TheisenFormazione20010912 Nr. 10149 ZRG 119 (2002) 32

 

 

Formazione e strutture dei ceti dominanti nel medioevo: Marchesi Conti e Visconti nel Regno Italico (Secc. IX-XII) (= Atti del secondo convegno di Pisa 3-4 dicembre 1993 2 = nuovi studi storici 39). Istituto storico Italiano per il medio evo, Rom 1996. 441 S.

 

Vorzustellen sind die Akten des zweiten Historikerkongresses aus dem Jahre 1993, der sich mit den herrschenden Schichten und deren Funktionen im Königreich Italien im Zeitraum des 9. bis 12. Jahrhunderts befaßt[1]. Der Sammelband umfaßt 16 Beiträge, in denen vor allem wichtige Hochadelsfamilien aus Oberitalien betrachtet und ihre Bedeutung für die Herrschaftsentwicklung dargestellt werden. In der Besprechung werden die Beiträge kurz vorgestellt, um dann jeweils die rechtshistorischen Ergebnisse zu betrachten. Dadurch kann eine vergleichende Betrachtungen mit Gebieten nördlich der Alpen ermöglicht werden. Ebenfalls ist in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung des Adels und seine Rolle bei den großen Streitigkeiten zwischen den Kaisern und den oberitalienischen Städten des 12. Jahrhunderts einzugehen.

Die Einleitung in die Thematik leistet der Beitrag von Cinzio Violante, welcher auch für die Rechtsgeschichte wichtige Erkenntnisse aufzeigt. Violante zeigt in seinem Aufsatz, daß man im 10. und 12. Jahrhundert nicht von einer Feudalisierung und noch weniger von einer Vererblichkeit der Markgrafschaften und Grafschaften ausgehen kann. Als ein Beleg für seine These führt er an, daß vor der berühmten Konstitution Konrads II. aus dem Jahre 1037 beneficium[2] und ius feudorum synonym gebraucht wurden, eine Unterscheidung also kaum feststellbar ist. Nach meinem Dafürhalten wäre es an dieser Stelle wichtig gewesen, auf die vielfältige Bedeutung des Begriffes beneficium einzugehen um mögliche Differenzierungen in der Bedeutung aufzuspüren, wie es beispielsweise Landau[3] und die Herausgeber der Urkunden der Mathilde von Tuscien getan haben. Violante argumentiert, bis zum 10. Jahrhundert seien die Grafen und Markgrafen Funktionsträger der Könige gewesen; sie übten folglich ihre Aufgaben in dessen Namen und für ihn aus. Daraus resultiert dann die Möglichkeit der Ersetzung und Umsetzung durch den jeweiligen Herrscher.

Mit dem Ende des 10. Jahrhunderts werden neue Machtbereiche ausgebildet, die unabhängig von denen des Königs sind, so die Autoren. Diese Machtbefugnisse beruhen nicht mehr auf der Grundlage der Ausgabe durch den König, sondern auf der Basis der Machtstellung der Herren auf der Basis der Grundherrschaft. Aus dieser Problematik resultiert eine der Fragestellungen des vorliegenden Bandes, nämlich ob königliche Aufgaben ab dem 10. Jahrhundert feudalisiert wurden. Im Mittelpunkt dieser Untersuchung müsste dann jedoch die Assimilierung von Erblichkeit und Autonomie vom Herrscher bei den jeweiligen lokalen Machthabern stehen.

Eine andere Frage, die die Beiträge zu beantworten gedenken, ist die, wie sich die vassalitischen Verhältnisse zwischen Grafen/Markgrafen und Bischöfen ausgestalteten. Dabei versuchen die Wissenschaftler zunächst nachzuvollziehen, ob im Reichskirchensystem einerseits die Grafschaftsrechte mit ausgeübt werden, und/oder die Ziviljurisdiktion, comitatus genannt, ebenfalls von den Bischöfen wahrgenommen wurde. Dabei ist zu beachten, daß sich die königlichen Grafschaften nicht immer mit dem eigentlichen Territorium des Bischofs decken, denn allmählich gehen die Grafschaften auf weltliche Potentaten über. Dabei ist zum Beispiel auf Heiratsstrategien des Adels aufmerksam zu machen, die darauf abzielten, die Machtbasis zu erweitern. In diesem Zusammenhang weist Violante zu Recht auf die italienische Terminologie hin, die an dieser Stelle geändert werden sollte. Nach seinen Darlegungen solle man nicht mehr von „ceti dirigenti“ sprechen, was eine zu führende Bürokratie voraussetzt, sondern von „ceti dominanti“ im Sinne Tellenbachs, also von „führenden Ständen“.

