JohannesFößel20010821 Nr. 10307 ZRG 119 (2002) 31

 

 

Fößel, Amalie, Die Königin im mittelalterlichen Reich (= Mittelalter-Forschungen 4). Thorbecke, Stuttgart 2000. 443 S., 16 Abb.

 

In der bei Peter Segl in Bayreuth entstandenen Habilitationsschrift bringt Amalie Fößel eine bisher stark vernachlässigte Personengruppe innerhalb des Reiches näher. Herrscherinnen - oft gesalbt und gekrönt - nahmen zwar durchaus an der Herrschaftsausübung am und im Reich durch ihren Gemahl - später unter Umständen auch durch die Regentschaft - teil. Dabei konnten sie auch im Schatten - nicht nur in der historischen Forschung! - verbleiben. Deshalb ist eine weitere intensive Beschäftigung mit dem Themenkomplex wünschenswert.

Frau Fößel ordnet das Thema mit den Bereichen „Status der Königin“ (S. 15-92), „Rahmenbedingungen für die Herrschaftsausübung der Königin“ (S. 93-150), „Aufgabenbereiche der Königin“ (S. 151-250), „Die Königin im Kräftefeld politischer Macht“ (S. 251-316) und „Stellvertretung im Königtum“ (S. 317-372). Im abschließenden Resümee zieht Frau Fößel Bilanz unter den Stichworten „Herrschaftsausübung“, „Herrschaftsrechte“ und „Handlungsspielräume der Königin im mittelalterlichen Reich“ (S. 373-388).

1. Der gediegen gestaltete Band wurde mit sechzehn, zumeist farbigen Bildern ausgestattet. Die Schwerpunkte bilden die Ottonen- und Salierzeit (6) sowie das Spätmittelalter (8), während die Stauferzeit mit nur zwei Abbildungen vertreten ist. Generell drängt sich dem Rezensenten der Verdacht auf, daß der Abbildungsbefund symptomatisch für das Werk an sich, und somit die Stauferzeit nur sehr knapp vertreten ist, wobei dafür kaum Anlaß besteht.[1] Dieser Befund wird - zumindest teilweise - auch durch die bisherige Forschung gedeckt: Arbeiten wurden hauptsächlich den hochmittelalterlichen Herrscherinnen gewidmet - entweder in Gesamt[2]-, oder Einzeldarstellungen. Frau Fößel räumt in ihren Ausführungen zum Spätmittelalter - hier fehlen gänzlich neue Studien zur Rolle der Kaiserin/Königin in ihrem Amte bzw. als Person - ein, daß „die das Spätmittelalter in den Blick nehmenden Passagen deshalb als erste Skizzen zu bewerten sind, die lediglich Tendenzen und Entwicklungen anzusprechen beabsichtigen“[3]. Dies ist in gewissem Sinne richtig, aber auch irreführend, da die Verfasserin erst durch ihre Synthese des bisherigen Kenntnisstandes das Bewußtsein für die Desiderate der Spätmittelalterforschung schärft, in dem sie die bisherige Forschung darstellt und so sicherlich zu weiteren nötigen Arbeiten anregen wird.

Das umfangreiche Werk ist freilich nicht der Prosopographie verpflichtet, der Anschluß an die in Anmerkung 2 genannten Arbeiten wird durch den politik- und rechtsgeschichtlichen Impetus gegeben. Die Frage, die sich dem Rezensenten aufdrängt, ist jedoch, ob das der richtige Weg ist. Denn dem mittelalterlichen Reich fehlte die geschriebene Verfassung, aus der man herauslesen konnte, wer welches Amt auszufüllen, und wie dies zu geschehen habe. Anders formuliert: Daß die Königsnähe den Grad des Einflusses bedingte, nicht aber ein wie auch immer geartetes Amt - was bedeutet, daß die Königin nicht in erster Linie durch ein Amt ihren Einfluß geltend machte, sondern durch ihre persönliche Nähe und Vertrautheit zum König. Daß dies nicht expressis verbis in den Quellen genannt wird, ist nur zu verständlich. Im Mittelalter wirkte Herrschaft über Personen, nicht über Institutionen; Akten- und Bürokratenzeitalter folgten erst erheblich später - zumindest im Reich.

2. „Insgesamt ist somit durch die Überlieferungsform der Ordines nicht zu klären, warum es im hohen Mittelalter ausschließlich getrennte Krönungstermine gegeben hat, die dann seit dem Ende des 12. Jahrhunderts überwiegend durch gemeinsame Krönungen des Königspaares abgelöst wurden, was sich, wie bereits festgestellt, ebenfalls in den Ordines niedergeschlagen zu haben scheint. Denn auch eine als eigene Feier abgehaltene Königinnen-Krönung hätte in den genannten Fällen in einem variabel denkbaren zeitlichen Abstand - unmittelbar anschließend, am folgenden Tag oder einige Tage später - am selben Ort wie die Königskrönung vollzogen werden können.“[4]

