Gerber,
Stefan, Zur Ausbildung von Diplomjuristen an der Hochschule des MfS
(Juristische Hochschule Potsdam) (= Berliner juristische Universitätsschriften,
Grundlagen des Rechts 21). Berlin Verlag, Berlin 2000, 416 S.
Mierau,
Johannes, Die juristischen Abschluss- und Diplomprüfungen in der
SBZ/DDR (= Rechtshistorische Reihe 233). Lang, Frankfurt am Main 2000. 276 S.
Beobachter
aus der Bundesrepublik (alt) interessierten sich etwa bis Mitte der sechziger
Jahre für die Juristenausbildung in der Deutschen Demokratischen Republik. Es
dominierten Berichte, welche - im Lichte des „Kalten Krieges“ - vor allem die
Ideologisierung der Juristenausbildung im östlichen deutschen Teilstaat
thematisierten. Seit der zweiten Hälfte der sechziger Jahre ließ das Interesse
für diesen Themenkomplex jedoch stark nach. Erst nach der Wiedervereinigung
wurde das rechtswissenschaftliche Studium in der DDR als Forschungsgegenstand
wiederentdeckt. Erwähnt sei aus diesem Forschungsspektrum hier nur Liwinska, Malgorzata, Die juristische
Ausbildung in der DDR - im Spannungsfeld von Parteilichkeit und Fachlichkeit (=
Akademische Abhandlungen zu den Rechtswissenschaften), Berlin 1997, zugl. Diss.
iur. FU Berlin 1997.
Während Liwinska
einen facettenreichen Gesamtüberblick bietet, beschränkt Mierau, dessen Dissertation in das von Rainer
Schröder an der Berliner HU geleitete Forschungsprojekt „Zivilrechtskultur
der DDR“ eingebettet war, seinen Untersuchungsgegenstand auf die
zivilrechtlichen Examens- (1947-1953) und Diplomarbeiten. Ansätze, die
Examenshausarbeit zu einer Diplomarbeit auszubauen, hatte es bereits in den
fünfziger Jahren gegeben, sie setzten sich jedoch erst mit der Prüfungsordnung
von 1966 und der 3. Hochschulreform 1967 endgültig durch und wurden schließlich
in der Diplomordnung vom 21. Januar 1969 geregelt. Ein Großteil der - zu
DDR-Zeiten zunächst an den Universitäten aufbewahrten - Arbeiten wurde nach der
„Wende“ vernichtet, so daß Mierau letztlich „nur“ 103 Examenshausarbeiten und
136 Diplomarbeiten zur Verfügung standen. Um das „Dilemma des dürftigen
Quellenmaterials“ (S. 36) etwas abzumildern, sollten in der DDR ausgebildete
Juristen mittels eines Fragebogens um ihre Einschätzung der Ausbildung in der
DDR ersucht werden, allerdings ohne großen Erfolg; nur sechzehn Personen
antworteten, so daß - berücksichtigt man noch den eingeschränkten Quellenwert
von auf solchem Wege gewonnenen Aussagen - dieser Ansatz als gescheitert
angesehen werden muß.
Es
verwundert daher nicht, daß der eigentliche Hauptteil der Untersuchung - die
inhaltliche Analyse der Examens- und Diplomarbeiten - nicht sehr umfangreich
ausfällt. Breiten Raum widmet Mierau demgegenüber der Darstellung der
Entwicklung der juristischen Abschlußprüfungen vom Kriegsende bis zum Ende der
DDR. Hier gelingt dem Verfasser eine detailreiche Schilderung, die wichtige
Etappen wie die Zentralisierung des Prüfungswesens Anfang der fünfziger Jahre,
die Abschaffung des juristischen Vorbereitungsdienstes und des Zweiten
Staatsexamens 1953 oder die Aufteilung des Studiums in die Zweige
„Rechtspflege“ und „Wirtschaft“ 1963 behandelt. Allerdings verharrt die
Untersuchung zu sehr bei der Darstellung, es fehlen Fragestellungen, welche zu
einer problematisierenden Interpretation führen könnten. Etwa zur Beantwortung
der aufgeworfenen Frage, wie weit die Juristenausbildung in der DDR „normal“
war (S. 22), trägt das Nachzeichnen der Umorganisation und Umbenennung der
Abschlußprüfung nicht sehr viel Wesentliches bei. Es hätte zum Beispiel viel
präziser herausgearbeitet werden können, wer im einzelnen für die Einführung
des Diplom-Titels war, was für materielle, inhaltliche Änderungen im
Prüfungsstoff damit verbunden sein sollten und wer auf der anderen Seite für
eine Beibehaltung des Examens eintrat. Vor allem hätte die Frage deutlicher
beantwortet werden müssen, ob der Wechsel zum „Diplomjuristen“ nur ein
deklaratorisches Absetzen von der älteren deutschen Rechtsentwicklung war, oder
ob damit tatsächlich tiefgreifende Veränderungen für die Studenten verbunden
waren. Ähnliches gilt für die Aufteilung des Studiums in Rechtspflegejuristen
und Wirtschaftsjuristen, auch hier wäre eine breitere Diskussion angebracht
gewesen. Schließlich, um nur noch einen weiteren Punkt zu nennen, wäre auch die
Haltung der Studenten ein interessantes Thema gewesen: wie etwa gingen sie mit
der verstärkten Einbindung des Stoffs des „gesellschaftlichen Grundstudiums“ in
die Prüfungen um?