Giuseppe Sergi berichtet nun über Ämter und Grafschaften in der Funktion als königliche Amtsfunktionen und -bezirke in den Grenzregionen zwischen den Königreichen Burgund und Italien im 10. und 12. Jahrhundert (21-38). Er betont vor allem die militärische Funktion der Grenzregion und die der dortigen Grafschaften. In diesem Zusammenhang geht er auf die Problematik der Begrifflichkeit von pagus und comitatus ein, wobei er sich vor allem mit den Ergebnissen der deutschen historischen Forschung auseinandersetzt. Notwendig wäre es nun rechtshistorische Überlegungen hinsichtlich der Bedeutung der zuvor genannten Begriffe anzustellen. Wie Sergi zu Recht anmerkt, sind bei einer ernstgemeinten Forschungsarbeit Verallgemeinerungen der verwendeten Begrifflichkeiten nur schlecht möglich. So bedarf beispielsweise der Terminus  comitatus der genaueren Untersuchung. Daher stellt sich die Frage, ob er tatsächlich nur Königsgut bezeichnete? Somit bedürfen diese Aussagen weiterer Untersuchungen an anderen Textstellen, um der Problematik nachzugehen, ob es sich eventuell nur um eine punktuelle Erscheinungsform, eine einmalige Verwendung des Begriffs handelt.

Giancarlo Andenna (57-84) widmet sich den Grafen von Biandrate und den in der westlichen Lombardei gelegenen Städten im 11. und 12. Jahrhundert. Damit bewegt er sich an einer wichtigen Schnittstelle zwischen der Entwicklung der immer selbständiger/selbstbewußter werdenden Kommunen und dem oftmals sehr kaiserfreundlichen ländlichen Adel. Das von ihm aufgearbeitete Problem ist darin begründet, daß der Adel, der seine Machtposition unter anderem aus den Jurisdiktionsbefugnissen der Grafschaften herleitete, gleichfalls enge städtische Verbindungen hatte (57), sei es durch Verwandtschaft, Heirat oder der Tätigkeit in den großen Kollegiatkirchen der Städte. Der Verfasser zeigt zunächst die Ursprünge und die Entwicklung der Familie von Biandrate auf, die zu Beginn des 12. Jahrhunderts zwei Bischöfe in Vercelli stellte (64) und zu diesem Zeitpunkt auf das Engste mit dem Erzbischof von Mailand verbunden war (66). Vor allem die Darstellung der Bedeutung des Grafen Guido III. von Biandrate (1119-quondam 1167) für die Beziehungen zu den Staufern und der dadruch bedingten Übernahme weiterer Machtpositionen zeigt die Möglichkeiten eines Aufbaus zu einer Territorialherrschaft auf.. In den 1130er Jahren heiratete Guido III. die Schwester des Grafen Wilhelm III. von Montferrat, der seinerseits wiederum der Schwager Konrads von Staufen, des späteren Königs Konrad III.; war. Damit gehörte Graf Guido III. zu den bedeutendsten Potentaten in der westlichen Lombardei. Durch Lehnsverbindungen mit den Kanonikern von S. Gaudenzio in Novara erhielt er Güter, die seine Machtposition sicherten. Konrad III. bestätigte in einem ersten Privileg die Güter und die Rechte der Grafen von Biandrate, was Friedrich I.[4] erneuerte. Mit diesen Privilegien erhielt der Graf weiterhin das fodrum seiner Grafschaft in beneficium und die königlichen Jurisdiktionsbefugnisse; auch wurden ihm die Herrschaftsrechte in seinen Gebieten bestätigt. Andennas Verdienst liegt darin, auf die Zusammenhänge zwischen der Kommunalisierung und den ländlichen Potentaten hingewiesen zu haben. Anhand des Beispiels der Grafen von Biandrate zeigt er unter anderem deren Tätigkeit innerhalb der Kommunen auf, welche jedoch gegen Ende des 12. Jahrhunderts nachließ. Das 12. Jahrhundert zeigt somit im westlichen Oberitalien noch enge Beziehungen zwischen Städten und lokalen Machthabern auf. Erst die Kämpfe in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts und das gestiegene Macht- und Selbstbewußtsein der Kommunen drängen dann die Grafen aus ihren angestammten Herrschaftsbereichen.

