KreuzerRohe 20010129 Nr. 10347 ZRG
119 (2002) 89
Rohe, Mathias, Zu den
Geltungsgründen des Deliktsstatuts. Anknüpfungsgerechtigkeit unter
Berücksichtigung rechthistorischer und rechtsvergleichender Erkenntnisse mit
Einschluss gegenwärtiger Reformvorschläge. Mohr (Siebeck), Tübingen 1994. 270
S.
Am 1. 6. 1999 ist das Gesetz zum
Internationalen Privatrecht für außervertragliche Schuldverhältnisse und für
Sachen in Kraft getreten. Dieses Gesetz kodifiziert in den Artt. 40-42 EGBGB
erstmals das deutsche Internationale Deliktsrecht. Diesem Rechtsgebiet ist auch
die hier zu rezensierende Arbeit, eine Tübinger Dissertation auf dem Stand vom
Sommer 1994, gewidmet. Die Kodifizierung des Deliktsrechts hat die Arbeit von Mathias
Rohe jedoch nicht überholt, da die Dissertation überwiegend
rechtshistorisch und rechtsvergleichend ausgerichtet ist.
Die Arbeit gliedert sich in zwölf
Kapitel (A-M). Nach einer kurzen Einführung (Kapitel A), in der die Zielsetzung
der Dissertation skizziert wird, behandelt der Verfasser in den Kapiteln B - F
rechtshistorische Grundlagen, um dann Länderberichte (die die jeweilige jüngere
Rechtshistorie einbeziehen) über Frankreich (Kapitel G), England (Kapitel H)
sowie Deutschland (Kapitel J, K, L) anzuschließen. Das Schlusskapitel M arbeitet
die Ergebnisse heraus.
Die Untersuchung des
griechisch-hellenistischen Kulturraums (Kapitel B, S. 6f.) ergibt, dass keine
Aussagen zum Thema der Arbeit, den Geltungsgründen des Deliktsstatuts, möglich
sind (S. 7). Die Situation im römischen Recht (Kapitel C, S. 8-15) fasst der
Verfasser dahin gehend zusammen, dass es „kollisionsrechtliche Überlegungen und
auch Regelungen“ erkennen lasse (S. 15). Dem ausgebreiteten Material vermag ich
allerdings keine „kollisionsrechtlichen Überlegungen“ zu entnehmen. Auch scheint
es mir kaum möglich, aus den vereinzelten Regelungen von Sachverhalten mit
„Fremdrechtsbeziehungen“ sichere Schlüsse auf Kollisionsnormen im modernen
Verständnis zu ziehen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die IPR-Frage
im heutigen Sinne gestellt worden wäre. Dazu bedarf es einer klaren Trennung
von Prozess- und Sachrecht einerseits und Straf- und (zivilem) Deliktsrecht
andererseits. Aus heutiger Sicht interessant ist der in Kapitel D („Recht zur
Zeit der Völkerwanderungen bis zur Bildung von Territorialstaaten“, S. 16-34)
mitgeteilte Befund, dass es in jener Epoche Fälle der
Sachrechtsvereinheitlichung in Deliktssachen gegeben hat (S. 18ff., 26ff.),
eine durchaus „moderne“ Methode der Bewältigung von Rechtsgrenzen
überschreitenden Regelungskonflikten. Kapitel E (S. 35-51) widmet sich den
„Entwicklungen im italienischen und französischen Hochmittelalter bis zur
Neuzeit“. Die Behandlung der Statutentheorie gerät hier leider etwas
oberflächlich. So befasst sich der Verfasser z. B. überhaupt nicht mit der
damals primären Problematik des Verhältnisses von statuta und ius commune.
Kapitel F (S. 52-61) hat „die Herrschaft der Statutenlehre bis ins 18.