Wie es scheint, übersieht Frau Fößel an dieser Stelle einige Grundprinzipien mittelalterlicher Herrschaft: Die Ausübung der Herrschaft vollzog sich im Reisen, im Sich-Darstellen, durch Präsenz vor Ort - bei den Großen des Reiches. Das heißt, das Königtum hätte sich der großen Chance begeben, sich selbst darzustellen, sein Vorhandensein sinnfällig aufzuzeigen und vor allem seine Huld nicht auf einen Großen, in diesem Fall den Coronator zu beschränken.[5] Daß diese Gründe nicht - und gerade nicht - in Ordines tradiert und genannt werden, dürfte einleuchtend sein, „denn die Ordines sind liturgische Texte“[6]. Die Wirksamkeit der Herrschaftsausübung verband sich mit der Präsenz vor Ort, d. h., die Regierung wurde mit und durch die persönliche Anwesenheit des Herrschers ausgeübt. Dieses Präsenzprinzip des Königs als Grundbedingung mittelalterlicher Königsherrschaft wird auch deutlich im - hauptsächlich in Reichsitalien ausgeübten - Königsgerichtsvorsitz, bei Frau Fößel deutlich gemacht ab S. 153. Den Repräsentations-„Pflichten“ hinzuzufügen wäre für das Spätmittelalter als Beispiel auch das kurz erwähnte Konstanzer Konzil - hier vermißt man aber die Studien Hermann Heimpels[7]. Zur Beendigung des Alexandrinischen Schismas, hier fehlt das Werk Johannes Laudages[8] völlig, im Vertrag von Venedig, stellt Frau Fößel fest, daß Kaiserin Beatrix nicht nur in die Verhandlungen involviert, sondern auch direkter Vertragspartner war. Von besonderem Interesse ist ihre Erkenntnis, daß „das in ottonischer und salischer Zeit praktizierte Modell der Regentschaftsübernahme durch die Kaiserin für den Fall eines frühen Todes des Kaisers insofern auch in staufischer Zeit nach wie vor aktuell war“[9], da Beatrix bei einem vorzeitigen Tode ihres Gatten die Regentschaft für den noch minderjährigen Heinrich VI. hätte übernehmen sollen.

Bei der Untersuchung Margarete von Hennegaus sowie der Konflikte Ludwigs des Bayern mit den Päpsten erstaunt das Fehlen wichtiger Werke Jürgen Miethkes[10] und Hilary Seton Offlers.

3. Vereinzelt finden sich in dem Band auch Druckfehler und andere Unaufmerksamkeiten. S. 115 (Anm. 176): Heinrich VI. war 1188 noch nicht Kaiser; S. 124: Der für Gandersheim zuständige Ortsbischof war zum Zeitpunkt des Streitbeginns nicht Bernward, sondern Osdag von Hildesheim; S. 359: Friedrich II. wurde am 26. 12. 1194 geboren, nicht am 21. 11. 1194, wie Frau Fößel - entgegen der durch historische Quellen belegbaren Auffassung - schreibt.

Leider liegen die von Frau Fößel benutzten ungedruckten Quellen nicht in edierter Form im Anhang vor. Es wäre ein zusätzliches Verdienst Frau Fößels dies in geeigneter Form nachzuholen.

Ein Personen- und Ortsregister beschließt den Band.

Ingesamt läßt sich das Werk als sehr gelungene Leistung einstufen.

 

Billigheim-Ingenheim                                                               Klaus-Frédéric Johannes



[1] Beispielsweise wird dies auf S. 181 deutlich, wo Frau Fößel schreibt: „Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß sich die Mitregierung der Königin bei der Vergabe von Lehen an weltliche Fürsten im Verlauf des Mittelalters in ihren Voraussetzungen geändert hatte. In ottonischer und salischer Zeit konnte sie auf allen Ebenen des Belehnungsvorganges, sei es durch Intervention oder durch die Übernahme bestimmter Aufgaben in Stellvertretung des Königs, wie auch in allen Reichsteilen agieren. Ihre Beteiligung an der Reichspolitik war ein allgemein akzeptierter Faktor. Im Zeitalter der Staufer scheint sich ihr Handlungsspielraum erheblich zu verengen. Er verlagerte sich jetzt besonders in ihre Erblande, wobei die Herrschaftsausübung durch Erbrecht legitimiert erscheint.“

[2] Als Beispiele für frühere, allgemeinere Darstellungen seien nur erwähnt: Kirchner, Max, Die deutschen Kaiserinnen in der Zeit von Konrad I. bis zum Tode Lothars von Supplinburg, 1910; Kowalski, Wolfgang, Die deutschen Königinnen und Kaiserinnen von Konrad III. bis zum Ende des Interregnums, 1913; Jäschke, Kurt-Ulrich, Notwendige Gefährtinnen. Königinnen der Salierzeit als Herrscherinnen und Ehefrauen im römisch-deutschen Reich des 11. und beginnenden 12. Jahrhunderts, 1991; Vogelsang, Thilo, Die Frau als Herrscherin im hohen Mittelalter. Studien zur „consors regni“-Formel, 1954.

[3] Fößel, S. 14.

[4] Fößel, S. 45.

[5] In anderem Zusammenhang schreibt Frau Fößel: „Die Herrschaftsausübung mittelalterlicher Könige war an die Gegenwart ihrer Person gebunden, was zur Folge hatte, daß sie mehr oder weniger ständig im Reich umherzogen. In diese Reisetätigkeit war auch die Königin eingebunden.“ (S. 95).

[6] Elze, Reinhard (Hg.), Die Ordines für die Weihe und Krönung des Kaisers und der Kaiserin, 1960, S. IX.

[7] Fößel, S. 117 und 221. Heimpel, Hermann, Königlicher Weihnachtsdienst auf den Konzilien von Konstanz und Basel, in: Tradition als historische Kraft. Interdisziplinäre Forschungen zur Geschichte des früheren Mittelalters. Karl Hauck zum 21. XII. 1981 gewidmet, hg. von Norbert Kamp und Joachim Wollasch, 1982, S. 388-411; Heimpel, Hermann, Königlicher Weihnachtsdienst im späteren Mittelalter, DA 39 (1983), S. 131-206.

[8] Laudage, Johannes, Alexander III. und Friedrich Barbarossa, 1997.

[9] Fößel, S. 312.

[10] Z. B. Miethkes Synthese in seinem Artikel „Ludwig IV., der Bayer“, in: TRE 21 (1991), S. 482-487.