Die Familien, die die herrschaftlichen Verwaltungsämter in der Veroneser Mark wahrgenommen haben, bilden den Untersuchungsschwerpunkt Andrea Castagenettis (85-112). Er stellt in seiner Abhandlung zunächst auf die Mobilität der Grafen und ihrer Familien ab. Vor allem durch die Herrscherwechsel im unabhängigen Regnum Italiae des 10. Jahrhunderts kam es zu ständigen Ablösungen der Veroneser Markgrafen, die sich immer mehr verselbständigten. Dabei teilte sich die Mark Verona in verschiedene Grafschaften, in denen versucht wurde, Territorialherrschaften zu bilden. Der Verfasser bezeichnet das als eine Krise der alten Markgrafschaft, die sich ebenfalls in anderen italienischen Markgrafschaften zeigt, obwohl die Mark Verona mit den übrigen Marken an sich nicht vergleichbar ist (88f.). Verständlich ist dann auch die weitgehend andersartige Entwicklung im Gegensatz zu den weiteren italienischen Marken, als die Mark Verona dem Herzog von Kärnten anvertraut wurde, der die Jurisdiktion zusammen mit den lokalen Grafen, Bischöfen und Potentaten ausübte. Problematisch wurden die Verhältnisse im Konflikt zwischen Kaiser und Papst: Vor allem die Grafen von Verona waren kaiserfreundlich gesinnt, was sich ebenfalls zunächst zur Zeit des Aufstiegs der Kommunen zeigte. Dabei ist darauf abzustellen, daß in den Städten vor allem versucht wurde, die jeweiligen Grafen aus ihren öffentlichen Ämtern und Funktionen herauszudrängen, um diese Funktionen dann zu übernehmen. Der Autor weist jedoch darauf hin, daß die Familien, die eine Territorialherrschaft oder Grundherrschaft aufgebaut haben, es im 12. und 13. Jahrhundert vermochten, politisch und rechtlich eine Rolle zu spielen, falls sie sich in der jeweiligen Kommune integriert hatten und sich dort organisierten (111). Dieses wichtige Ergebnis geht mit den oben angeführten Äußerungen Andennas konform. Es zeigt sich somit die herausragende Bedeutung der oberitalienischen Kommunen für die Rechtsentwicklung ab dem 12. Jahrhundert. Das politische Überleben des Adels war nur durch die Integration innerhalb der Stadt gesichert. Für die Rechtsgeschichte könnte hier ein Ansatzpunkt sein, vergleichbare Studien mit der Stadtentwicklung nördlich der Alpen und deren daraus resultierenden Rechtsproblemen zu betreiben.

