Das Landrecht von 1346 für Oberbayern und seine
Gerichte Kitzbühel, Kufstein und Rattenberg. Kritische Edition der
Georgenberger Handschrift Ms. 201, hg. v. Schwab, Ingo (= Fontes rerum Austriacarum, Dritte
Abteilung, Fontes iuris
17). Böhlau, Wien 2002. 241 S.
Auf Anregung des Historischen Vereins
von Oberbayern haben Hans Schlosser und Ingo Schwab im Jahre 2000 das
Oberbayerische Landrecht Kaiser Ludwig des Bayern von 1346 auf der Grundlage
einer im Münchner Stadtarchiv verwahrten Ausfertigung des Rechtsbuches mit der
Signatur Zimelie 12 herausgegeben. Damit konnten
beide den vom Historischen Verein lange gehegten Plan verwirklichen, endlich
der Wissenschaft das für die Einheit und Einheitlichkeit seiner oberbayerischen
Stammlande geschaffene und bis 1518 dort geltende Rechtsbuch des Kaisers in
einer modernen Editionsgrundsätzen folgenden Textausgabe (Ingo Schwab) zur
Verfügung zu stellen. Eine Übersetzung des Originaltextes sowie ein sachkundiger
juristischer Kommentar (Hans Schlosser) ergänzen diese wichtige Edition. Beide
Autoren waren sich bewußt, daß die bisher wenig erfolgreiche Suche nach der
angeblich um 1334/1336 entstandenen, jedoch verschollenen „Erstfassung“ des
bedeutenden Rechtsbuches zwar fortgesetzt werden muß, daß diese Forschungen
aber die Edition eines fast zweihundert Jahre verbindlichen Rechtstextes nicht
verzögern oder gar verhindern darf. Ferner sind noch zwei wichtige Tatsachen zu
beachten. Zum einen war dieses Rechtsbuch dreihundert Jahre in den 1505 an
Habsburg abgetretenen und 1805 zurückgekehrten Ämtern Kitzbühel, Kufstein und
Rattenberg weiterhin in Geltung geblieben und auch angewandt worden. Zum andern
hat Ernst Klebel im Jahre 1931 im Nordtiroler Stift
St. Georgenberg/Fiecht eine Handschrift aufgefunden,
die im Hinblick auf das Oberbayerische Landrecht als „Entwurf letzter Hand“ (Lieberich) oder als
„letztes Stadium des Gesetzgebungswerkes“ (Jaroschka)
anzusehen ist. Obwohl die Umstände, wie dieser Band in Georgenberger Besitz
gelangten, noch nicht geklärt sind, ist mit beidem nun auch die Tiroler
Rechtstradition berührt, was die noch junge, aber sehr aktive Kommission für
Rechtsgeschichte Österreichs veranlaßte, ihre
Aufmerksamkeit den Forschungen zur Entstehung und Ausfertigung dieser wichtigen
Rechtsquelle ebenfalls zuzuwenden, wie aus der Veröffentlichung des
vorliegenden Bandes 17 ihrer Schriftenreihe deutlich wird.
Der kritischen Edition der Georgenberger Handschrift
mit ihren 351 Artikeln in 38 Titeln hat Schwab eine längere Einleitung voran
gestellt, in der die möglicherweise schon auf die Zeit um 1340 anzusetzende
Handschrift zunächst in den Zusammenhang mit bisherigen Bemühungen gestellt
wird, die möglichen Vorformen des Gesetzes von 1346 zu ergründen und zu
rekonstruieren. In den weiteren Kapiteln wird die Handschrift insgesamt und in
ihren Überschriften und Randnoten beschrieben sowie ihre Schreibweise und
Textgestaltung erläutert. Von großer Bedeutung ist dabei der Hinweis, daß
sämtliche Artikel von einem der sechs beteiligten, aber noch nicht identifizierten
Schreiber klassifiziert worden sind, wobei die Attribute pezzert, gepezzert,
new, newer, novus, alt oder alter Verwendung fanden. Am Rand rechts neben der Überschrift und
von ihr deutlich abgesetzt, erhielten 69 Artikel die Bezeichnung gepezzert, 114 alt/alter und 154 new/newer/novus. Die restlichen Artikel
waren ebenfalls klassifiziert, sind aber inzwischen unleserlich geworden. Die
mit alt/alter bezeichneten Artikel
eröffnen nun die Möglichkeit, mit besserer Aussicht auf Erfolg nach dem „Alten
Landrecht“ als dem seit langem vermuteten Vorläufer zu suchen. Das gilt jedoch
auch für die Vorlagen der als new klassifizierten Artikel, die jetzt besondere Beachtung verdienen. Die Arbeit mit
dem Text wird durch einen umfangreichen Index ausgewählter Worte sehr
erleichtert werden.
Ingo Schwab hat der Wissenschaft mit der Edition der Georgenberger
Handschrift Ms 201 die vermutlich früheste Überlieferung des Oberbayerischen
Landrechts von 1346 in moderner Form bereit gestellt.
Dafür ist ihm und auch der Kommission für Rechtsgeschichte Österreichs sehr zu
danken. Es wäre zu wünschen, daß auch noch weitere Texte aus der Frühzeit des
Überlieferungskomplexes bald publiziert werden können, um die Forschungen zur
Entstehungsgeschichte des Oberbayerischen Landrechts von 1346 zu einem allseits
befriedigenden Abschluß zu bringen.
Halle an der Saale Rolf
Lieberwirth