WadleGöldel20010902
Nr. 1227 ZRG 119 (2002) 32
Göldel,
Caroline, Servitium regis und Tafelgüterverzeichnis. Untersuchungen
zur Wirtschafts- und Verfassungsgeschichte des deutschen Königtums im 12.
Jahrhundert (= Studien zur Rechts-, Wirtschafts- und Kulturgeschichte 16).
Thorbecke, Sigmaringen 1997. 251 S.
Die Arbeit
behandelt zwei für die Finanzgeschichte des hochmittelalterlichen deutschen
Königtums zentrale Phänomene, deren sachlicher Zusammenhang dem weithin
akzeptierten Forschungsstand zufolge evident erscheint: Das im
„Tafelgüterverzeichnis“ genannte servitium
regale liefert als überwiegend naturalwirtschaftlich strukturierte Einheit
den anscheinend sicheren Beleg für die Rückständigkeit des königlichen
Abgabewesens in Deutschland; die Defizite mußten um so markanter ausfallen, je
weiter man das undatierte und nicht zuletzt deshalb viel erörterte
Tafelgüterverzeichnis in die Stauferzeit verlegte. Im Vergleich zu den
fortschrittlicheren Finanzsystemen anderer, namentlich westeuropäischer
Königreiche mußte das deutsche Abgabewesen als rückständig erscheinen. Die
Verfasserin will mit ihren Überlegungen den Aussagewert des
Tafelgüterverzeichnisses erschüttern, indem sie in einem ersten Teil die
vielfach behauptete Identität von servitium
regis und Königsgastung in Frage stellt und in einem zweiten Teil das
Tafelgüterverzeichnis in einer quellenkritischen Untersuchung neu einzuordnen
sucht.
Der These,
daß das oft belegte servitium regis
die überkommene „Gastung“, also die übliche Unterstützung des reisenden
Königshofes, bezeichne und zwar auch dort, wo die Abgabe durch Geldzahlung
abgelöst worden sei, wird entgegen gehalten, daß der Begriff servitium regis und seine Varianten
einem sehr viel weiteren Bedeutungsspektrum von Abgabediensten entspreche,
weshalb ihm eine „Schlüsselstellung bei der Behandlung der wirtschaftlichen
Grundlagen des mittelalterlichen Königtums“ zukomme (S. 27). Göldel setzt dem verschiedene
Ansätze entgegen, so etwa die Vorstellung, daß der Ursprung der Königsgastung
in der königlichen Richterfunktion zu suchen sei (S. 40); so die These, daß es
einen „Zusammenhang zwischen Königsgastung und Steuer“ gebe (S. 44); so die Ansicht,
daß das als Geldleistung formulierte servitium
nicht zwingend auf die Gastungspflicht zurückgeführt werden müsse, sondern auf
der Belehnung mit Regalien beruhe. Alle diese Überlegungen, für die mehr oder
weniger überzeugende Belege ins Feld geführt werden, dienen allein dem Ziel,
die namentlich von Carlrichard Brühl
gezogene Verbindungslinie zwischen Königsgastung und servitium regis aufzulösen oder doch wenigstens zu stören.
Dementsprechend formuliert die Verfasserin in einer ersten Zusammenfassung (S.
126): „Aus den Quellen läßt sich belegen, daß der Begriff servitium regis einen vielfältigen Bedeutungsinhalt hat.
Grundsätzlich werden Leistungen an den König fällig, wenn ein Heerzug ansteht,
ein Hoftag angesagt ist und wenn der König in seiner Eigenschaft als oberster
Richter und Verwalter erscheint. Eine Reduzierung des Begriffs servitium regis auf die Gastung des
Königs hält einer Überprüfung nicht statt; vielmehr werden Pflichten, Dienste
und Leistungen unterschiedlichster Art wie auch Geldzahlungen unter diese oder
vergleichbare Bezeichnungen wie publicum
servitium, debitum regis subsumiert.“
Der zweite
Teil ist dem Versuch gewidmet, das Tafelgüterverzeichnis, das trotz seiner
Einordnungsprobleme als eine der wichtigsten Stützen bisheriger Forschungen zur
Geschichte des servitium regis im
Hochmittelalter fungiert hat, aus diesem Zusammenhang herauszulösen. Mit einigem
Recht verweist die Verfasserin darauf, daß schon die Bezeichnung „eine
Begriffsbildung der historischen Forschung“ (S. 138) darstelle; daß die
bisherige Forschung sich nahezu ausschließlich auf Argumente gestützt habe, die
auf den Inhalt der Quelle abgestellt hätten, ohne „eine abschließende
Sicherheit bei der zeitlichen und inhaltlichen Einordnung der Quelle ...
gewinnen“ (S. 134) zu können; daß schließlich Begriffe wie regalia, servitia regis und pertinere
... ad mensam regis in einem anderen historischen Kontext zu interpretieren
seien. Um ihn zu markieren, stützt sich die Verfasserin auf eine eingehende
Diskussion der Überlieferungszusammenhänge der Quelle und postuliert eine
Sonderrolle des Verzeichnisses: Es sei als Teil einer unter Probst Otto von
Andechs angelegten Kollektion wichtiger Urkunden und Nachrichten des Aachener
Marienstifts entstanden; dieses verlorene „Kopiar“ könne als Vorläufer des
Chartulars gelten, das von 1192 an erstellt wurde. Sachlich gehe es letztlich
um „eine Zusammenstellung von Königsgut, das zur Mensa des Königs – als Kanoniker
des Aachener Marienstifts - gehört“ (S. 185).
Man mag die
eine oder andere These der Arbeit für ungewöhnlich oder gar fragwürdig halten,
namentlich insoweit als die herkömmliche Datierung bestimmter Urkunden
angefochten wird (vgl. dazu Th. Kölzer
in DA 53 (1997) S. 627ff.; H. Seibert
in H 266 (1998) S. 182f.) – ein Verdienst kommt der Untersuchung sicherlich zu:
sie räumt auf mit festgefahrenen Vorstellungen über Königsgastung und servitium regis und könnte so dazu
beitragen, die Frage nach der Verfassung des königlichen Finanzwesens im 11.
und 12. Jahrhundert neu zu stellen. Die Einleitung formuliert das Ziel (S. 17)
so: „Die vorliegende Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, daß das Servitium regis keinen geeigneten Bezugsrahmen
für eine Wirtschafts- und Finanzgeschichte des deutschen Königtums im
Mittelalter bildet und auch das Tafelgüterverzeichnis als Quelle dafür
ausscheidet. Dies ermöglichst einen neuen Blick auf
die finanziellen Verhältnisse der Herrscher und die administrativen
Möglichkeiten im Reich. Ziel der Untersuchung ist es, eine neue Ausgangsbasis
für die Erforschung der hochmittelalterlichen Königsfinanz zu schaffen.“
Man darf
gespannt sein, wie die weitere Diskussion auf diese Anregungen reagiert.
Saarbrücken Elmar
Wadle