhanden gekommen sei. Wer will, kann sich damit trösten, daß es diese wenigstens in seine historische Eventkultur integriert hat.

 

Eichstätt                                                                                                         Karsten Ruppert