WalterVaupel20010417 Nr. 10135 ZRG 119 (2002) 89

 

 

Vaupel, Heike, Die Familienrechtsreform in den fünfziger Jahren im Zeichen widerstreitender Weltanschauungen (= Schriften zur Gleichstellung der Frau 22). Nomos, Baden-Baden 1999. 236 S.

 

Der in Art. 3 Abs. 2 GG verankerte Gleichberechtigungsgrundsatz gab Anlass, das Familienrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch, das bis zur Gründung der Bundesrepublik Deutschland im wesentlichen patriarchalisch geprägt war, zu reformieren. Anpassungsbedürftig erschienen – neben dem Ehegüterrecht (vgl. hierzu die Arbeit von J. Offen, Von der Verwaltungsgemeinschaft des BGB zur Zugewinngemeinschaft des Gleichberechtigungsgesetzes, 1994) - insbesondere die seit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs unverändert gebliebenen Regelungen der persönlichen Beziehungen der Ehegatten sowie zur elterlichen Gewalt. So sah z. B. § 1354 BGB a. F. ein generelles Entscheidungsrecht des Mannes in Angelegenheiten des ehelichen Lebens vor; die Ehefrau durfte sich Dritten gegenüber nur mit Zustimmung des Ehemannes verpflichten, Dienste zu leisten (§§ 1356, 1358 BGB a. F.). Nach den §§ 1627ff. BGB a. F. stand die elterliche Gewalt dem Vater zu; der Mutter war nur ein Recht zur tatsächlichen Sorge eingeräumt. Bei Meinungsverschiedenheiten räumte das Gesetz in Erziehungsfragen der väterlichen Auffassung den Vorrang ein (§ 1634 BGB a. F.).

Die anzuzeigende, von Schlosser betreute Dissertation setzt sich zum Ziel, die inhaltliche Entwicklung dieser Kernbereiche des Familienrechts in der Legislative während der fünfziger Jahre nachzuzeichnen. Der Verfasserin gelingt dies (umfassend einbezogen und analysiert wurden die Stellungnahmen des Bundesministeriums der Justiz, der Gesetzgebungsorgane sowie die in den juristischen Fachzeitschriften, vom Deutschen Juristentag, den Kirchen, Parteien und Frauenverbänden vertretenen Positionen) konzeptionell wie sprachlich mit Bravour. Es geht ihr hauptsächlich darum, aufzuzeigen, inwiefern die Gesetzgebungsarbeiten unter dem Druck von Interessengruppen standen, das heißt welche Ursachen, Bedingungen und Kräfte wirkten, als die Gleichberechtigung im Familienrecht durchgesetzt werden sollte.

Vaupel beginnt mit der Darstellung der rechtlichen Stellung der Frau im Bürgerlichen Gesetzbuch von 1900 (S. 1-54), wobei sie vor allem die Entstehungsgeschichte der genannten Normen einbezieht. Bereits während der Reichtagsberatungen schwankte die Diskussion zwischen autoritär-patriarchalischen Strömungen, welche die Familie als Institution begriffen, und denjenigen, die eine stärkere Individualisierung der ehelichen Beziehung auf der Basis der Gleichberechtigung wollten. Damals hatten sich die Sozialdemokratische Partei Deutschlands und die Frauenverbände, die für letzteres eingetreten waren, nicht durchsetzen können. Vaupel zieht nach genauer Untersuchung der 50 Jahre später stattfindenden Gesetzgebungsarbeiten (S. 85-216) den Schluss, dass die Gleichberechtigungsdebatte nunmehr eine ähnliche Struktur aufwies wie während der Vorarbeiten zum Bürgerlichen Gesetzbuch, wenn wiederum institutionelles Denken und liberales Kontraktdenken, eingebettet in tiefe weltanschauliche Gegensätze, aufeinander prallten.

Die Einführung des Gleichberechtigungsgrundsatzes war - wie die Forderungen an den Parlamentarischen Rat und die Beratungen desselben belegen - erst mit Hilfe außerparlamentarischer Aktionen auf Initiative der SPD sowie der Frauenverbände hin gelungen. Die Frauenmehrheit im Nachkriegsdeutschland hatte sich insoweit als entscheidender politischer Faktor erwiesen. Bei der anschließenden Familienrechtsreform, die Art. 117 GG bis zum 31. März 1953 anmahnte, konnten freilich wieder restaurative Tendenzen die Oberhand gewinnen. Dabei spielte neben der vom bürgerlich-konservativen Lager bestimmten Regierungspolitik die Ideologie der damals einflussreichen und hochangesehenen Kirchen eine wesentliche Rolle. Man war der Überzeugung, dass dem nach Zusammenbruch der NS-Diktatur überwundenen Faschismus feste, aus dem Christentum zu gewinnende Werte entgegenzusetzen seien. Dies führte zu einer Naturrechts-Renaissance, wobei es zu einer Besinnung auf überpositive sittlich-ethische Wertmaßstäbe kam. Vor allem der Rückgriff der überwiegend katholisch geführten Unionsparteien sowie einflussreicher Wissenschaftler wie F. W. Bosch auf theologisch-katholische Naturrechtsauffassungen trug dazu bei, die männliche Vorherrschaft zu legitimieren.

Letzteres sah sich außerdem getragen von einer wegen der damals ökonomisch angespannten Lage um sich greifenden Restauration des Frauenbildes in der Öffentlichkeit. Das bürgerliche Ideal der arbeitsteiligen Ehe lebte wieder auf, häufig sogar bei Verfechtern einer egalitären Ehestruktur. Quer durch die Parteien favorisierte man auch angesichts der Entnazifizierung ein entstaatlichtes und entpolitisiertes Familienrecht, sodass sich die Frauenverbände mit ihren Forderungen nicht durchsetzen konnten. Nicht zuletzt wurden die Ergebnisse soziologischer Umfragen, die sowohl von Gleichberechtigungsbefürwortern wie Patriarchatsvertretern in Auftrag gegeben und verschieden interpretiert worden waren, als Spiegelbilder eines stattfindenden Auflösungsprozesses der Familie interpretiert, dem die Regierung auch im Sinne des Antikommunismus entgegenwirken wollte.

In der ersten Legislaturperiode von 1949 bis 1953 konnte der Regierungsentwurf allerdings nicht mehr verwirklicht werden, sodass es in der „gesetzlosen Zeit“ bis zum Inkrafttreten des Gleichberechtigungsgesetzes am 1. 7. 1958 zu einer Umsetzung des Gleichberechtigungsgrundsatzes judge made kam. Das Gleichberechtigungsgesetz hielt schließlich wie bereits vorher die höchstrichterliche Rechtsprechung am Leitbild der Hausfrauenehe fest, auch wenn es immerhin zur Streichung des § 1354 BGB a. F. kam. Rückwärtsgerichtet und anders als das zuvor wesentlich fortschrittlichere Richterrecht normierte die Parlamentsmehrheit das väterliche Alleinvertretungs- und Letztentscheidungsrecht bei der elterlichen Gewalt. Das Bundesverfassungsgericht erklärte diese Vorrangstellung des Vaters bereits im Jahre 1959 endgültig für nichtig. Damit zog es nach der Verfasserin (S. 198) „einen Schlußstrich unter die restaurative Schöpfungstheorie vom Vater als dem gottgewollten Haupt der Familie. (...) Es ging, um es mit den Worten von Bosch auszudrücken, nicht um die Alternativen Hierarchie oder Anarchie, sondern um Demokratie auch innerhalb der Ehe.“

 

Regensburg                                                                                                                Ute Walter