Mintzel, Alf, Hofer Einblattdrucke und Flugschriften des 16. und 17. Jahrhunderts. Eine Dokumentation von 29 Exemplaren (= 43. Bericht Nordoberfränkischer Verein für Natur-, Geschichts- und Landeskunde e. V.). Nordoberfränkischer Verein, Hof 2000. 334 S.

 

Der emeritierte Professor der Soziologie an der Universität Passau legt mit diesem Buch zeitgerecht zum 375jährigen Jubiläum der Firma „Mintzel-Druck“ eine möglichst vollständige Sammlung von Avisen, neuen Zeitungen und Relationen aus den Pressen der Hofer Druckereien Pfeilschmidt und Mintzel vor. Die meisten der aufgenommenen Einblattdrucke und Flugschriften waren bisher noch nicht ediert, einer der Drucke noch nicht einmal in der einschlägigen Literatur nachgewiesen. Einblattdrucke oder Schriften mit wenigen Seiten sind vollständig abgebildet, von längeren Traktaten nur ausgewählte Seiten. Daneben ist jeweils eine vollständige Transkription beigegeben. Zunächst aber geht der Autor auf Lebensläufe, Familienverhältnisse und das Schicksal der Werkstätten ein. Die vollmundig angekündigte Einordnung der Schriften in den sozialhistorischen „Tatsachenzusammenhang“ (S. 16) ist eher dürftig. Schade ist in dieser Hinsicht, dass der handschriftliche Kommentar am Rand der neuen Zeitung über Gottes Strafe gegenüber Lästerern (Nr. A 8) – vermutlich durch einen Geistlichen bezüglich eines erstarrten Gotteslästerers zu Neckarshofen, der schließlich unter dem Galgen begraben wurde – keine Berücksichtigung findet, zumal er in der Reproduktion nicht vollständig und schlecht lesbar ist (S. 112).

 

Hinsichtlich der Transkriptionen ist inkonsequent, dass Mintzel zwar streng buchstabengetreue Abschriften liefert, überschriebene Buchstaben jedoch – mit Ausnahme des o über u – als Umlaute darstellt. Weiter sind einige vermeidbare Tipp- und Lesefehler zu bedauern: In einer neuen Zeitung des ausgehenden 16. Jahrhunderts, die sich an den frommen Ehemann richtet (Nr. A 9), wird ein verantwortungsloser Familienvater geschildert, der zunächst alles Geld versoff, dann einen Kaufmann „hatt“ (anstatt korrekt „batt“, S. 122) ihm Korn zu leihen, um anschließend seine hungernden Kinder zu ermorden. Der Druck der Prophezeiung des Lactantius von 1581 (Nr. A 11) spricht nicht von den mächtigen und gewaltigen Feinden, die „Astam“ (S. 136) innehaben und besitzen, sondern „Asiam“, und das Römische Reich bedrohen werden. Nach der „Warhafftige[n] Relation“ von 1625 (Nr. A 23), derzufolge Gott gepeinigten hessischen Bauern zu Hilfe kam, schoss nicht „Schwebell vnnd Beck“ vom Himmel (S. 215), sondern „Schwebell vnnd Bech“. Leider ist Alf Mintzel in der auszugsweisen Abschrift des Traktats von Jakob Ellrod über die Kometenerscheinung von 1652 (Nr. A 25) nicht in der Lage, auf S. 43 das griechische Wort anagramma zu entziffern, obwohl er weiß, dass es sich um ein solches handelt, und gibt die Zeile statt dessen mit „??? (griechisch)“ wiedergibt (S. 228). Im Hinblick auf das Ziel der Edition, die sich ausdrücklich nicht an „Experten“ wendet, sondern an „Leser und Bürger, die an ihrer lokalen und regionalen“ Geschichte „interessiert sind“ (S. 17), ist bedauerlich, dass Abkürzungen prinzipiell nicht aufgelöst, lateinische Passagen nicht übersetzt und medizinisch-botanische Begriffe nicht erläutert werden. Was soll der „Bürger“ von diätetischen Ratschlägen halten, die anlässlich einer für 1654 erwarteten Sonnenfinsternis von Eberhard Welper gegeben wurden (Nr. A 26), wenn ihm Passagen wie „ana scrup. j. Beniovin. scrup. ß Moschi gr. vij. Ambrae gr. iij. fiat pomum odoriferum.” (S. 243) kommentarlos vorgesetzt werden? Vermutlich merkt der „Bürger“ noch nicht einmal, dass es sich bei „iij“ um römische Ziffern handelt.

Insgesamt hat die Rezensentin leider der Eindruck, als habe sich der Autor bei der Edition nicht die nötige Zeit gelassen; oder entbehrt er der „G – E – D – V – L – L – T“, die Matthäus Pfeilschmidt d.Ä. zu seinem Motto erkor (S. 25)?

 

Anschau                                                                                                                    Eva Lacour