RanieriGoodfaith20010622 Nr. 10302 ZRG 119 (2002) 89
Good Faith in European Contract Law, ed. by Zimmermann,
Reinhard/Whittaker, Simon (= Cambridge Studies in International and
Comparative Law. The Common Core of European Private Law Project 14). Cambridge
University Press, Cambridge 2000. XXXIII, 720 S.
Dieser monumentale Band ist der erste einer Reihe, die zum Abschluß eines gesamteuropäischen Forschungsprojekts die Ergebnisse der Arbeit der sog. „Gruppe von Trient“ zur Verfügung stellen soll. Seit 1993 will die Arbeitsgruppe „die gemeinsamen Prinzipien des Europäischen Privatrechts“ untersuchen und darstellen (siehe dazu M. Bussani/U. Mattei, The Common Core Approach to European Private Law, in: Columbia Journal of European Law 3, 1997/98, S. 339ff.). Die Arbeit und deshalb auch die Anlage dieses Projektes gehen auf die Ideen des amerikanischen Rechtsvergleichers Rudolf B. Schlesinger zurück, der am Ende der 50er Jahre an der Law School der Universität von Cornell ein ähnliches, weltweites Projekt über Europa hinaus vorschlug (R. Schlesinger, The Common Core of Legal Systems. An Emerging Subject of Comparative Study, in: Legal Essays in honor of Hessel E. Yntema, 1961, S. 65ff.). Das Schlesinger-Projekt führte seinerzeit zu einer heute noch grundlegenden zweibändigen Darstellung des Rechts des Vertragsschlusses. Der zentrale Gedanke des jetzigen Projekts ist, den Unterschieden und den funktionalen Ähnlichkeiten der europäischen Privatrechte anhand von einzelnen „case studies“ nachzugehen und daraus allgemeine Prinzipien herzuleiten. Dreißig Fälle und damit verbundene Fragen - alle in irgendeinem Zusammenhang auf ein treuwidriges Verhalten bezogen - sind zunächst einer Reihe von Vertretern der einzelnen europäischen Rechtsordnungen vorgelegt worden. Anhand deren Beantwortungen und Einzellösungen sind dann jeweils einzelne Synthesen zu Teilproblemen fertiggestellt worden. Auf der Grundlage dieser kurzen Falluntersuchungen sind anschließend noch weitergehende Gesamtsynthesen formuliert und dokumentiert worden. Das Werk kann auch den Leser dieser Zeitschrift interessieren. Beide Herausgeber betonen nämlich zu Recht, welche zentrale Bedeutung auch der historischen Reflexion für die Rekonstruktion der Prinzipien des Europäischen Zivilrechts zukommt. Lesenswert - auch wegen der eingehenden rechtshistorischen Analyse - sind deshalb eine Reihe von Einführungsbeiträgen, die den gesamten Band einleiten. An erster Stelle ist hier zunächst der Beitrag der Herausgeber selbst (S. 7-62) „Good faith in European contract law: surveying the legal landscape“ zu nennen. Noch interessanter sind die zwei darauffolgenden rechtshistorischen Beiträge: Martin Josef Schermaier „Bona fides in Roman contract law“ (S. 63-92) schildert die zentrale Bedeutung der bona fides in der romanistischen Tradition; James Gordley „Good faith in contract law in the medieval ius commune“ (S. 93-117) schildert die identische Problematik in der gemeinrechtlichen Tradition, hier insbesondere auch in der Tradition des kanonischen Rechts. Der Verfasser hätte hinsichtlich der Tradition des Römischen Gemeinen Rechts bei der Gelegenheit übrigens auch auf meine kürzlich publizierte Untersuchung „Bonne foi et exercice du droit dans la tradition du Civil law“, in: Revue Internationale de Droit Comparé 1998, S. 1055ff. (zur Rechtsgeschichte S. 1058-1065 mit Bibl.), hinweisen können. Die rechtshistorischen Beiträge, die allgemeine Einführung und der gesamte Band sind durch eine beeindruckende und weitestgehend perfekte Dokumentation ausgezeichnet. Das monumentale Werk dürfte als vorbildlich für derartige Untersuchungen zu den gemeinsamen Grundlagen des Europäischen Privatrechts gelten und als Grundlage für Forschungen in der Zukunft auf diesem Gebiet dienen.
Saarbrücken Filippo Ranieri