Jahrhundert“ zum Gegenstand. In diesem Zusammenhang darf daran erinnert werden,
dass die Statutenlehre in gewohnheitsrechtlicher oder sogar in gesetzlicher
Form erheblich länger, nämlich z. T. bis weit ins 19. Jahrhundert hinein eine
maßgebende Rolle gespielt hat. Im Übrigen konstatiert der Verfasser fest, dass
bis ins 19. Jahrhundert „spezifische Überlegungen zu den Geltungsgründen der
privatrechtlichen Kollisionsnorm“ fehlen (S. 54). Dies kann nicht verwundern,
da es auf der Grundlage der Statutenlehre derartige Überlegungen gar nicht
geben kann. Es stellt sich insoweit lediglich die Frage, welche Sachgründe für
die grenzüberschreitende Erstreckung des Rechts des regulierenden Staates
sprechen.
Mit Kapitel G beginnt der erste
Länderbericht, der die Entwicklung des französischen Rechts seit dem Ausgang
des Ancien Regime betrifft (S. 62-105). Der Schlussfolgerung des Verfassers,
wonach sich die jüngere Entwicklung im französischen Recht als besonders
ergiebig für die Frage nach den Geltungsgründen der Deliktskollisionsregel(n)
erweise (S. 102), vermag ich nicht zu folgen. Es ist nicht ersichtlich, worauf
sich diese Aussage stützen kann. Angesichts der Zuständigkeits-Lastigkeit der
Entscheidungen (z. B. S. 147) ist auch der Ertrag der ausführlichen Behandlung
des englischen Rechts in Kapitel H (S. 106-156) hinsichtlich der
„Geltungsgründe“ für die Bestimmung des Deliktsstatuts gering. In Kapitel J (S.
157-175) berichtet der Verfasser sorgfältig über die Entwicklung von
Rechtsprechung und Literatur des modernen internationalen Deliktsrechts in
Deutschland bis zum In-Kraft-Treten des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen
Gesetzbuch. Der Ertrag für die Zwecke der Arbeit stellt sich jedoch als eher
mager dar. Für eine rechtshistorisch ausgerichtete Arbeit ist es im übrigen
erstaunlich, dass die partikularen Kodifikationen nicht umfassend untersucht
werden. So entgeht dem Verfasser z. B. der für die Zwecke der Dissertation
besonders interessante § 12 des sächsischen Bürgerlichen Gesetzbuchs
(international zwingende Anwendung der sächsischen Sachvorschriften über den
außerehelichen Beischlaf). Hinsichtlich der Rechtsentwicklung vom
In-Kraft-Treten des EGBGB bis zum Erlass der Rechtsanwendungs-Verordnung von
1942 (Kapitel K; S. 176-183) konstatiert der Verfasser, dass die Rechtsprechung
weiter an den bisherigen Lösungen festhält, also die Tatortregel anwendet, die
sie bei Distanzdelikten im Sinne der Ubiquitäts- und Günstigkeitsregel auslegt
(S. 176f.). Nur ganz vereinzelt verdrängt die lex patriae communis das Tatortrecht (S. 179). Erstaunlicherweise
behauptet der Verfasser sinngemäß, dass die grundsätzliche Anwendbarkeit des
Heimatrechts (wessen?) rechtshistorisches Gemeingut sei und die Maßgeblichkeit
des Tatortrechts dementsprechend Ausnahmecharakter aufweise (S. 183, s. auch S.
