Brauneder, Wilhelm, Österreichische
Verfassungsgeschichte. Graphische Darstellungen von Lachmayer,
Friedrich, 8. Aufl. (= Manzsche Studienbücher). Manz, Wien 2001. 292 S.
Der an der
Universität Wien lehrende Verfasser legt hier die Neuedition eines mit acht
Auflagen seit 1976 überaus erfolgreichen Werkes vor. Entsprechend seiner Genese
aus Lehrveranstaltungen zielt das Buch in erster Linie auf das studentische
Publikum ab. Verständlich geschrieben und üppig mit nützlichen Definitionen
ausgestattet kann es wohl durchaus als Musterbeispiel dessen gelten, was
heutzutage gerne als „Lernbuch“ bezeichnet wird. Gefördert wird dieser Eindruck
auch durch die hohe Übersichtlichkeit, die Brauneder
seinen Ausführungen mittels einer starken und soweit möglich parallelisierten
Untergliederung verliehen hat. In den Hauptgliederungspunkten teilt der
Verfasser die österreichische Verfassungsgeschichte zeitlich in zwölf
„Perioden“, innerhalb derer wiederum im Wesentlichen Länder,
Länderverbindungen, aus denen schließlich der Gesamtstaat erwächst, und
übergeordnete Organisationsformen behandelt werden. Die Darstellung setzt ein
mit der Konsolidierung der „historischen Länder“ (alle heutigen Bundesländer
mit Ausnahme von Wien und Burgenland) als territoriale Herrschaftsverbände unter
Ablösung des bis dahin geltenden personalen Organisationsprinzips. Der
Zeitrahmen für diesen Prozeß ist sehr weit gespannt. Er beginnt mit der „staufischen Reichsreform“, in deren Zuge 1156 im privilegium minus die Erhebung Österreichs und 1180
die Erhebung der Steiermark zum Territorialherzogtum erfolgen,
und endet im Falle Vorarlbergs erst im 16. Jahrhundert. Brauneder
differenziert zwischen zwei Ländertypen: einem älteren Typus „aus vorgegebener
Einheit“ mit Ländern, die früh eine als Amtsherzogtum (Kärnten) oder Mark
(Österreich, Steiermark) stark fixierte räumliche Einheit verbunden mit einer
reichsunmittelbaren Fürstenwürde aufweisen können, und einem jüngeren Typus
„aus zusammengewachsener Einheit“, bei dem sich die Länder aus mehreren gleichrangigen
Herrschaften sukzessive zur Einheit entwickeln und ihre Reichsunmittelbarkeit
erst erringen müssen (Salzburg, Tirol, Osttirol, Vorarlberg). Im Anschluss an
die Darstellung der äußeren Entwicklung behandelt Brauneder
die Verfassung der Länder im Sinne eines „Gesamtzustandes der politischen
Einheit und Ordnung“ (S. 29). Dabei machen sich die unterschiedlichen
Ausgangspunkte insbesondere in einer stark divergierenden Ständestruktur
bemerkbar. So ist es etwa anders als bei den „Ländern aus vorgegebener Einheit“
bei den Ländern des jüngeren Typus im Zuge ihrer Integration zur Ausschaltung
des hohen Adels gekommen (S. 35). Behandlung der mittelalterlichen
Länderverbindungen und des Verhältnisses der Länder zum Reich beschließen
diesen Zeitabschnitt. Schon in dieser ersten „Periode“ wird deutlich, daß Brauneder, der die Verfassungsentwicklung auf dem Boden des
heutigen Österreichs in den Vordergrund stellt, demzufolge auch die
Länderentwicklung als programmatischen Schwerpunkt seines Buches ausgestaltet.
Entsprechend treten das Verhältnis zum Deutschen Reich bzw. Deutschen Bund und
insbesondere Fragen des Vielvölkerstaates in den Hintergrund. Diejenigen
Länder, die heute nicht zur Republik Österreich gehören, werden nur insoweit
beachtet, als die Gesamtentwicklung in Frage steht. Über die weiteren
Zeitabschnitte „Monarchische Union von Ständestaaten 1500-1749“, „Monarchischer
Staat mit differenziertem Föderalismus 1749-1848“, „Frühkonstitutionalismus
1848-1851“, „Monarchischer Einheitsstaat 1852-1867“, „Konstitutionalismus
1867-1918“, „Republik Deutschösterreich“, „Republik
Österreich 1920-1933“, „Bundesstaat Österreich 1933-1938“, „Teil des Deutschen
Reiches 1938-1945“ und „Fremdkontrollierte Republik Österreich 1945-1955“ führt
Brauneders Darstellung bis in die Gegenwart des „Neutralen
Staates und EU-Mitglieds“. Die Europäische Union ist seit der siebten Auflage
behandelt. Als übergeordnete Organisationsform paßt sie zwar ins
Gliederungsschema Brauneders (s. o.), angesichts des
sehr kursorischen Überblicks über EU-Recht und EU-Organe (zwei Seiten!) drängt
sich jedoch die Frage auf, ob eine Verfassungsgeschichte mit der Darstellung
geltenden Rechts nicht generell überfordert sein muß. Überzeugen können den
Rezensenten auch die graphischen Darstellungen Lachmayers
nicht. Gedacht als Verständnis- und Lernhilfe scheitern sie an dieser Aufgabe
schon durch eine zum Teil höchst verwirrende Überfrachtung; allerdings sind
derartige Visualisierungen wohl auch eine Geschmacksfrage. Das Buch beschließen
eine sehr hilfreiche, nach den einzelnen „Perioden“ geordnete Bibliographie und
ein Sachregister. Insgesamt handelt es sich um ein seine didaktischen Zwecke
ausgezeichnet erfüllendes Werk, das durch ständige Überarbeitungen auch
wissenschaftlich stets auf dem neuesten Stand ist.
Jena Martin
Siebinger