Die Ausführungen Vito Fumagallis (113-124) erörtern die Frage der sogenannten Grafen von Lecco und der Aristokratie im Königreich Italien zwischen dem 9. und 10. Jahrhundert. Der Verfasser weist dezidiert auf die salfränkische Herkunft dieser Familie hin, die mit den Karolingern nach Oberitalien gekommen ist und dort wichtige Amtsfunktionen wahrnahm. Sie war ausgestattet mit öffentlichen Ämtern und erhielt auch die dazugehörigen notwendigen Güter. Fumagalli geht dann vor allem auf die Bedeutung der Bezeichnung comes für die vorgenannte Familie ein und versucht ebenfalls ihre zeitweise Benennung als marchiones zu erklären. Nach seinem Dafürhalten beruht dies nicht auf der Verwaltung einer der fest abgesteckten italienischen Marken (Toskana, Friaul, Spoleto), sondern auf einer militärischen Führungsposition (118). Daher unterscheidet er zwischen karolingischen und nachkarolingischen Markgrafen (wie beispielsweise die Arduinici, die Canossa, die Obertenghi). Die unterschiedliche Handhabung der Funktionsbezeichnungen bedürfte einer weiteren, rechtshistorischen Untersuchung, um somit die hier gewonnenen Ergebnisse weiter zu untermauern.

Pierpaolo Bonacini erläutert in seinem Beitrag (125-160) die Herrschaftsstruktur und die Herrschaftsträger im Modenesischen im frühen Mittelalter. Er zeigt, daß langobardische Herrschaftsträger schon kurz nach der fränkischen Eroberung in den Diensten König Pippins nachzuweisen sind und dort juristisch-administrative Aufgaben wahrnahmen. Sie wurden dann als comites bezeichnet. In seinen weiteren Ausführungen zeigt Bonacini die Entwicklung der karolingischen Herrschaft auf, die sich einerseits auf fränkische Adlige stützte, andererseits aber die lokalen langobardischen Potentaten dergestalt integrierte, daß sie Amtsfunktionen übernahmen. In diesem Zusammenhang weist er auf die umfangreiche Gesetzgebungstätigkeit hin, die sich vor allem im ersten Drittel des 9. Jahrhunderts für das nunmehr als Regnum Italiae bezeichnete Königreich nachweisen läßt.

Zwei Beiträge befassen sich mit der bedeutenden Familie der Grafen Alberti. Während sich Tiziana Lazzari mit diesen Adligen in der Emilia auseinandersetzt (161-178), geht Maria Luisa Ceccarelli Lemut auf die toskanischen Zweige der Grafen Alberti ein (179-210). Lazzari erklärt zunächst die Problematik Bolognas an der Grenze zwischen Romania und Langobardia. Durch diese Grenzsituation war das Herrschaftsgebiet (districtum) sehr eingegrenzt. Dabei weist die Verfasserin darauf hin, daß durch die spärliche Überlieferung erst im 11. Jahrhundert ein Graf der Stadt Bologna erwähnt wird, also die Amtsfunktion nur für den Stadtbezirk, nicht aber das kleine Territorium ausübte. Nur die beiden Emphyteuseformulare, die in Bologna vor und nach 1116 benutzt wurden, erwähnen beispielsweise ein Verbot den Grafen Alberti und ihren servi betreffend, die emphyteutikarisch ausgebenen Güter weiterzuverpachten. Dadurch versuchten die Kirchen in Bologna eine Entfremdung ihrer Güter zu verhindern. Die Besitzungen der Grafen Alberti sind südöstlich von Bologna festzustellen. So erhielt Albert IV. 1164 von Kaiser Friedrich I. ein weitreichendes Privileg, mit dem ihm die Herrschaftsrechte für seine gesamten Besitzungen bestätigt wurden[5]. Otto IV. gewährte Albert V. zwar ebenfalls die Herrschaftsrechte, jedoch nur noch für einen Teil dessen, was Albert IV. innehatte. Der Besitz war nach 1203 unter den Söhnen aufgeteilt worden. Die Verfasserin des Beitrages versucht dann anhand bestimmter Indizien ein Zusammenhang zwischen der Familie der Grafen von Bologna und der Grafen Alberti herzustellen (173ff.). Dabei hebt sie vor allem auf die von einem Graf Albert veräußerten Ländereien südöstlich von Bologna ab, die mit denen der Grafen von Bologna übereinstimmen. Damit geht nach ihrer Ansicht auch die Bestrebung gegen Ende des 12. Jahrhunderts seitens der Grafen Alberti einher, einen Herrschaftsbereich innerhalb des Territoriums von Bologna und der Stadt Bologna zu schaffen, wobei sie auf die Vertragsabrede mit dem Bischof und podestà von Bologna, Gerardus, hinweist. Nach ihrer Auffassung sind die Grafen Alberti ein gutes Beispiel dafür, daß die bedeutenden Herrschaftsfamilien des 11. und 12. Jahrhunderts von Familien abstammen, die im frühen Mittelalter Funktionsträger der königlichen Amtsgewalt gewesen waren (177). Eine mögliche Verwandtschaft mit den Grafen Guidi, die vor allem östlich von Bologna die königlichen Herrschaftsrechte ausübten, wird vorsichtig angedeutet.

