StrauchJohanolofssonstiernhöök20010917 Nr. 913 ZRG 119
(2002) 42
Johan Olofsson
Stiernhöök.
Biografie och studier 1596-1996, hg. v. Modéer, Kjell Åke (= Skrifter
utgivna av Institutet för Rättshistorisk Forskning, Serien 2, Rättshistoriska
Studier 20). Lund/Stockholm 1996. 104 S.
Am 27. Februar 1996 jährte sich zum 400. Male der Geburtstag
des schwedischen Rechtsgelehrten und praktischen Juristen Johan Olofsson
Stiernhöök. Die von Gustav und Carin Olin gegründete Stiftung veranstaltete aus
diesem Anlaß ein Symposion, auf dem des großen Mannes gedacht wurde. Dazu
bestand noch ein anderer Anlaß: Residiert doch die Olinsche Stiftung seit 30
Jahren im Hause Stiernhööks in der Altstadt von Stockholm, Trädgårdstvärgränd
4, wo sie am 400. Geburtstag des Geehrten eine Gedenktafel anbrachte.
Zudem gab am 30. Juni 1996 der langjährige Vorsitzende der
Stiftung, der emeritierte Hofgerichtsrat Mauritz Bäärnhielm, sein Amt aus
Altersgründen ab. Ihm widmet die Stiftung in Anerkennung seiner Verdienste
zugleich diese Festschrift. Sie gliedert sich in zwei Teile, in eine Biographie
mit vier und eine kritische Würdigung mit fünf Beiträgen.
Der biographische Teil erzählt das Leben Johan Olofssons,
der sich selbst den Beinamen Dalekarl nach seiner heimatlichen Landschaft gab, aus
verschiedener zeitlicher Perspektive. Abgedruckt ist nicht nur die
Leichenpredigt des damaligen ersten Pfarrers an der Stockholmer großen Kirche
(d. h. dem Dome) und späteren schwedischen Erzbischofs Olav Swebilius, geadelt:
Adlerberg, sondern auch die Würdigung, die Frans Michael Franzén 1837 der
Schwedischen Akademie der Wissenschaften vorgetragen hat. Der frühere
Uppsalenser Rechtshistoriker Göran Inger hat eine moderne Lebensbeschreibung
beigesteuert und der Maler Jerk Werkmäster hat Stiernhööks Lebensgang durch
einen Gemäldezyklus im ehemaligen Gericht (jetzigen Gemeindehaus) seines
Geburtsortes Rättvik am Siljansee in Dalarne dargestellt, der dem Buch in
Farbabbildungen beigegeben ist.
Johan Olofsson wurde am 27. Februar 1596 als Sohn eines
Predigers geboren. Da seine Eltern früh starben, mußte er seinen Schulbesuch in
Västerås unterbrechen. Er wurde aber wegen seiner geistigen Gaben gefördert,
konnte in Uppsala Jura studieren und auch Studienzeiten im Ausland verbringen,
unter anderem an den deutschen Universitäten Leipzig, Jena, Wittenberg und
Rostock. 1625 in Uppsala promoviert, begab er sich danach wieder ins Ausland,
um seine Studien zu vertiefen. Nach seiner Rückkehr trat er 1630 in den
Staatsdienst ein und bewährte sich dort in verschiedenen Positionen, vor allem
war er maßgeblich an allen Gesetzgebungsvorhaben der Zeit beteiligt, weil er
über hervorragende Kenntnisse nicht nur des vaterländischen, sondern auch des
römischen Rechts verfügte. Zwischen 1640 und 1647 war der Professor an der
Akademie im finnischen Åbo (Turku). Diese Zeit nutzte er, um die erste schwedische
Rechtsgeschichte auszuarbeiten. Das Buch erschien jedoch erst 1672 unter dem
Titel „De jure sveonum et gothorum
vetusto“[1].
Bereits im Jahre 1649 hatte ihn der König seiner mannigfaltigen Verdienste
wegen geadelt und ihm den Namen Stiernhöök (Sternhabicht) mit einem sprechenden
Wappen verliehen[2] und
ihn 1666 zum Hofrat ernannt. Seine letzten Jahre verdüsterte ein schweres Augenleiden,
das ihn seit 1660 erblinden ließ. Mit Hilfe von dreien seiner Söhne führte er
jedoch seine Arbeit bis zu seinem Tode am 25. Juni 1675 weiter.
Die im zweiten Teil des Bandes gedruckten Würdigungen sind
sich darin einig, daß Stiernhöök nicht nur ein herausragender Jurist des 17.
Jahrhunderts, sondern auch der erste schwedische Rechtshistoriker gewesen ist.
Göran Inger bewertet Stiernhööks schwedische
Rechtsgeschichte von 1672 („Wie in einem Spiegel“): Obwohl sein Werk mit der
heutigen Darstellung der Rechtsquellen nicht vergleichbar ist, hat er doch
versucht, quellengebunden zu arbeiten. Bei seinen Untersuchungen hat er einen
Text entdeckt, von dem er zunächst glaubte, er enthalte das verlorene
värmländische Recht, das er aber später für das Recht von Dalarne hielt. Eine moderne
Untersuchung hat es tatsächlich als värmländisches Recht identifiziert[3].
