Hofmeister,
Jörg, Die Entwicklung
des Gesellschafterwechsels im Recht der Personengesellschaften vom ALR bis zum
ADHGB (= Schriften zur Rechtsgeschichte 88). Duncker
und Humblot, Berlin 2002. 191 S.
Die
von Ulrich Eisenhardt betreute Hagener Dissertation
behandelt den im Titel genannten Gegenstand in konventioneller, aber
zuverlässiger Weise. Die Arbeit untersucht unter gründlicher Auswertung der
modernen Sekundärliteratur die Vorgeschichte der ADHGB- (und damit auch
HGB-)Regelungen des Gesellschafterwechsels, also des Ausscheidens und des Eintritts
von Gesellschaftern und deren Haftung für Gesellschaftsschulden aus der Zeit
vor ihrem Aus- bzw. Eintritt. Dafür werden die einschlägigen Bestimmungen im
Allgemeinen Landrecht, im Code de Commerce, im Allgemeinen Bürgerlichen
Gesetzbuch sowie in den deutschen Entwürfen des Vormärz analysiert. Doch damit
hat die Studie ihr Arbeitsprogramm bereits ausgeführt. Nur gelegentlich wird
die Literatur der sich um 1800 etablierenden
Handelsrechtswissenschaft herangezogen; die Rechtsprechung spielt eine noch
geringere Rolle, und zwar offensichtlich nur dann, wenn der Autor in der
Sekundärliteratur auf ein wichtiges Gerichtsurteil stieß. Das Verhältnis dieser
Informationsquellen zueinander wird nicht thematisiert. Hofmeister kommt – in
Anbetracht der sorgfältigen und langwierigen Beratungen des Allgemeinen
Deutschen Handelsgesetzbuchs in den Jahrzehnten vor 1868 kaum überraschend – zu
dem Ergebnis, dass sich in der schließlich gefundenen Lösung Elemente aus allen
diesen Rechtsordnungen und auch aus dem klassischen römischen Recht wiederfinden lassen. Von einem gewissen Übergewicht der
über das Badische Landrecht nach Deutschland vermittelten Lösungen abgesehen
scheint sich dabei keine klare Tendenz herausgestellt zu haben, weshalb sich
hier kein knappes Gesamtergebnis referieren lässt. Der Autor geht rein
deskriptiv vor; die Frage, warum eine bestimmte Lösung gewählt wurde, wird kaum
ernsthaft gestellt. So heißt es etwa zur wichtigen Entscheidung des ALR
zugunsten des Fortbestands einer Gesellschaft nach dem Austritt eines
Gesellschafters nur, dass „man sich im Interesse der Unternehmenserhaltung
dafür [entschied], den Organismus der Gesellschaft aufrecht zu erhalten“ (S.
175). „Das ALR versuchte, den Organismus der Gesellschaft möglichst vor der
vollständigen Auflösung durch Wechsel im Personenstand zu schützen“ (S. 35).
Doch mit dieser Feststellung begnügt sich der Autor; er analysiert nicht, wieso
man sich in Preußen anders entschied als im römischen und vor allem auch im
französischen Recht, wo nach Gründen des Ausscheidens differenziert wurde (S.
65). Um nur je einen ökonomischen und einen institutionengeschichtlichen
Erklärungsversuch aus der Luft zu greifen: Machte die zunehmende Größe der
Handelsgesellschaften die komplette Auflösung wegen des Ausscheidens eines
Einzelnen zunehmend unwirtschaftlich? (Warum dann aber die differenzierte
Lösung in Frankreich?) Oder stoßen hier gesellschaftsrechtliche
Grundauffassungen aus unterschiedlichen Rechtskreisen aufeinander – in Preußen
eine deutschrechtliche Tendenz zur stärkeren Verselbständigung von
Gesellschaften und Genossenschaft gegenüber ihren Mitgliedern, in Frankreich
eine stärker individualistische romani(sti)sche Auffassung? Weder die
geistesgeschichtlichen Hintergründe der untersuchten Kodifikationen und
Rechtskreise noch die Rechtswirklichkeit der Handelsgesellschaften in den
Jahrzehnten der sich beschleunigenden industriellen Revolution, aus der die
Gesetzesväter ihre Anschauungen bezogen und auf die sie wiederum einwirken
wollten, haben den Autor interessiert.
Frankfurt
am Main Albrecht
Cordes