Cecarelli Lemut geht schließlich den Grafen Alberti und ihrer Bedeutung in der Toskana nach. Sie weist auf die weitläufigen Herrschaftsgebiete hin, die sich nicht nur in der Toskana, sondern auch im Appennin und in der Gegend von Bologna befanden. Die Autorin stellt sich zunächst die Frage nach der Herkunft der Grafen. Ihrer Meinung nach ist ein Verbindung mit den Grafen von Bologna nur schwerlich möglich, da die Bezeichnung, nach welchem Recht sie leben, verschiedenartig ist. Während die Grafen von Bologna sich als nach ripuarischem Recht lebend bezeichneten, geben die Grafen Albeti an, sie lebten nach langobardischem Recht. Gerade an dieser Stelle bedürfte es weiterer rechtshistorischer Untersuchungen, welche Bedeutung die hier thematisierte Rechtsbezeichnung hat. Dabei ist zu fragen, ob durch Heirat und verwandtschaftliche Beziehungen nicht ein Wechsel des Rechtsbereichs möglich ist. In einer weiteren ausführlichen Beweisführung lehnt die Forscherin in ihrer Arbeit einen Zusammenhang die Familien der Grafen von Bologna und der Grafen Alberti betreffend ab, was sich vor allem aus einer differenzierten Analyse verschiedener Urkunden des 11. Jahrhunderts ergibt. Die Verfasserin arbeitet gut heraus, daß es den Grafen Alberti im 11. und 12. Jahrhundert - ähnlich wie den Grafen Aldobrandeschi - gelingt, aus der Grundherrschaft heraus eine Territorialherrschaft auszubauen, in der sie ebenfalls die Herrschafts- und Jurisdisktionsbefugnisse ausüben. Vergleichbar wäre dies mit den städtischen Grafschaftsbezirken nördlich des Appennin. Dadurch zeigt sich, daß in den ländlichen Gegenden die Möglichkeit bestand, die königlichen Amtsbefugnisse immer weiter mit denen der eigentlichen Grundherrschaft verschmelzen zu lassen.

Rosella Rinaldi (211-240) erläutert die Herkunft und Ursprünge der Grafen Guidi in der Romagna, die östlich von Bologna eine wichtige Machstellung einnahmen und durch Heiratsbeziehungen ein dichtes Netz mit anderen lokalen Potentaten bildeten. Die Verfasserin geht zunächst auf die bisherige Überlieferung ein, die einen Tegrimus (I.) und seine Ehefrau Engelrada (II.) als den Ursprung der Grafen Guidi ansieht. Diese Grafen erreichten durch Heirat mit bedeutenden Familien aus dem Exarchat weitere wichtige Verbindungen und Herrschaftsbereiche. Durch eine vertiefte Analyse der Urkunden gelingt der Autorin ein weitgehender Verwandtschaftsnachweis, der eine sehr umfangreiche consorteria ergibt.

In dem Folgebeitrag geht Natale Rauty auf die Verzweigungen der Grafen Guidi in der Toskana ein (241-264). Die Bedeutung dieses Geschlechts beruhte ebenfalls auf der Verbindung zwischen Grundherrschaft und der Wahrnehmung königlicher und markgräflicher Amtsfunktionen in verschiedenen Teilen der Toskana. Eine ähnliche Entwicklung ist bei den Nachkommen des Grafen Suppo nachweisbar:

Jean Paul Delumeau zeichnet die Entwicklung der Familie des Grafen Suppo des Schwarzen nach (265-286), in dem er deren Herrschaftsrechte und Amtsfunktionen in vielen Teilen Mittelitaliens belegt. Auch er stellt die Zusammenhänge zwischen der Bildung einer Grundherrschaft durch Eigen-, Pacht- und Lehensgut dar, welche dann teilweise zu einer Territorialherrschaft erstarkt sind.

