Expectations of the Law in the Middle Ages, hg. v. Musson, Anthony. Boydell & Brewer Ltd., Woodbridge 2001. XII, 206 S.

 

Dieser Band, Ergebnis einer an der Universität Exeter im März 2000 abgehaltenen Tagung, beschäftigt sich sowohl kritisch mit den Erwartungen, die Historiker und Juristen an ihre Quellen stellen, als auch mit den Erwartungen, mit denen Herrscher und Gerichte im Mittelalter konfrontiert wurden. Zeitlicher Rahmen der Beiträge sind das 11. bis 15. Jahrhundert. Richard W. Kaeuper (The King and the Fox: Reaction of the Role of Kingship in Tales of Reynard the Fox, S. 1-21) demonstriert anhand von 15 Erzählungen aus der Zeit zwischen 1174 und 1205, wie die Arbeit der Könige und ihrer Gerichte von den Zeitgenossen empfunden wurde und findet Bestätigung dafür, dass die Anrufung von Gerichten keinesfalls Gewalt ersetzte, sondern oftmals als zusätzliche Waffe benutzt wurde. Dirk Heirbaut (Flanders: A Pioneer of State-orientated Feudalism? Feudalism as an Instrument of Comital Power in Flanders during the High Middle Ages - 1000-1300, S. 23-34) setzt sich mit der Feudalismus-Definition von Susan Reynolds auseinander, sieht die flandrischen Grafen als Pioniere in der Nutzung des Feudalismus als Machtinstrument und plädiert für die Berücksichtigung von Flandern in jeder Studie über Staat und Feudalismus. Mia Korpiola (,The People of Sweden shall have Peace´: Peace Legislation and Royal Power in Later Medieval Sweden, S. 35-51) erläutert, dass Friede und Recht Herrschern wie Untertanen zugute kamen, der Erlass von Friedensgesetzen seit der Mitte des 13. Jahrhunderts mit königlichem Machtzuwachs – auch in Fragen der Rechtssprechung - einherging und der Erhalt von Friede und Recht als königliche Pflicht angesehen und daher erwartet wurde. Judith Everard (The ,Assize of Count Geoffrey´(1185): Law and Politics in Angevin Brittany, S. 53-65) betont, dass die Assize Gewohnheitsrecht schriftlich fixierte, wenn auch in ungewöhnlicher Form, nämlich als „a unique combination of the public function of legislation with the ,private´ form of a charter and ,un pacte´ which only came into operation when the parties, successive dukes and successive generations of barons and knights, swore oaths binding themselves to uphold its terms“ (S. 62) und dass die Interpretation dieser Assize bislang durch die Assoziation mit den Assizen Henrys II. beeinflusst wurde. Cynthia J. Neville (Charter Writing and the Exercise of Lordship in Thirteenth-Century Celtic Scotland, S. 67-89) zeigt, dass Urkunden nicht nur von Geistlichen geschrieben wurden, und dass die Earls von Strathearn und Lennox seit dem 13. Jahrhundert die Gewährung von Charters zur Konsolidierung ihrer Herrschaft nutzten. Julia Crick (Liberty and Fraternity: Creating and Defending the Liberty of St Albans, S. 91-103) untersucht die wechselnde Interpretation des Begriffs libertas im Laufe des Mittelalters in Bezug auf St. Albans, während Gerichtsakten im Mittelpunkt des Beitrags von Henry Summerson stehen (Counterfeiters, Forgers and Felons in English Courts, 1200-1400, S. 105-116). Er kommt aufgrund der verhältnismäßig hohen Zahl der Verurteilungen zu dem Schluss, dass König wie Untertanen an einer stabilen, vertrauenswürdigen Währung interessiert waren und sich bemühten, diese Erwartungen zu erfüllen. Gwen Seabourne (Law, Morals and Money: Royal Regulation of the Substance of Subjects´ Sales and Loans in England, 1272-1399, S. 117-134) vertritt die Auffassung, dass die Könige gegen Wucher, Preistreiberei, „forestalling“ und „regrating“ vorgingen, weil sie ungerechte Bereicherung verhindern oder zumindest bestrafen wollten und glaubt, dass hierdurch Licht auf die Vorstellungen von Gerechtigkeit und Fairness geworfen wird, die vor dem Aufkommen der Billigkeitsrechtsprechung des Kanzlers üblich waren. Gwilym Dodd (The Hidden Presence: Parliament and the Private Petition in the Fourteenth Century, S. 135-149) widerlegt überzeugend die Behauptung, dass es keine privaten Bittschriften an das Parlament seit der Mitte des 14. Jahrhunderts mehr gab und erklärt, wie es zu dieser Fehleinschätzung kam. Das Parlament blieb vielmehr Anlaufstelle für die Beschwerden der Untertanen und beschäftigte sich daher – neben Fragen von nationaler Bedeutung - auch immer mit den Privatinteressen einzelner Personen. Timothy S. Haskett (Conscience, Justice and Authority in the Late-Medieval English Court of Chancery, S. 151-163) argumentiert, dass die Kenntnis der Arbeitsweise der Kanzlei, die als Gerichtshof (prerogative court) in der Zeit zwischen 1432 und 1443 unter John Stafford, Bischof von Bath und Wells, besonders effektiv und bedeutsam war, eine bedeutende Rolle spielte. Die Kanzlei war insbesondere bemüht, Verstöße gegen Billigkeit zu ahnden, was sich wiederum auf die Prozessparteien auswirkte und sich in den eingereichten Bills widerspiegelte. Anthony Musson (Appealing to the Past: Perceptions of Law in Late-Medieval England, S. 165-179) beschreibt, wie die Rückbesinnung auf die Vergangenheit benutzt wurde, nämlich als Legitimationsgrundlage bestehender Rechte, oder um – in zumeist verklärender Form – die Leistungen früherer Könige zu würdigen, um dadurch Veränderungen in der Gegenwart zu bewirken bzw. als Symbol, wobei hier die Magna Charta, das Doomesday Book und das von Wat Tyler in der Peasant´s Revolt von 1381 geforderte „law of Winchester“ als Beispiele genannt werden. Chantal Stebbings (Victorian Perceptions of Medieval Jurisprudence, S. 181-189) verdeutlicht, wie viktorianische Juristen aktiv an der Publikation mittelalterlicher Rechtsquellen mitwirkten, obwohl sie selten auf mittelalterliche Rechtsprechung vor Gericht zurückgriffen und deren Kenntnis zwar für wünschenswert aber nicht zwingend notwendig erachteten. Der Band wird durch den Beitrag von Penny Tucker (Historians´ Expectations of the Medieval Legal Records, S. 191-202) abgeschlossen, die sich kritisch mit dem methodischen Ansatz auseinander setzt, den Christine Carpenter für ihre Studie „Locality and Polity: a Study of Warwickshire Landed Society, 1401-1499“ (Cambridge 1992) benutzte. Sie spricht sich für eine systematische Vorgehensweise auch in Bezug auf Rechtsquellen aus.

 

Erfreulicherweise beschränkt sich der Sammelband nicht nur auf England. Einzelne Beiträge gehen zudem über das eigentliche Konferenzthema hinaus und beleuchten die Rolle, die das Recht in der Entwicklung des mittelalterlichen Staates spielte.

 

Fürth                                                                                                          Susanne Jenks