KöblerDeutsch20010914 Nr. 10449 ZRG 119 (2002) 80
Deutsch als Wissenschaftssprache im 20. Jahrhundert. Vorträge des Internationalen Symposions vom 18./19. Januar 2000, hg. v. Debus, Friedhelm/Kollmann Franz Gustav/Pörksen, Uwe (= Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Abhandlungen der Geistes- und Sozialwissenschaftlichen Klasse, Jahrgang 2000, Nr. 10). Steiner, Stuttgart 2000. 314 S.
Vielleicht begann die den Menschen kennzeichnende
Sprache einst an einem einzigen Ort, vielleicht an mehreren von einander
getrennten Stellen. Danach jedenfalls ergab sich mit dem Gedeihen der
Menschheit auch eine beeindruckende Vielfalt ihrer unterschiedlichen Sprachen.
Die gegenwärtige Verdichtung der Kommunikation der vernetzten Welt erlebt
diesen Reichtum als problematisch.
Der Grund dieser Schwierigkeit scheint die
Knappheit der Mittel zu sein. Wohl schon seit Beginn des Lebens gibt es die
Suche nach guten Lebensbedingungen. Ihrer Erlangung dienen auch unter den
Menschen Wettbewerb und Auseinandersetzung.
In diesem Ringen wechseln Gewinn und Verlust, Sieg
und Niederlage, Entstehen und Vergehen. Soweit uns unser Wissen den Rückblick
in die Vergangenheit gestattet, ist nichts so beständig wie der Wandel. Dies
gilt auch und gerade für die Sprache.
Dass Deutsche das Deutsche am meisten betrifft,
ist natürlich. Deswegen kann es nicht überraschen, dass eine Krise des
Deutschen Deutsche am stärksten tangiert. Darum müssen sie sich in erster Linie
damit analytisch befassen.
Der Akademie der Wissenschaften und der Literatur
in Mainz ist ein internationales Symposion zu verdanken, das Deutsch als
Wissenschaftssprache im 20. Jahrhundert thematisierte. In 23 Beiträgen wurde
dort die Entwicklung des Deutschen in der wissenschaftlichen Welt betrachtet.
Sie besteht im Kern im Glanz des 19., vom Werden des deutschen Nationalstaats
gekennzeichneten Jahrhunderts und im kaum aufhaltbar erscheinenden Niedergang
seit dem ersten Weltkrieg.
Die Mehrzahl der Referate befasst sich mit dem Deutschen als Ganzem (Franz Gustav Kollmann, Hans-Martin Gauger, Konrad Adam, Ulrich Ammon, Jürgen Schiewe, Joachim Nettelbeck, Gerhard Stickel, Hartmut Schmidt, Heinrich Detering). Besondere regionale Aspekte bieten Untersuchungen des Deutschen in Skandinavien (Cathrine Hansen-Fabricius), im östlichen Mitteleuropa (Csaba Földes) und in Osteuropa (Günter Höhne). Nach einzelnen Sachgebieten differenzieren Armin Hermann (Physik), Wolfgang Gerok (Medizin), Gerhard Pahl und Günter Höhne (Ingenieurwissenschaften), Hans Hattenhauer (Rechtswissenschaft) sowie Helmut Hesse (Nationalökonomie).
Gemeinsam wird die geschichtliche Überlegenheit
des aus der kriegerischen Begegnung der Angelsachsen mit den Normannen
erwachsenen und damit zum vereinfachenden Ausgleich gezwungenen, infolge
frühneuzeitlicher und imperialistischer Kolonialpolitik weltweit ansässigen
Englischen erkannt. Für das Deutsche wird außer dem Bewusstseinswandel auch ein
Politikwechsel angestrebt. Als einleuchtende, aber nur bei Wahrung
wissenschaftsgeschichtlich erkannter Bedingungen erfolgreiche Zielsetzung jeder
konkurrierenden Sprache erweist sich die Güte des unter ihrer Verwendung
hergestellten Erzeugnisses.
Wahrheit erlaubt Freiheit. Freiheit ermöglicht
Leistung. Leistung schafft Wissen. Wissen ist Macht. Macht begründet Wohlstand.
Vielleicht gelingen bei Anerkennung, Wahrung und Förderung von Wahrheit,
Freiheit und Leistung, Wissen, Macht und Wohlstand. Das verdienstvolle
Symposion ist jedenfalls eine wichtiger Beitrag zur
Problemerkenntnis.
Innsbruck Gerhard
Köbler