227). Er meint: „Tatortrecht, nicht Heimatrecht, hat seine Anwendbarkeit zu
begründen.“ (S. 183). Abgesehen von der sprachlichen Problematik dieser
Bemerkung stellt sich die Frage, welches „rechtshistorische Gemeingut“ diese
Behauptung stützen soll. Von den Ergebnissen der Untersuchung des Verfassers
wird diese Behauptung jedenfalls nicht getragen. Unter der Überschrift
„Tatortregel, RAVO und ihre Weiterentwicklung in der Rechtsprechung nach 1949;
Reformvorschläge“ behandelt der Verfasser in Kapitel L (S. 184-212) die jüngste
Entwicklung im deutschen Internationalen Deliktsrecht bis in die Mitte der 90er
Jahre ausführlich und zuverlässig. Dabei liegt der Schwerpunkt zu Recht auf der
sog. Auflockerung der Tatortregel und hier im besonderen auf der „Zurückführung
[der Rechtsanwendungs-VO] auf die Geltungsgründe“ (S. 188ff.); gemeint ist
damit wohl die teleologische Reduktion der Norm. Eine knappe Übersicht über die
Referentenentwürfe des Bundesjustizministeriums von 1984 und 1993
einschließlich der zugrunde liegenden Vorschläge des Deutschen Rates für
Internationales Privatrecht beschließt den darstellenden Teil der Arbeit.
Kapitel M (S. 212-266) fasst die
Ergebnisse der Arbeit unter der Überschrift „Geltungsgründe der in Gesetzen,
Rechtsprechung und Schrifttum gewählten Anknüpfungspunkte“ zusammen. Nach
Auffassung des Verfassers „kann eine Untersuchung der Geltungsgründe von
Anknüpfungspunkten nur falltypisch erfolgen.“ (S. 213). Leider fehlt es in
diesem Zusammenhang an einer Definition dessen, was „falltypisch“ bedeuten
soll: Deliktstypen? grenzüberschreitende Delikte? Streudelikte? Oder meint der Verfasser
- wie die folgende Gliederung nahe zu legen scheint - eine an den Interessen
der Beteiligten ausgerichtete Fallgruppenbildung? Der Hinweis auf die deutschen
Reformentwürfe wirkt hier nicht klärend, weil diese sich gerade nicht an
Deliktsfalltypen orientieren. Keine größere Klarheit bringt die Aussage, dass
„in diesem Sinne ... hier dem Deliktsstatut (!) als Ganzem gemeinsame
Grundsätze unter rechtshistorischen und rechtsvergleichenden Aspekten
herausgestellt werden“ sollen (S. 213). Diesen unter der Überschrift „Die
Anknüpfungsmethode“ stehenden Erörterungen folgt ein Abschnitt über „Die
Notwendigkeit der Interessenbewertung auf Kollisionsrechtsebene“ (S. 214ff.).
Dieser Ansatz wird dann auf verschiedenen Ebenen („Allgemeine
Interessen“/„spezifische Beteiligteninteressen“) ausgeführt. Dabei zeigt der
Verfasser eine deutliche Präferenz für die Anwendbarkeit des am gewöhnlichen
Aufenthalt des Schädigers geltenden Rechts, das er als „Schädigerheimatrecht“
bezeichnet (S. 227f.). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die
Auffassung des Verfassers, den Begriff des „Heimatrechts“ in den darstellenden
Teilen, d. h. bis zum wertenden Schlusskapitel, offen halten zu müssen (S. 4),
methodisch nicht haltbar ist. Der Verfasser verkennt hier offensichtlich die
unterschiedlichen Funktionen eines Berichts und einer Stellungnahme. Im Bericht
muss selbstverständlich im jeweiligen Zusammenhang deutlich gemacht werden, ob
das „Heimatrecht“ durch die Staatsangehörigkeit, den Wohnsitz etc. bestimmt wird.
Nur die wertende Stellungnahme hinsichtlich dessen, was unter „Heimatrecht“
verstanden werden soll, kann in den darstellenden Teilen offen bleiben.
