LaufsGroßerevolutionen20010809 Nr. 10186 ZRG 119 (2001) 01

 

 

Große Revolutionen der Geschichte. Von der Frühzeit bis zur Gegenwart, hg. v. Wende, Peter. Beck, München 2000. 391 S.

 

Zwanzig gut geschriebene, jeweils mit einer chronikalischen Tabelle beginnende, am Ende des Buches mit knappen Bibliographien versehene Aufsätze namhafter Autoren verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen führen den Leser durch umwälzende Ereignisse der Weltgeschichte. Die Stationen der literarischen Zeit- und Weltreise sind unterschiedlich. Sie beginnt im Alten Orient (Jörg Klinger) und führt zu den Gracchen (Klaus Bringmann). Dann geht es in großem Sprung zum deutschen Bauernkrieg (Peter Blickle). Es folgen die Englische (Peter Wende), die Glorreiche (Eckhart Hellmuth), die Amerikanische (Hermann Wellenreuther) und die Französische Revolution (Michael Wagner). Das 19. Jahrhundert besetzen die Julirevolution von 1830 in Frankreich und Europa (Axel Körner), die deutsche Revolution der Jahre 48 und 49 (Dieter Hein) und die Pariser Kommune (Beatrix Bouvier). Die bolschewistische Revolution (Dieter Beyrau) und die Revolution von 1918/19 in Deutschland (Klaus Schönhoven) schließen sich an. Es folgen die mexikanische (Horst Pietschmann), die chinesische bis 1957 (Jürgen Osterhammel), die ägyptische (Michael Thornhill) und die kubanische Revolution (Nikolaus Werz). Dann tritt noch einmal China in das Blickfeld mit der Großen Proletarischen Kulturrevolution (Thomas Heberer). Den Schluß bilden „die 68er Revolution“ (Arthur Marwick), die islamische Revolution von 1979 (J. Paul Luft) und „die 89er Revolution in der DDR“ (Hartmut Zwahr) - im ganzen ein bunter Bilderbogen, aber weder mit durchgehenden verbindenden Wesenszügen, noch thematisch erschöpfend.

Für den Zweck des Sammelbandes definiert der Herausgeber in Anlehnung an Theodor Schieder die Revolutionen als „besondere Form des historischen Wandels“, wobei er dessen Objekt, die Art und Weise der Veränderung und die Folgen mitbedacht wissen will. Freilich vermag das vage bleibende Kriterium sowenig wie die Auswahl der Themen zu überzeugen. (Der Rezensent erlaubt sich, zur Begrifflichkeit auf seine Darstellung der politischen Revolutionen in Deutschland in dem von Walther Hadding herausgegebenen Band: Festgabe Zivilrechtslehrer 1934/1935, 1999, S. 333ff., hinzuweisen). So fehlt die nationalsozialistische Revolution. Karl Dieter Bracher hat überzeugend dargetan, daß im Grundgedanken einer rassischen Abstufung der Menschheit eine extreme Alternative nicht nur zur freiheitlichen und menschlichen Idee der Weltzivilisation, sondern auch zur gängigen Nationalstaatsidee liege: der tätige Rassismus als weltrevolutionäres Prinzip der Rechtsfeindschaft, die nationalsozialistische Innen- und Außenpolitik bestimmend. Unerklärt bleibt auch der Verzicht auf die portugiesische „Nelkenrevolution“, die algerische und die vietnamesische Revolution. Andererseits will sich der „Zeitbruch“ (Klaus Mehnert), den die Jahreszahl 1968 als Chiffre kennzeichnet, als kulturell-soziale Bewegung wohl eher nicht in die Abfolge von Revolutionen einfügen. Der Autor des einschlägigen Beitrags schreibt denn auch von einer „Revolution, die es nie gegeben hat“ (S. 328). Über manche Zuordnung mag man streiten und wird die Diskussion auch weitergehen. Waren die Empörungen des Gemeinen Mannes 1525 eine Revolution? Immerhin sollte das neu verstandene Prinzip des göttlichen Rechts korporativ-bündische oder republikanische Verhältnisse herbeiführen. Blickles Beitrag gehört zu den gedankenreichsten und glänzendsten Essays des Bandes. In den Aufsätzen findet sich da und dort die begriffliche Reflexion; für den Rechts- und Verfassungshistoriker bleiben juristische Gedanken und Ansätze im ganzen aber zu schwach ausgebildet. Freilich ist auch keiner der Autoren Jurist.

Das facettenreiche Werk wendet sich mit seinen knapp und allgemeinverständlich gefaßten Inhalten an eine breite, allgemein gebildete Leserschaft, der es durchaus eindrucksvolle Begegnungen mit berühmten Akteuren und epochalen Ereignissen verschafft. Es erfüllt seine „zentrale Absicht“, nämlich „dem Leser genügend Material an die Hand (zu) geben, um selbst das Allgemeine im Besonderen zu entdecken, die Revolution in den Revolutionen aufspüren zu können“ (Einleitung, S. 17).

 

Heidelberg                                                                                                                    Adolf Laufs