OgrisKalm20010116 Nr. 724 ZRG 119 (2002) 55

 

 

Kalm, Harald von, Das preußische Heroldsamt (1855-1920). Adelsbehörde und Adelsrecht in der preußischen Verfassungsentwicklung (= Quellen und Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte 5). Duncker & Humblot, Berlin 1994. 273 S.

 

Diese 1993 an der Universität Bonn approbierte juristische Dissertation untersucht Aufgaben, Organisation und Wirkungsweise des Heroldsamtes, der von 1855–1920 bestehenden zentralen Behörde des preußischen Adelsrechts. Das Amt entstand im Zuge der romantisch-neoständischen Politik Friedrich Wilhelms IV., der – auch und gerade im mittlerweile konstitutionell gewordenen Preußen – danach strebte, den Adel (wieder) zu einer tragenden Säule des Staates zu machen. Das dem königlichen Hausministerium unterstellte Heroldsamt mit Sitz in Berlin sollte dementsprechend nicht nur eine gezielte und effektive Nobilitierungspolitik ermöglichen, sondern auch den bestehenden Adel einer umfassenden rechtlichen Kontrolle unterwerfen, um das Eindringen nicht als standeswürdig empfundener Nichtadeliger in den preußischen Adel zu unterbinden. Tatsächlich konzentrierte sich die Tätigkeit der Behörde ganz auf Gnadenakte (besonders Nobilitierungs- und Standeserhöhungsverfahren) und auf Entscheidungen in Adelsrechtssachen (besonders Aufnahme eines „verdunkelten“ Adels, Berechtigung zur Führung eines Adelsprädikats etc).

Der Verfasser geht den dabei auftretenden Rechtsproblemen und Streitfragen mit großer Akribie und scharfsinniger Analyse nach. Der Unklarheiten und Ungereimtheiten gab es genug. Waren doch weder die Rechtsgrundlagen des Amtes selbst noch die Rechtsstellung des Adels im allgemeinen zweifelsfrei geregelt. Die Normen des Allgemeinen Landrechts waren durch zahlreiche Novellierungen und besonders durch Art 4 der Verfassungsurkunde 1848, welcher alle Standesvorrechte aufgehoben hatte, geändert und bzw. oder in Frage gestellt worden. Strittig war ferner: ob das Adelsrecht dem Privatrecht oder dem öffentlichen Recht zugehörte; ob Entscheidungen des Heroldsamtes in Gnadenakten der ministeriellen Gegenzeichnung bedurften; ob sie für die Gerichte verbindlich waren (bejahend etwa das Reichsgericht 1909). Über diese Rechtsfragen hinaus ermöglicht die Arbeit einen guten Einblick in die soziale Wirklichkeit und die politische Stellung des preußischen Adels. Schlaglichter fallen weiters auf die Machtverteilung zwischen „monarchischer und allgemeiner staatlicher Gewalt“ und auf das „Innenverhältnis“ zwischen Krone und Adel.

 

Insgesamt eine nach Form und Inhalt überaus ansprechende Arbeit, die mit Gewinn auch für das Verständnis des Adelsrechts im außerpreußischen Deutschland sowie für die Zeit nach der Weimarer Verfassung (Namensrecht!) herangezogen werden kann.

 

Wien                                                                                                              Werner Ogris