Die vom Verfasser für die Bevorzugung des „Schädigerheimatrechts“ gegebene
Begründung vermag mich nicht zu überzeugen. Soweit sich der Verfasser hierfür
auf „Parallelwertungen im Sachrecht“ (S. 229f.) und hier insbesondere auf den
Verschuldensgrundsatz beruft, ist darauf hinzuweisen, dass der von den Vätern
des Bürgerlichen Gesetzbuchs theoretisch so hoch gehaltene Verschuldensgrundsatz
schon von eben diesen BGB-Vätern und später von der Rechtsprechung durch
zahlreiche Verschuldensvermutungen abgeschwächt wurde und der
post-BGB-Gesetzgeber in zahlreichen wichtigen Sachbereichen
Gefährdungshaftungstatbestände geschaffen hat, so dass heute kaum mehr von der
„Regel“ der Verschuldenshaftung ausgegangen werden kann. Dass
Verschuldensvermutungen und Gefährdungshaftungstatbestände zugunsten des
Geschädigten wirken, liegt auf der Hand. Eine - freilich abzulehnende -
Argumentation aus dem Sachrecht würde also zumindest tendenziell für eine
Bevorzugung des Geschädigten-Heimatrechts sprechen. Auch die vom Verfasser ins
Feld geführten „Parallelwertungen in Teilen des Kollisionsrechts“ (S. 230-232)
sind nicht überzeugend. Insbesondere kann der Hinweis auf das privilegium germanicum des alten Art. 12
bzw. 38 EGBGB, der auf die deutsche Staatsangehörigkeit des Schädigers
abstellte, nun wirklich kein tragendes Fundament für die Bevorzugung des am gewöhnlichen
Aufenthalt des Schädigers maßgebenden Rechts abgeben. Im Übrigen hat der
Verfasser die von der einhelligen deutschen Rechtsprechung seit Jahrzehnten
praktizierte Auflösung der Konkurrenz mehrerer Tatortrechte (bei
grenzüberschreitenden oder Streudelikten) mittels des sog. Günstigkeitsprinzips
zugunsten des Geschädigten und auch den schon im Referentenentwurf des
Bundesjustizministeriums von 1993 enthaltenen jetzigen Art. 40 Abs. 1 EGBGB
gerade gegen sich. Dem Tatortrecht will der Verfasser gegenüber dem
Schädigerrecht nur eine, allerdings in weiten Bereichen akzeptierte,
Ausnahmestellung zubilligen (S. 236). „Geltungsgründe der Tatortregel“ (S. 239)
sieht der Verfasser insbesondere in den Präventivinteressen bei parallelem
Straf- und Zivilrechtsschutz (S. 239ff.), in „wirtschaftlichen Ordnungsinteressen“
(S. 241) und in der „Durchsetzung unerlässlicher Ordnungsvorschriften“ (S.
241f.), wobei der Verfasser insbesondere auf örtliche Sicherheits- und
Polizeivorschriften hinweist. Aus seiner Sicht konsequenterweise will der
Verfasser Tatortinteressen grundsätzlich dort den Vorzug geben, wo es um
verschuldensunabhängige Haftung und um Haftungsregulierung in Großsystemen geht
(S. 242ff.). Unter der Überschrift „Folgerungen für die Tatortbestimmung bei
Distanz- und Streudelikten“ untersucht der Verfasser im Wesentlichen die
Fallgruppen der Produzentenhaftung und des unlauteren Wettbewerbs unter dem
Gesichtspunkt der Tatortbegrenzung, wobei hinsichtlich der Produzentenhaftung
ein klares Ergebnis nicht erkennbar ist (S. 245ff.). Im Prinzip will es der
Verf. bei dem Ubiquitäts- und Günstigkeitsprinzip „mangels besserer
Alternative“ belassen (S. 244); dabei ist allerdings die Auffassung des
Verfassers, dass sich aus der Günstigkeitsregel kein Argument gegen die
Zulassung eines renvoi ableiten lasse (S. 244), sicher nicht haltbar. Die
Günstigkeitsregel zielt immer auf ein bestimmtes sachrechtliches, dem
Geschädigten günstiges Ergebnis, diesem Normzweck würde die Annahme einer
Gesamtverweisung diametral entgegenlaufen (vgl. auch Art. 4 I 1 EGBGB). In dem
folgenden Abschnitt „Grenzen der Tatortinteressen“ (gemeint ist: „Grenzen der
Interessen der Tatortrechtsordnung“) unterscheidet der Verfasser zwischen
Interessenmangel und Interessenüberlagerung. Als wichtigste Erscheinungsform
des Interessenmangels erscheint ihm die (nachträgliche) Rechtswahl, deren
Möglichkeit „nicht gegen Tatortinteressen“ verstoße (S. 253). Das ist für der
Parteidisposition unterliegende Rechtsbeziehungen (wie aber bei
verbraucherbezogenem unlauterem Wettbewerb?) sicher zutreffend, zeigt aber
keinen „Geltungsgrund“ für diese Anknüpfungsregel auf. Die
Rechtswahlvereinbarung als Fall des Interessemangels seitens der
Tatortrechtsordnung zu behandeln, wird dieser Anknüpfungsregel weder
theoretisch noch praktisch gerecht. Im Abschnitt „Interessenüberlagerung“ (S.
