Landfrieden. Anspruch und
Wirklichkeit, hg. v. Buschmann, Arno/Wadle, Elmar (= Rechts- und
staatswissenschaftliche Veröffentlichungen der Görres-Gesellschaft Neue Folge
98). Schöningh, Paderborn 2002. 254 S.
Dieser Sammelband
verdankt sein Entstehen einer 1999 veranstalteten Tagung. Einleitend (S. 11‑29)
referiert Hanna Vollrath über „Probleme um die
Landfrieden. Fragen an Geschichte und Rechtsgeschichte“. Sie betont die
Unterwerfung unter ein Gebot ohne Rücksicht auf Person, Rang und Stand. In den
Landfrieden Friedrich Barbarossas finde sich die große Vision, nicht aber das
Mittel zu deren Verwirklichung. Hans‑Werner Goetz zeigt den Wandel der
Fragestellungen und Antworten in seinem ungemein gründlichen Beitrag „Die
Gottesfriedensbewegung im Lichte neuerer Forschungen“ (S. 31‑54). Dabei
geht er auch auf die nun zu stellenden Fragen ein. Beiläufig wird gesagt, dass
man auch der „Entwicklung der religiösen Vorstellungen“ genauer nachgehen
müsse. Dass es hier noch einiges zu entdecken geben mag, lässt schon ein Blick
in die „Ecbasis alicuius captivi“ ahnen. Man fragt sich heute, wie wir bisher
die Entstehung der Gottesfrieden in ihrer derart theologieschwangeren Zeit in
säkularisierter Blickverengung ohne gründliche Aufarbeitung der Theologie und
deren Wandlungen haben betrachten können. Ernst Dieter Hehl bringt „Die Sorge
für den Landfrieden als Fall des gerechten Krieges“ (S. 55‑72) unter
Ausbreitung der kirchenrechtlichen Quellen in einen Zusammenhang: die Sorge für
den Landfrieden sei ein Fall der gerechten Strafaktion gewesen. Elmar Wadle legt Quellen zum „Landfriedensrecht in der Praxis“
(S. 73‑74) vor. Er erschüttert den Glauben, dass die Quellen zur Praxis
der Landfrieden keine Aussagen zuließen, zeigt aber auch, die Grenzen dessen,
was hier zu erwarten ist. Arno Buschmann bringt einen Beitrag „Landfriede und
Landfriedensordnung“ (S. 95‑121). Insbesondere unter Darstellung des
Fehderechts zeigt er, dass das Landfriedensrecht durch die Jahrhunderte von
einer konstanten Rechtsthematik geprägt war. Ernst Schubert erörtert „Die
Landfrieden als interterritoriale Gestaltung“ (S. 123‑152). Mit Recht
wird betont, dass die Wortgeschichte von „Landfrieden“ noch nicht aufgearbeitet
ist und man hier noch nicht vom Territorium redet. Er erinnert daran, dass man
nicht überall, sondern hauptsächlich im Altsiedelland zu diesem Instrument
gegriffen hat und entfaltet seine Einsichten an den westfälischen und den
fränkischen Landfrieden. Da ihm bei Verwendung seines Wortes „interterritorial“
selbst unwohl ist, sollte er vielleicht besser von „Vorterritorialität“ oder
„Frühterritorialität“ reden. Auch Ernst Dopsch, der
sich mit den österreichischen Landfrieden befasst, legt mit „Landfrieden und
Landesherrschaft“ (S. 153‑183) die Betonung auf das Wort „Land“, das im
13. Jahrhundert Karriere macht und einen Wandel im Selbstverständnis der
Herrschaft anzeigt. Das gemeinsame Recht des Landfriedens habe für die
Landesbildung eine entscheidende Rolle gespielt. Martina Stercken
wendet sich mit „Herrschaftsausübung und Landesausbau“ (S. 185‑211 den
Landfrieden der Habsburger in ihren westlichen Herrschaftsgebieten zu und
betont deren Besonderheiten. Michael Vollmuth‑Lindenthal
geht ein auf „Die Erzbischöfe von Magdeburg in Landfrieden des 14:
Jahrhunderts“ (S. 213-239) und stellt deren Charakter als Sondergruppe trotz „ihrer
zum Teil bescheidenen inhaltlichen Ausgestaltung“ heraus. Wolfgang Sellert erörtert abschließend „Geiselnahme und Pfändung als
Gegenstand spätmittelalterlicher Landfrieden“ (S. 231‑252) und arbeitet
die Eigenart der gerechten, aber nicht gerichtlichen Privatpfändung heraus. Diese
Darstellung des alten und immer wieder neuen Forschungsgegenstandes verdankt ihren
Reiz der Vielseitigkeit der Betrachtungsweisen, wie sie nur ein Sammelband
bieten kann, an dessen Zustandekommen gestandene Fachleute beteiligt waren. Wer
sich über den Forschungsstand unterrichten will, findet hier das Nötige.
Kiel Hans
Hattenhauer