Ahsmann, Margreet J. A. M., Collegium und Kolleg. Der juristische Unterricht an der
Universität Leiden 1575-1630 unter besonderer Berücksichtigung der
Disputationen, aus dem Niederländischen übersetzt v. Sagel-Grande,
Irene (= Ius Commune
Sonderheft 138). Klostermann, Frankfurt am Main 2000. XI, 762 S. 15 Abb.
Eine umfassende
Geschichte der Leidener juristischen Fakultät hat
bisher gefehlt, während die Frühgeschichte der
Gesamtuniversität zuletzt von Henrike L. Clotz
behandelt worden ist (Hochschule für Holland. Die Universität Leiden im
Spannungsfeld zwischen Provinz, Stadt und Kirche, 1575-1619, Stuttgart 1998).
Das vorliegende Buch ist eine veränderte und ins Deutsche übersetzte Fassung
von Ahsmanns Leidener
juristischen Dissertation, die 1990 unter dem Titel „Collegia
en colleges” erschien. Behandelt werden die Fakultät,
die Studenten, die Vorlesungen, das Disputieren und die „Collegia”
sowie in längeren biographischen Abschnitten die insgesamt 19 Professoren bis
1630.
Wie bei der
Verfasserin - die bekanntlich durch zahlreiche eigene Arbeiten wie auch durch
Gemeinschaftswerke mit ihrem Lehrer Robert Feenstra
hervorgetreten ist - nicht anders zu erwarten, beruht das Ganze auf minutiösen
und erschöpfenden Quellenstudien. Das gedruckte und ungedruckte Material ist
aus der ganzen Welt zwischen Los Angeles und St. Petersburg zusammengetragen,
und es wird sich wohl so leicht keine einschlägige Quelle finden, die Ahsmann entgangen ist. Von den Einkünften der Professoren
über den Bücherbesitz der Studenten und die Vorlesungen bis zum Ablauf von
Promotionsfeiern und Disputationen gibt es kaum etwas, worüber der Leser nicht
irgendwelche Informationen erhält. Ahsmanns
überlegene Quellenkenntnis ermöglicht es ihr auch, den Ablauf verschiedener
Vorlesungen, vor allem von Everard Bronchorst, dem neben Hugo Donellus
bedeutendsten Leidener Rechtsprofessor des ersten
halben Jahrhunderts, zu rekonstruieren und die Abfolge der
Disputationskollegien zwischen 1596 und 1627. Im Anhang (I) fndet
man unter anderem eine chronologisch geordnete Liste von 923 Disputationen aus
dem Zeitraum von 1580 bis 1630 und ein alphabetisches Studentenverzeichnis mit
Lebensdaten (Anhang III).
Besondere
Aufmerksamkeit widmet Ahsmann den Disputationen und
den „Collegien”. Aus der Fülle des Gebotenen kann
hier nur weniges herausgegriffen werden. Im Zusammenhang mit den Disputationen
finden sich Beobachtungen über den Verlauf einer Disputationszusammenkunft, die
Arten von Disputationen, die äußere Form, Druck(kosten), Umfang und Verbreitung
etc. Interessant sind vor allem Ahsmanns
Feststellungen zu den Autoren der Disputationen. Sie meint, daß
in Leiden im fraglichen Zeitraum die Thesen nicht vom Professor/Präses geschrieben
wurden. Vielmehr habe „der Student, der disputierte, grundsätzlich seine Thesen
selbst formuliert(e)” (S. 224). Hierfür gibt sie eine Reihe einleuchtender
Belege, unter anderem die Beschreibung und Abbildung der von dem Studenten Aemilius Rosendalius selbst
geschriebenen Disputationsthesen „De servitutibus praediorum” mit Anmerkungen seines Doktorvaters Hugo Donellus. - Zum schillernden Begriff der „collegia” und ihrer Entstehung in Deutschland bestätigt die
Verfasserin die schon von Heinrich Meibom 1604
aufgestellte Behauptung, daß „collegia”
als Disputations-Gesellschaften von Studenten zuerst in Köln (1530) zu finden
sind und sich dann über Marburg und Ingolstadt in ganz Deutschland verbreiten.
Da sich „collegia” dann auch zur Erklärung und
Wiederholung des juristischen Lehrstoffs etablierten und auch von Professoren
organisiert wurden, konnte das Wort „collegium” auch
die, im modernen Sprachgebrauch noch erhaltene, Bedeutung von (privater)
Lehrveranstaltung annehmen. In Leiden führte Bronchorst
in den 1590er Jahren „collegia” ein; sie erlebten
dann bis zu seinem Tod 1627 eine lange Blütezeit. Statuten und Gegenstände der Leidener Kollegien werden von der Verfasserin eingehend
geschildert.
Ahsmanns wohltuend gelassen
und unprätentiös geschriebenes Buch erhebt nicht den Anspruch, grundlegend neue
Ideen, „Antithesen und glänzende Einfälle” (G. Hugo) zur Geschichte der
Rechtswissenschaft vorzutragen. Es ist eine altmodisch bescheidene Schatzkammer
an Daten, Beobachtungen und Zusammenstellungen in der Tradition der älteren
Universitätsgeschichtsschreibung. Sicherlich wird es als Steinbruch zur
Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte ausgebeutet werden und jedenfalls
erweitert es unser Wissen ganz erheblich.
Tübingen Jan
Schröder