Helmholz, Richard H., The ius commune in England. Four
Studies. Oxford University Press. Oxford 2001. XV, 270 S.
Dieses Buch bietet mehr als der Titel verspricht, nämlich eine vergleichende Rechtsgeschichte in Bezug auf vier Bereiche, bei denen Ähnlichkeiten zwischen dem europäischen ius commune und dem englischen Recht bestehen, wobei immer auch Vergleiche zu Kontinentaleuropa gezogen werden, in der – wie sich herausstellt – begründeten Hoffnung, durch eine Beschäftigung mit dem ius commune das englische Common Law besser zu verstehen und neue Erkenntnisse zu gewinnen. Zunächst (Introduction, S. 3-15) wird kurz auf den Einflussbereich des ius commune in England bzw. auf dem Kontinent sowie auf die Unterschiede zum Common Law eingegangen und erläutert, welchen Einfluss das ius commune auf letzteres hatte. Helmholz betont, dass Gemeinsamkeiten zwischen beiden Rechten trotz unterschiedlicher nationaler Ausprägung erkennbar sind, und belegt dies an vier Beispielen. Das erste Hauptkapitel über das Asylrecht (The Law of Sanctuary, S. 16-81) beginnt mit einer kurzen Einführung und einem Literaturüberblick, bevor die Position des kanonischen und römischen Rechts und des Common Law wiedergegeben werden. Diese Vorgehensweise wird auch in den folgenden Kapiteln beibehalten. Es zeigt sich, dass das englische Common Law einen großen Teil der Asylrechtsbestimmungen des ius commune übernahm. Das Kirchenrecht stand der Einschränkung des Asylrechts für Kriminelle keineswegs ablehnend gegenüber, doch trieb das englische Common Law die Beschränkungen letztlich weiter, als es die Kirche je beabsichtigt hatte. Allerdings wäre es verfehlt, so Helmholz, die Geschichte des Asylrechts in England einfach als Sieg des weltlichen Rechts über die Kirche und ihre Gesetze zu beschreiben, wie bislang vielfach üblich. Die von den Tudors vorgenommenen Asylrechtsbeschränkungen werden daher auch als Annäherung der englischen an die kontinentale Praxis interpretiert. England folgte hier somit einem Weg, der im ius commune vorgezeichnet war. Der Vergleich des Reinigungseides im geistlichen und weltlichen Gericht, der im Mittelpunkt des folgenden Kapitels (The Law of Compurgation, S. 82-134) steht, zeigt neben dem gemeinsamen Ursprung die unterschiedliche Entwicklung, wobei der Rückgang des Reinigungseides in beiden Rechtssystemen dann allerdings wohl wieder auf gleiche Ursachen zurückzuführen ist: er wurde für immer weniger Fälle akzeptiert, bis er schließlich im 16. Jahrhundert nur noch bei Sexualdelikten zugelassen wurde. Dieser Wandel wird als möglicher Beweis für wachsenden Respekt in Bezug auf das römische Recht gewertet, das zwar den Eid, nicht jedoch den Reinigungseid kannte. Das folgende Kapitel (Mortuaries and the Law of Custom, S. 135-186) zeigt eine Gemeinsamkeit zwischen dem englischen Kirchenrecht und dem Common Law, nämlich den gemeinsamen Respekt für Gewohnheitsrecht, der allerdings für das Common Law ungleich wichtiger war als für das ius commune. Die vierte Fallstudie beschäftigt sich mit dem privilegium fori im Zivilrecht, einem Bereich, der bislang in der Regel in Untersuchungen zum Klerikerprivileg stets ausgeklammert wurde. (Civil Jurisdiction and the Clergy, S. 187-239). Es wird konstatiert, dass wenig Bewegung im ius commune und im Common Law in dieser Frage zu erkennen ist. Das mittelalterliche englische Kirchenrecht kannte keine allein an den Status der Prozesspartei gebundene Jurisdiktion: vielmehr war der Streitgegenstand ausschlaggebend für die Zuständigkeit des geistlichen bzw. weltlichen Gerichts. Daher wurde das privilegium fori in Zivilrechtsfällen nicht anerkannt. Ein Anreiz für weitere Studien dieser Art wird schließlich im letzten Kapitel gegeben (Conclusion, S. 240-248), wo die Erkenntnisse der vier vorangegangenen Abschnitte in einen weiteren Kontext gestellt werden und ihre Aussagefähigkeit in Bezug auf kontinentaleuropäisches Recht (Western legal tradition), die Geschichte des römischen und kanonischen Rechts, die Geschichte der Kirchengerichte und des englischen Common Law sowie der englischen Kirchengeschichte herausgearbeitet wird.
Die einzelnen Kapitel des Buches sind klar strukturiert, es werden immer wieder Gemeinsamkeiten und Unterschiede der vier behandelten Fallstudien hervorgehoben und die englische Entwicklung in Beziehung zu der kontinentaleuropäischer Staaten gesetzt. Das Buch ermöglicht dem Leser einen verständlich geschriebenen Einstieg in das ius commune in England.
Fürth Susanne Jenks