Es war unausweichlich, daß seine Theorie über die Herkunft und erste
Niederschrift der alten Rechte typische Eigenschaften der Barockzeit annahm,
uns deshalb heute teilweise utopisch anmutet und daß er auch den schwedischen
Großmachtgedanken stützte. Gleichwohl hat er sich der Verirrungen, die sich
etwa Karl Lundius (1638 – 1715) leistete[4],
stets enthalten und den Stoff vergleichsweise kritisch dargestellt. Die
großmachtverliebten Schweden seiner Zeit nahmen das Werk vergleichsweise kühl
auf, doch diente es – da lateinisch geschrieben – Ausländern als wichtige
Information über die schwedischen Rechtsverhältnisse, und erst die Gegenwart
würdigt die wissenschaftliche Leistung Stiernhööks als des ersten schwedischen
Rechtshistorikers überhaupt.
Pia Letto-Vanamo betont in ihrem Beitrag „Johan Stiernhöök –
ein europäischer oder ein schwedischer Jurist?“ daß dieser zwar intime Kenntnis
des alten schwedischen Rechts besaß, daß jedoch wegen der allgemeinen
Herrschaft des römischen Rechts seine gedankliche und Ideenwelt europäisch
ausgerichtet war.
Aus einer neuen Perspektive betrachtet Rolf Nygren
Stiernhööks Arbeit. Er meint, der eigentliche Tummelplatz der Rechtsgeschichte
sei die Rechtspolitik und versucht das an den Äußerungen Stiernhööks in seinem
Hauptwerk nachzuweisen. Ihm ist sicherlich zuzugeben, daß man Stiernhööks Werk
auf dem Hintergrund seiner Zeit und seiner praktischen juristischen und
politischen Erfahrungen sehen muß. Es gelingt ihm auch, etliche Aussagen Stiernhööks
aus dem Geist der damaligen Zeit neu zu interpretieren. Gleichwohl möchte ich
meinen, daß die Rechtsgeschichte bereits nach Stiernhööks Meinung ihren Sinn in
sich trug und daß eine dienende Funktion als Magd der Rechtspolitik ihr
einziger Zweck weder war noch ist[5].
Die Entstehung der neuschwedischen Übersetzung von
Stiernhööks Werk schildert Alvar Nelson in seinem Beitrag „Vive ut
vivas“. Es war sein Vater, Axel Nelson, der sie besorgt hat. Åke
Holmbäcks Änderungsvorschläge dazu sind infolge seines plötzlichen Todes
halbfertig liegen geblieben, so daß sich die Olinsche Stiftung schließlich doch
entschloß, Axel Nelsons Übersetzung – mit den ergänzenden Noten Stig Jägerskiölds
– zu veröffentlichen (s. o. Anm. 1). Beifallswert ist Alvar Nelsons Feststellung,
daß zwar die Lebensgeschichte Stiernhööks inzwischen nach allen Seiten ausgeleuchtet
ist, daß es aber an Archivstudien darüber fehlt, in welcher Weise er die
schwedische Gesetzgebung beeinflußt hat, an der er jahrzehntelang als Sekretär
der Gesetzeskommission beteiligt war. Auch sein Wirken als Richter beiderseits
des Bottnischen Meerbusens und vor allem am Hofgericht in Åbo ist bisher nur
teilweise aufgeklärt, weil die Urteilsbücher noch nicht vollständig
veröffentlicht sind.
Kjell Åke Modéer stellt
die bisherige wissenschaftsgeschichtliche Forschung über Stiernhöök kritisch
dar. Vor allem weist er auf die noch immer vorhandenen Forschungslücken hin und
hofft, künftige jüngere Forscher werden sich aufmachen, sie zu schließen.
Modéer ist auch die hervorragende Betreuung der Herausgabe des vorliegenden
Bandes zu verdanken.
Insgesamt vermittelt das Buch die unterschiedliche und sich
insgesamt steigernde Wertschätzung der Lebensleistung Stiernhööks, wobei sein
Buch De jure sveonum et gothorum vetusto im
Mittelpunkt der Betrachtungen steht. Die Stiernhöök-Forschung ist heute zwar
biographisch im wesentlichen vollendet, in sachlicher Hinsicht aber keineswegs
abgeschlossen. Diese Lücke wollen und können auch die hier vorliegenden
Beiträge nicht füllen, sondern nur die zukünftigen Aufgaben benennen und ihre
Erfüllung anregen.
Köln am Rhein
[1] Die Olinsche Stiftung hat das Werk bereits 1962 im fotomechanischen Nachdruck der Originalausgabe von 1672 als Band 1 ihrer Reihe Rättshistoriskt Bibliotek nachgedruckt, versehen mit einer Einführung von Sture Petrén; eine neuschwedische Übersetzung erschien 1981 als Band 2 dieser Reihe (Om Svears och Götars forna rätt), mit einer Einführung und ergänzenden Noten von Stig Jägerskiöld.
[2] Abbildung auf S. 7 des besprochenen Bandes und auf dem Schutzumschlag des in Anm. 1 genannten Werkes.
[3] Vgl. Elsa Sjöholm, Sveriges medeltidslagar. Europäisk rättstradition i politisk omvandling, Stockholm 1988, S. 321ff.
[4] Vgl. Carolus Lundius,
Xamolxis Primus Getarum Legislator, 1687.
[5] Gleicher Meinung ist Alvar Nelson im besprochenen Bande, S. 94.