254ff.) behandelt der Verfasser hauptsächlich die Anknüpfung an den
gewöhnlichen Aufenthalt der Deliktsbeteiligten in demselben Rechtsgebiet und
die vertragsakzessorische Anknüpfung von Delikten. Während der Verfasser der lex
domicilii communis gegenüber dem Tatortrecht den Vorzug geben will, möchte
er die akzessorische Anknüpfung deliktischer Ansprüche vor territorialen
Präventionsinteressen zurücktreten lassen. Der letzte Abschnitt der Arbeit
behandelt die „Interessen der Heimatrechtsordnung des Schädigers und der
gemeinsamen Heimatrechtsordnung von Schädiger und Geschädigtem“ (S. 259ff.).
Legt man den Gliederungsansatz des Verfassers (Beteiligten-Interessen)
zugrunde, so fällt sofort auf, dass die Interessen der Heimatrechtsordnung des Geschädigten
nicht untersucht werden. Danach verwundert es nicht, wenn der Verfasser dem
„Schädigerheimatrecht“ grundsätzlich den Vorzug geben will.
Leider fehlt eine Zusammenfassung
der Ergebnisse der Arbeit.
Aufs Ganze gesehen, kann man dem
Verfasser bescheinigen, dass er große Mühe auf die Bearbeitung seines Themas
verwendet sowie die Literatur und Rechtsprechung in umfassender Weise
herangezogen und gründlich verwertet hat. In der sorgfältigen Aufarbeitung des
umfangreichen Materials in den rechtsgeschichtlichen und rechtsvergleichenden
Teilen liegt der Hauptwert der Arbeit. Hierfür gebührt dem Verfasser Dank und
Anerkennung. Allerdings sind terminologische und vor allem methodische Mängel
nicht zu übersehen. Bedenken bestehen zunächst in zweifacher Weise gegen den
Haupttitel der Arbeit „Zu den Geltungsgründen des Deliktsstatuts“. Wie sich aus
dem Inhalt der Arbeit ergibt, geht es dem Verfasser nicht um die
„Geltungsgründe“ (Gesetz, Gewohnheitsrecht oder Richterrecht) des
„Deliktsstatuts“, sondern um die rechtspolitischen Gründe. die den
(Kollisions-!)Normen zur Bestimmung des Deliktsstatuts zugrunde liegen.
Insofern ist der Titel der Dissertation irreführend.. Die terminologische
Unklarheit zieht sich durch die gesamte Arbeit hindurch. So verwendet der
Verfasser an manchen Stellen die (irreführende) Terminologie des Titels der
Arbeit (z. B. S. 198, 223), überwiegend spricht er dagegen von Geltungsgründen
für das Deliktskollisionsrecht (S. 222), für Deliktskollisionsnormen bzw.
Deliktskollisionsregeln (S. 93, 133, 147, 200, 218), von den Geltungsgründen
für die Tatortregel (S. 172) oder den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt (S.