Für die
Frage nach Kontinuität und Wandel in der Zivilrechtslehre der DDR
gewinnbringender ist die inhaltliche Analyse der von Mierau aufgefundenen
Arbeiten. Die zivilrechtlichen Examenshausarbeiten bis 1953 waren, so Mierau,
„zeitlos“, d. h., sie dürften sich kaum von vergleichbaren zivilrechtlichen
Hausarbeiten in der Bundesrepublik unterschieden haben, was der Verfasser -
etwas ungelenk - durch den bloßen Abdruck eines als Hausarbeit gestellten
Sachverhalts aus jener Zeit demonstriert. Eine starke Ideologisierung erhielt
die Abschlußprüfung für Juristen zwischen 1950 und 1953 jedoch dadurch, daß
neben der Hausarbeit zu einem konkreten Rechtsfall Themenhausarbeiten aus dem
Bereich der Gesellschaftswissenschaften gestellt wurden. Zu diesem wichtigen
Bereich wäre eine vertieftere inhaltliche Analyse wünschenswert gewesen.
Bei den
Diplomarbeiten der siebziger und achtziger Jahre handelt es sich ausschließlich
um Themenarbeiten, wobei auffällt, daß Arbeiten zum Staats- und
„Verwaltungs“recht dominierten, gefolgt von Zivil-, Wirtschafts- und
Strafrecht. Themenarbeiten mit stärker ideologischer Prägung (also aus
Bereichen wie der marxistischen Rechtstheorie oder des
„gesellschaftswissenschaftlichen“ Studiums) standen demgegenüber eindeutig im
Hintergrund. Wenn Mierau dies damit begründet, das theoretische Niveau habe die
Studenten von solchen Arbeiten abgehalten (S. 127), so ist diese Begründung
jedoch zu kurz und zu oberflächlich. Hier wäre die Frage angebracht gewesen, ob
es nicht vor allem Bemühungen der Zivilrechtslehrer waren, ihr Fach von der
Ideologie weitgehend frei zu halten, welche auf eine Zurückhaltung in diesem
Bereich führten. Eine solche Fragestellung hätte dann etwa zu einer Anbindung
an die Forschungen zu professionellen Eliten in der DDR führen können.
Als einen
der wichtigsten inhaltlichen Punkte stellt Mierau neben der Praxisorienteriung
der Themen heraus, daß in den Arbeiten das DDR-typische Verständnis vom Recht
als einem der Politik untergeordneten Mittel zum Ausdruck gekommen sei. Hier
hätte jedoch die praktische Relevanz dieser Annahme für die konkrete Anlage der
Diplomarbeiten herausgearbeitet werden müssen. Insgesamt bleibt das von Mierau
gezeichnete Bild von der „Zivilrechtskultur“ der DDR und ihrer Auswirkung auf
die inhaltliche Ausgestaltung des Studiums des Privatrechts zu abstrakt und
damit zu blaß. Dies liegt an der gewählten Methode: Die etwa über hundert
Diplomarbeiten werden hauptsächlich quantitativ, nach in Statistiken und
Balkendiagrammen erfaßbaren Kriterien bearbeitet. Symptomatisch für ein solches
Vorgehen sind zum Beispiel breite Ausführungen zu den Formalia der Arbeiten (S.
135f.). So erfährt der Leser, daß die Arbeiten teilweise Anlagen und
Abkürzungsverzeichnisse hatten und in der Regel mit sechzig Anschlägen pro
Zeile geschrieben wurden. Auch die Feststellungen, daß in den Arbeiten insgesamt
wenig Literatur verwandt wurde, vor allem kaum westliche Literatur und daß sie
zumeist eine ideologisch gefärbte, aus Klassiker- und Parteiliteraturzitaten
schöpfende Einleitung besaßen, sind nicht neu.