Weitere toskanische Familien werden in den folgenden Beiträgen untersucht, die die Besonderheiten der jeweiligen Familien in den Grafschaftsbezirken darstellen: Paolo Cammarosano (287-296) geht den Familien nach, die die Grafschaftsrecht im Senesischen ausübten. In einem Folgebeitrag widmet sich Simone M. Collavini den Grafen Aldobradeschi (297-314). Die juristischen Verbindungen und die zugrundeliegenden Vertragsbeziehungen zwischen dem Bischof von Lucca und den weltlichen Herren im 11. Jahrhundert erörtert Amleto Spicciani (315-376).

Den Abschluß bilden die Ausführungen Renato Bordones zu den städtischen „Visconti“ im kommunalen Zeitalter Italiens (377-403). Die Visconti hatten kaum juristische Befugnisse, was sich aus den städtischen Besonderheiten erklärt, durch die eine Dynastiebildung von vorneherein verhindert worden ist.

Nützliche Stammtafeln und Karten der Besitzverhältnisse runden die Beiträge ab und veranschaulichen die vorgetragenen Aussagen. Hervorzuheben sind die Indices der Personen und Orte, die eine schnelle Benutzung ermöglichen und damit einen unkomplizierten Zugriff erleichtern.

Die verschiedenen Darstellungen zeigen deutlich, eine Verallgemeinerung der Aussagen über die Wahrnehmung der Amtsfunktionen und eine eventuell daraus resultierende Bildung einer Territorialherrschaft ist kaum möglich. Vielmehr bedürfte es nach Abschluß dieser Forschungen zusammenfassender Überlegungen, um eventuelle rechtliche Gemeinsamkeiten, aber auch Differenzen zwischen den einzelnen Gebieten und Familien klar zu definieren.. Das könnte ebenfalls ein Anhaltspunkt dafür sein, einen Vergleich mit den rechtlichen Strukturen nördlich der Alpen anzustellen, um dadurch ähnliche Verhältnisse, aber auch die Unterschiede herauszuarbeiten. Die vorliegenden Akten der Tagung sind ein wesentlicher Beitrag, eine solche vergleichende Studie vorlegen zu können. Wünschenswert wäre es bei weiteren Arbeiten in dieser Richtung, vermehrt die rechtshistorische Forschung heranzuziehen, um so die juristischen Grundlagen der Herrschaftsbildung weiter herauszuarbeiten.

Resümierend bleibt festzuhalten, daß ein wichtiger Band vorliegt, der die Bedeutung privilegierter Familien für die Ausübung der Herrschaftsgewalt in Italien hervorhebt. Für die Rechtsgeschichte ist dabei vor allem von Bedeutung, die Zusammenhänge zwischen den frühmittelalterlichen Amtsträgern und den späteren (selbständigen) Herrschaftsträgern nachzuweisen.

 

Leipzig                                                                                                           Frank Theisen



[1] Die Akten des ersten Kongresses wurden 1988 veröffentlicht: Formazione e strutture dei ceti domaninanti nel medioevo: marchesi conti e visconti nel regno italico (secc. IX-XII). Atti del primo convegno di Pisa: 10-11 maggio 1983, (Istituto storico italiano per il medio evo-Nuovi Studi Storici 1), 1988.

[2] Siehe zu den diversen möglichen Wortbedeutungen von beneficium nur den Sachindex bei MGH DMath; zu verweisen ist auch auf den Beitrag von Landau, Art. Beneficium, in: TRE 5, 1989, Sp. XXX ff.

[3] Landau, Art., Beneficium, in: TRE 5, 1989, Sp. XXXf.

[4] MGH DF I., Nr. 36, 60ff., 1152.

[5] MGH DF I., Nr. 456, 360ff., 1164.