195). Im Übrigen ist aus meiner Sicht als Rechtsvergleicher eine culpa in
eligendo bei der Wahl der für die Vergleichung herangezogenen Rechtsordnungen
zu konstatieren. Der Verfasser wählt das französische Recht „als typisch
kontinentaleuropäisches Recht mit aufschlussreicher Entwicklung sowie das
englische Recht als case law“ (S. 3). Die Nichtbehandlung des
Deliktskollisionsrechts in den USA begründet der Verfasser mit der Begründung,
dass dieses Rechtsgebiet von Hohloch bearbeitet worden sei. Die Begründung für
die Wahl Frankreichs ist unschlüssig und auch sachlich nicht gerechtfertigt.
Das „typisch kontinentaleuropäische Recht“ ist kodifiziertes Recht. Nun kann
man zwar den Code civil mit Fug als Prototyp einer Kodifikation des materiellen
Zivilrechts ansehen; das ändert aber nichts daran, dass Frankreich das
Internationale Privatrecht bis heute weder im Code civil noch anderswo
kodifiziert hat. Im Grunde handelt es sich bei dem hier interessierenden
französischen Internationalen Deliktsrecht ebenso um „case law“ wie - bis 1995
- beim englischen Recht. Die Wahl des französischen Internationalen Privatrechts
als Vergleichsordnung ist auch sachlich nicht gerechtfertigt, weil es für das
Anliegen des Verfassers, „internationalprivatrechtliche
Gerechtigkeitserwägungen als Basis für die Formulierung von Kollisionsregeln
vorwiegend in den Falllagen der Judikatur zu suchen“, untauglich ist. Die
französischen Entscheidungen, insbesondere die höchstrichterlichen Urteile,
zeichnen sich ja durch äußerste Kürze und apodiktische, sehr allgemeine
Formulierungen sowie durch das Fehlen jeglicher Belege aus; sie lassen daher
die rechtspolitischen Gründe kaum erkennen. Demgegenüber gibt es eine Fülle von
modernen Kodifikationen des Internationalen Privatrechts in Europa und
anderswo, die vor 1994 in Kraft getreten waren: Zum Teil enthalten diese
Gesetze sehr ausführliche differenzierende Regelungen des Internationalen
Deliktsrechts, deren „Geltungsgründe“ in den Gesetzgebungsmaterialien
nachzulesen sind. Dies gilt z. B. für Artt. 132-142 des schweizerischen
IPR-Gesetzes (1987). Auch die Auswahl des englischen Rechts als einzige weitere
Vergleichsrechtsordnung begegnet Bedenken, weil dieses Recht traditionell einem
internationalzivilprozessualen Ansatz folgt und daher „Geltungsgründe für
Kollisionsnormen“ jedenfalls nicht direkt aus der Rechtsprechung abgeleitet
werden können. Nicht nachvollziehen kann ich die Außer-Acht-Lassung des in den
Vereinigten Staaten von Amerika geltenden Kollisionsrechts, das gerade für die
Frage nach den rechtspolitischen Anknüpfungsgründen umfangreiches und äußerst
interessantes Material geboten hätte. So muss der Rezensent leider feststellen,
dass die Auswahl der Vergleichsrechtsordnungen nicht der lex artis entspricht. Es besteht zwar eine Vermutung zugunsten der
vergleichenden Heranziehung der sogenannten Mutterrechtsordnungen für die
einzelnen Rechtskreise, in casu also
für das französische und englische Recht. Diese praesumtio muss jedoch für jedes in Frage stehende Thema überprüft
werden und erfährt auf diese Weise nicht selten ihre Widerlegung. Dies gilt
gerade auch für den vorliegenden Fall. Die wenig sachgerechte Auswahl der
Vergleichsrechtsordnungen ist um so mehr zu bedauern, als der Verfasser die
Fähigkeit unter Beweis gestellt hat, in fremden Rechten sachgerecht zu
arbeiten. Bei besserer rechtsvergleichender Vorgehensweise hätte die Arbeit ein
großer Wurf werden können.
Würzburg Karl
Kreuzer