Mauerer, Esteban, Südwestdeutscher Reichsadel im 17. und 18. Jahrhundert. Geld, Reputation, Karriere: Das Haus Fürstenberg (= Schriftenreihe der historischen Kommission bei der bayerischen Akademie der Wissenschaften 66). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, 456 S.

 

Am Beispiel der Biographien der um 1660 geborenen sieben Männer der zwei Fürstenberger Linien Stühlingen und Meßkirch untersucht Esteban Mauerer in einer überaus materialreichen, klar gegliederten und methodisch klugen Studie die sozialen Handlungsstrategien des kaisernahen katholischen Adels in Südwestdeutschland. Grundlage bildet das reiche Quellenmaterial aus dem fürstenbergischen Hausarchiv. Eine Vielzahl von Gutachten, Tagebüchern, Korrespondenzen und Rechnungen ermöglicht die genaue Rekonstruktion der unterschiedlichen Karrierestrategien zur Absicherung de adeligen Existenz, die durch die Begriffstrias Geld, Reputation und Karriere definiert wird. Dabei ging man durchaus verschiedene Wege, was bereits bei der Ausbildung sichtbar wurde. Während die Meßkircher Grafen größeren Wert auf ein fachbezogenes Studium legten und nach dem Abschluss des jesuitischen Unterrichtsprogramms die Rechte und Politik an den Universitäten vertieft studierten und sogar akademische Grade erwarben, besuchten die Stühlinger Grafen an den Ritterakademien die spezifischen adeligen Fächer und Exerzitien. Denn der Vater der Stühlinger sah die Zukunft seiner Söhne beim Militär und in der Kirche, während der Meßkircher seine Mündel auf Laufbahnen vorbereitet wissen wollte, bei denen juristische Kenntnisse erforderlich waren. Den Abschluss der Ausbildung bildete eine Kavalierstour, was wiederum mit hohen Kosten verbunden war, die die Stühlinger nicht aufbringen konnten. Denn aus Gründen der Reputation und der Wertschätzung bei den Standesgenossen mussten an den ausländischen Höfen die üblichen kostspieligen Lebensformen mitgemacht werden, vor allem am kaiserlichen Hof in Wien.

 

Ihre Lebensaufgabe fanden die Fürstenberger in den Karrieren, die Adeligen in der Frühneuzeit offenstanden, nämlich in der Kirche, beim Militär und in den Diensten großer Herren, voran beim Kaiser in Wien. Eine Laufbahn in der Reichskirche, wie sie Anton Maria Friedrich und Philipp Karl anstrebten, nahm ihren Ausgang in der Zugehörigkeit zu einem oder besser mehreren Domkapiteln.

 

Dabei bewährten sich die verwandtschaftlichen Klientelnetze und die vielen Patronagen. Philipp Karl versuchte sogar auf dem Weg über Rom seinen Aufstieg zu fördern, doch brachte eine Liebesbeziehung einen jähen Rückschlag. Diese Affäre rief die ganze Familie auf den Plan, denn die Fürstenberger fürchteten um die Schädigung ihrer Reputation und damit um den Verlust von Pfründen und den Zugang zu exklusiven Heiratskreisen. Außerdem war der schwäbische Besitz der Meßkircher zu gering, um dem Verliebten ein standesgemäßes Leben zu sichern. Schließlich griff der Kaiser ein und versorgte den einsichtigen Fürstenberger mit dem Salzburger Eigenbistum Lavant.

 

Ein zweites Karrierefeld, in dem die Fürstenberger eine standesgemäße Lebensform sahen, war das Militär, das in besonderem Maße das Ansehen förderte. Vorerst erforderten die Ausstattung der Regimenter beim Reichskreis oder für den Kaiser wiederum hohe Summen, die von den territorialen Beamten nur mit größter Mühe aufgebracht werden konnten. Schlimm war, dass alle Offiziere der untersuchten Generation von Fürstenbergern in den Kämpfen gegen die Osmanen und gegen Frankreich fielen, wodurch nicht nur die hohen Investitionen verloren waren, sondern die biologische Basis des Hauses - wie auch durch das zölibatäre Leben der hohen Geistlichen - entscheidend geschmälert wurde. Noch mehr als für den Dienst in der Kirche waren für die Militärlaufbahnen die Beziehungen um Wiener Hof wichtig. Hier wurden die traditionellen engen Verbindungen zu Wien durch Heiratsverbindungen der Fürstenberg mit den Schwarzenberg ausschlaggebend, wodurch andererseits der Kaiser seine Klientel in Schwaben enger an sich binden konnte. Zudem wurden durch die Fürstenberger als Mitglieder des Grafenkollegs im Schwäbischen Reichskreis die schwäbischen Armeen und die Reichsarmee enger verknüpft. Bezeichnenderweise erhielt Karl Egon Militärchargen in beiden Armeen.

 

Den größten Erfolg am Wiener Hof aber verzeichnete Froben Ferdinand aus der Meßkircher Linie. Er begann seine steile Karriere als Reichshofrat und Direktor des Kollegiums der schwäbischen Reichsgrafen. Bald stieg er auf zum Reichskammerrichter in Wetzlar, und 1725 wurde ihm sogar das Amt des Prinzipalkommissars beim Reichstag in Regenburg vom Kaiser angetragen, eine überaus ehrenvolle Aufgabe. doch die Übernahme dieses hohen Amtes drohte an den mangelnden finanziellen Ressourcen des Hauses zu scheitern. Seine Räte rechneten Froben Ferdinand vor, dass allein die Repräsentationskosten von 75000 Gulden im Jahr die zu erwartende Besoldung um ein mehrfaches übersteigen würde, so dass der Ruin seiner schwäbischen Herrschaften unausweichlich sein werde. Doch zur höheren Ehre und Reputation des Hauses Fürstenberg nahm er das kostspielige Amt an. Persönlich brachte der Dienst für den Kaiser die Erhebung in den Fürstenstand, Sitz und Stimme auf dem Reichstag und die Aufnahme in den Orden vom Goldenen Vlies. Als Froben Ferdinand auf dem Höhepunkt seiner Karriere nach Meßkirch zurückkehrte, bereiteten seine Untertanen fürstenmäßige Empfänge, mit paradierender Landmiliz, Kanonendonner, Triumphbögen, festlichen Reden, mit reichen Geschenken und einem feierlichen Gottesdienst. Gedruckte Diarien wurden versandt, so dass reichsweit der Rang, die Ehre, der Ruhm und das hohe Ansehen des Hauses Fürstenberg zur Kenntnis genommen werden konnte. Die bürgerlichen Beamten aber warnten vor dem wachsenden Aufwand und sahen den Untergang des Hauses vor Augen. Die Fürstenberger aber waren nicht zur Sparsamkeit bereit, denn sie mussten ihren adeligen Status und neuen Rang demonstrieren.

 

Esteban Mauerer hat in überzeugender Weise an einer Generation der Fürstenberg die enge Verflechtung von Geld, Reputation und Karrieren aufgezeigt, was allerdings nicht ganz unproblematisch ist. Denn die zeitliche Beschränkung macht nicht die langfristigen Strategien der adeligen Familien in der Vormoderne erkennbar, die zur Absicherung des herausgehobenen Status erforderlich waren. Doch für eine Generation wurde die adelige Welt im deutschen Südwesten kenntnisreich analysiert und überzeugend rekonstruiert.

 

Bayreuth                                                                                                       Rudolf Endres