Nach dieser kursorischen Gesamtbetrachtung der untersuchten Arbeiten, die wie angedeutet recht stark am Formalen und am Allgemeinen hängt, hätte der Leser sich jedoch eine viel tiefere inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Zivilrechtsverständnis der DDR - wie es Studenten gelehrt und von diesen in ihren Abschlußarbeiten angewandt wurde - gewünscht. Dazu hätte beispielsweise schon genügt, daß einige repräsentative Arbeiten inhaltlich ausführlicher interpretiert worden wären, um so ein lebendigeres Bild zu erhalten.
Während bei
Mierau die Studieninhalte also zu blaß bleiben, neigt Stefan Gerber, welcher sich der Geschichte der
„Juristischen Hochschule“ (JHS) des Ministeriums für Staatssicherheit in
Potsdam-Eiche widmet, ein wenig zum gegenteiligen Extrem. Gerbers Arbeit steht
unter der Leitfrage, inwieweit das Studium an der JHS des MfS den dafür
verliehenen Grad des „Diplom-Juristen“ rechtfertigte. Als Aufhänger dient die
Frage, ob es gerechtfertigt war, im Einigungsvertrag (und den damit
zusammenhängenden gesetzlichen Bestimmungen) den Diplom-Juristen aus Eiche den
Zugang zu juristischen Berufen zu verwehren, während das an einer Universität
erworbene Diplom dem westdeutschen Ersten Staatsexamen gleichgestellt wurde (s.
dazu Mierau S. 214ff.).
Um diese
Frage beantworten zu können wählt Gerber den Weg, nach einem gut lesbaren,
gerafften Abriß der Geschichte der 1951 gegründeten JHS (S. 26-50), „die
Studieninhalte möglichst detailliert darzustellen“. Auf rund 140 Seiten bietet
Gerber einen akribischen Überblick über zwölf Lehrgebiete, die von „Grundlagen
des Marxismus-Leninismus“ bis hin zu Russisch und militärischer Ausbildung
reichten. Im Vergleich mit der Ausbildung an zivilen Universitäten zeigt
Gerber, daß eigentlich juristische Fächer an der JHS völlig im Hintergrund
standen (vor allem fehlte das Zivilrecht), da es hauptsächlich darum ging, die
Absolventen auf ihren praktischen Einsatz in der operativen Tätigkeit im
Ministerium für Staatssicherheit vorzubereiten. Entsprechend bedeutsam waren
demnach Lehrgebiete wie „die Arbeit mit Inoffiziellen Mitarbeiten (IM)“, „die
Bearbeitung von operativen Vorgängen“ oder „operative Psychologie“.
Indem
Gerber diese Darstellung der Studieninhalte mit Ausführungen zum Lehrpersonal,
zu den Absolventen und zum Studienalltag ergänzt, entsteht ein sehr lebendiges
Bild vom Mikrokosmos der MfS-Hochschule, wobei gut deutlich wird, daß der Titel
„Diplom-Jurist“ nur deklaratorischen, ja verschleiernden Charakter besaß.
Tatsächlich wurden an der JHS eben Geheimdienstoffiziere ausgebildet, für die
gerade die Überprüfung ihres Handelns an rechtsstaatlichen Maßstäben
zweitrangig war.
Kritisch
ist allerdings anzumerken, daß Gerber bei der Darstellung der Studieninhalte zu
stark an seiner Quellengrundlage klebt. Der Verfasser stützt die Beschreibung
der einzelnen Lehrgebiete weitgehend auf einige Studienordnungen der JHS aus
den achtziger Jahren, wobei beim Leser der Eindruck zurückbleibt, daß es sich
bei der Darstellung in weiten Passagen lediglich um Paraphrasierungen dieser
Studienordnungen handelt. Hier wäre insgesamt eine kritischere Distanz, ein
weiterführender, selbständiger Interpretationsansatz wünschenswert gewesen. Um
am Ende die einzige Leitfrage, ob die JHS-Studenten zu Recht als „Juristen“
bezeichnet wurden oder nicht, im Sinne der durch die Politik 1989/90
getroffenen ablehnenden Entscheidung zu beantworten, wirkt die Darstellung der
Studieninhalte demnach auf den Leser etwas zu aufgebläht. Dennoch ist Gerbers
Untersuchung ein wertvoller Beitrag zur Geschichte des MfS.
Norderstedt Sven Korzilius