Das Strafgericht Gottes. Kriegserfahrungen und Religion im Heiligen Römischen Reich
Deutscher Nation im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges, hg. v. Asche,
Matthias/Schindling, Anton. Aschendorff,
Münster 2001. 465 S.
Die historische Forschung nähert sich dem Phänomen Krieg
traditionell unter politischen, militärischen oder ökonomischen
Gesichtspunkten. Dabei geht ein wichtiger Aspekt unter: wie nämlich die vom
Krieg direkt betroffenen Menschen dieses für sie existentielle Ereignis
erlebten und verarbeiteten. Unsere
Kenntnis mag bezüglich der Kriege des 20. Jahrhunderts noch
vergleichsweise groß sein, sie nimmt indessen rasch ab, je weiter man in der
Geschichte zurückgeht. Um mit erfahrungsgeschichtlichen Fragestellungen die
Kriegszeiten der Neuzeit zu erforschen, wurde an der Universität Tübingen der
Sonderforschungsbereich Kriegserfahrungen - Krieg und
Gesellschaft in der Neuzeit eingerichtet. Mit dem vorliegenden, Ernst Walter Zeeden zum 85. Geburtstag gewidmeten Sammelband wird eine
Zwischenbilanz vorgelegt für die Erforschung von Kriegserfahrungen im Südwesten
des Alten Reiches während des 17. Jahrhunderts.
Das genannte Jahrhundert war geprägt durch den Dreißigjährigen
Krieg. Auch wenn es, um die verfassungsrechtliche Einheit des Reiches nicht zu
gefährden, nicht explizit gesagt wurde, hatte dieser Krieg auch den Charakter
eines Religionskrieges, präziser: eines Konfessionskrieges. Religion bekam
daher als Legitimations- und Konsolidationsmittel eine verstärkte Bedeutung.
Sie diente dazu, den eigenen Kampf gegen den Konfessionsgegner zu legitimieren.
Ebenso tröstete sie bei erlittener Kriegsgewalt in Form von Angriffen und
Plünderungen des Gegners und bei der Erduldung von Truppendurchzügen,
Einquartierungen, Kontributionen und Rekrutierungen der verbündeten Truppen.
Krieg wurde schließlich, ausgehend von Erzählungen des Alten Testamentes, in
einer endzeitlichen Dimension als Strafe und Prüfung Gottes für sein unbußfertiges
Volk verstanden: Am Krieg sei jeder einzelne schuldig, der durch sein sündiges
Leben und seine fehlende Bereitschaft zur Buße zu Gottes Zorn beigetragen habe.
Der Sammelband enthält zunächst einen wichtigen einleitenden
Beitrag von Anton Schindling, der den Stand
der Forschung in Bezug auf die Reichs- und Konfessionsgeschichte nachzeichnet
und die Funktion der Religion im Rahmen der Kriegserfahrungen herausarbeitet.
Ihm folgen vier Beiträge, in denen Ergebnisse von Teilprojekten vorgestellt
werden. Frank Kleinehagenbrock stellt zunächst
dar, wie der Dreißigjährige Krieg in der Grafschaft Hohenlohe erfahren wurde.
Zu diesem Zweck wertet er die vorhandenen Verwaltungsakten
aus. Der Schriftverkehr der Behörden, die Personalakten, aber auch die
Suppliken der Bevölkerung ergeben ein facettenreiches Bild einer zeitweise
stark in Mitleidenschaft gezogenen Bevölkerung. Carsten Kohlmann
zeichnet die Kriegs- und Krisenerfahrungen von lutherischen Pfarrern und
Gläubigen im Amt Hornberg des Herzogtums Württemberg nach. In diesem an der
Konfessions- und Landesgrenze gelegenen Gebiet trugen beiderseitige Polemik und
Provokationen wesentlich zur Zunahme konfessioneller Aggressionen bei. Je
länger der Krieg dauerte, desto stärker trat seine Deutung als Strafe Gottes in
den Vordergrund und desto mehr forderte die Geistlichkeit die Menschen zur Buße
auf. Christian Schultz zeigt am Beispiel der Tagebücher des gebildeten Benediktinerabtes Georg Gaiser
(1595-1655), wie ein katholischer Geistlicher den Krieg erlebte. Konfrontiert
mit der Gewalt marodierender Truppen, aber auch mit seine Rechte als Abt
negierenden weltlichen Obrigkeiten suchte Gaiser
zunächst, mit konstruktiven humanistischen Werten dem Nihilismus des Krieges
entgegenzuwirken, versank aber zunehmend in Melancholie und Resignation. Matthias
Ilg widmet sich dem Kult des Kapuzinermärtyrers Fidelis von Sigmaringen
(1578-1622), eines auf dem Höhepunkt der Gegenreformation bei
Missionierungsversuchen in Graubünden erschlagenen Kapuzinerpaters. Der Tod des
1746 heilig gesprochenen Märtyrers stellte ein wirkkräftiges Motiv zur Bildung
einer konfessionellen Identität dar.
Die interessanten Textbeiträge werden ergänzt durch
verschiedene, illustrativ kommentierte Abbildungen. Auf den Fortgang der
Arbeiten im Tübinger Sonderforschungsbereich darf man gespannt sein.
Freiburg im Uechtland René
Pahud de Mortanges