Das von Helmut Neuhaus geförderte Werk lag
im Sommersemester 2001 der philosophischen Fakultät I der
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg als Habilitationsschrift vor.
Der Autor wertete die Zeugnisse zahlreicher Archive aus, ohne in einem
aktenmäßigen Bericht stecken zu bleiben. Vielmehr bietet er eine „problemorientierte
Beschreibung“. Aber die begrifflichen Zuspitzungen und historischen Räsonnements vermögen nicht immer zu überzeugen. Zweifel
weckt bereits die Antinomie des Buchtitels. Recht läßt
sich ohne setzende und durchsetzende Macht nicht denken, und im Gemeinwesen
bedarf die Macht der Legitimation und der Begrenzung durch das Recht. Das Telos der Macht mit dem zum Absolutismus strebenden
Territorialstaat, das Ethos des Rechts mit dem altertümlichen Überbau des
Reiches zu identifizieren (vgl. S. 3), ist Schwarz-Weiß-Malerei. Kursachsen und
Kurbrandenburg stellten die führenden Kreisstände im
obersächsischen Zirkel dar, und ihre machtstaatlichen Interessen prägten gewiß die politische Wirklichkeit. Der Autor zeigt aber
auch, daß die Verfassung des Kreises den eher
reichsfernen märkisch-pommerschen Nordosten und die sächsisch-thüringische
Mitte Deutschlands in das Reich einband. Die Kurwürden und die Kreisordnung
verknüpften Wettiner und Hohenzollern „zumindest lose“ mit dem Reich. Neben der
Kurwürde und den landesherrlichen Kompetenzen bildete das Direktorium des
Obersächsischen Reichskreises „eine wertvolle Herrschaftsposition“ der Wettiner
(Albertiner). Und zu Zeiten ersetzten Jus und
Diplomatie das Kriegshandwerk, wurde das militärische Potential der dichten
Adelslandschaften Sachsen, der Mark und Pommerns kontrolliert „und dank der
Kreisverfassung für die Sicherheit Mitteleuropas nutzbar gemacht“ (S. 332).
Warum dann am Ende der apodiktische Satz: Der Zirkel wäre „kein Symbol reichischer Integration, sondern eine Allegorie fürstlicher
Libertät“ gewesen?
Die eingehende Darstellung der politischen
Gegebenheiten und Ereignisse hingegen ist differenzierend und kritisch. Sie
wird der keineswegs gleichmäßig verlaufenden Geschichte des Obersächsischen
Kreises mit seinen beiden Zentren in Berlin-Kölln und
Torgau/Dresden gerecht, indem sie dessen Leistungen und mehr noch dessen
Gebrechen aufweist. Die seit 1500/1512 bestehende Kreiseinteilung drängte die
beiden um die Vormacht im Norden des Reiches konkurrierenden Dynastien der
Wettiner und Hohenzollern „zur Gemeinschaft in einer supraterritorischen
Formation“, wobei „der ständige Wettkampf die Reifung des Obersächsischen
Kreises zur Institution verhindert“. Immerhin, so kann der Autor zeigen, „hat
der Zirkel seine Funktionen für das Reich ein Jahrhundert lang erfüllt, nämlich
die Integration des territorialisierten Nordostens in den Ordnungsrahmen der
Reichsverfassung“. Aber dabei blieb es nicht, trotz der grundlegenden Wende der
kursächsischen Politik hin zum Reich um die Mitte des 16. Jahrhunderts, trotz
der hohen Leistungen des Kreises im langen Türkenkrieg Kaiser Rudolfs II, trotz
der rhetorischen Kunst einer qualifizierten Juristenelite im Dienste der großen
und kleinen Herren aus Berlin und Dresden, Dessau, Rudolstadt oder Greiz auf den Kreiskonventen. Das Erscheinen der Milites perpetui, das
Vordringen einer kontinental dimensionierten Machtpolitik, das Mißlingen der Redintegration des Zirkels nach dem Großen
Kriege, der Druck der armierten Stände und nicht zuletzt der Übergang
Brandenburg-Preußens 1718 „zum Totalboykott der rudimentären Kreisordnung“
höhlten das Reichssystem unheilbar aus.
Das Buch zur politischen Geschichte des
deutschen Nordostens liefert dem Rechts- und Verfassungshistoriker des Alten
Reiches die Anschauung einer Wirklichkeit, wie sie ihm in den Rechtsquellen in
dieser Deutlichkeit und Detailliertheit nicht begegnet, Rechtsordnung und
politische Wirklichkeit wollen zusammen gesehen und bewertet werden. Der
Obersächsische Zirkel steht freilich nicht für die Kreisverfassung schlechthin.
Der Fränkische und wohl mehr noch der Schwäbische Kreis etwa haben im Herzen
des Reiches ein Mehr an Lebenskraft bewiesen in Interesse der Defension, der inneren Sicherheit, der Münze, des
Zollwesens und der Merkantilpolitik. Doch diesen Vergleich im einzelnen anzustellen, lag nicht im Rahmen der Aufgabe, die
sich der Autor gestellt und die er erfüllt hat.
Heidelberg Adolf
Laufs