HattenhauerSchroeder20010625 Nr. 10403 ZRG 119 (2002) 00
Schroeder, Klaus-Peter Vom Sachsenspiegel zum Grundgesetz. Eine
deutsche Rechtsgeschichte in Lebensbildern, Beck München, 2001, XIV u. 277 S.
Wer den fundamentalen Wandel im
Selbstverständnis der deutschen Rechtshistoriker des 20. Jahrhunderts mit
Händen begreifen will, muss neben diesen vergleichsweise schmalen Band die
dickleibigen, von allen zitierten und nur von wenigen wirklich studierten
„Große(n) Rechtsdenker“ Erik Wolfs legen. Was haben wir uns damals an jenem
Werk abgemüht, anfangs staunend vor so viel Gelehrsamkeit, sodann immer
häufiger ermüdet mehrere Seiten mit der Frage überschlagend, wann der Autor
denn nun endlich zur Sache komme. Anschließend haben wir uns dann gefragt, was
wir von alledem eigentlich behalten hatten. Mit Klaus-Peter Schroeders Buch
dagegen wird es dem Leser genau umgekehrt ergehen. Der Verfasser wirbt
unablässig und geschickt um das Interesse und Verstehen seiner Leser. Jeder
Satz strotzt von Informationen, nirgends wird geschwafelt. Man sollte und kann
das Buch einem Anfänger in die Hand geben, der sich in die Rechtsgeschichte
einlesen will. Er wird es mit Gewinn lesen, um beim dritten Durchgang zu
merken, dass er den hohen Informationswert des Buches noch immer nicht voll
ausgeschöpft hat. Der Verfasser weiß, dass er seinen Gegenstand wie ein
Missionar an den Mann bringen muss und Rechtsgeschichte sich heute nicht mehr
von selbst verkauft. Das eben gibt dem Buch seinen gewinnenden, anschaulichen
Charakter.
Das Recht wird hier durch Menschen zur
Anschauung gebracht. Auch darin offenbart sich eine neue Sicht der Geschichte.
Nicht die großen Ideen tun ihr Werk als solche unabhängig von den
Persönlichkeiten und Eigenarten ihrer Verkünder, wie man dies lange Zeit
behauptet und geglaubt hat; nicht wird scharf zwischen Autor und Werk mit dem
Hinweis unterschieden, dass es auf die Person eigentlich nicht ankomme, wo es
um Ideen gehe. Schroeder weiß vielmehr, dass auch die wissenschaftlichen Werke,
wie Goethe es formulierte, „Bruchstücke einer großen Konfession“ ihrer
Verfasser sind, dass Person und Werk nicht voneinander
geschieden werden können. Dabei fällt der Verfasser nicht etwa in das andere
Extrem, nach welchem das Werk allein durch die Person seines Verfassers erklärt
wird. Er beschreibt vielmehr einerseits anschaulich seine Lebensbilder, stellt
diese aber geschickt in deren größerem kulturellem, politischem und
rechtshistorischem Rahmen vor, so dass man durch die Augen der beschriebenen
Menschen deren Zeit betrachten lernt, um so auch deren Werk erst wirklich zu
verstehen. So werden anhand von Biographie und Kulturraum Einzelbeobachtungen
wie in einem Mosaik miteinander verknüpft, so dass in der Tat die versprochene
„deutsche Rechtsgeschichte“ dabei herauskommt. Natürlich kann man über die
getroffene Auswahl der beschriebenen Lebenswege streiten. Das weiß auch der
Verfasser. Doch muss man ihm bestätigen, dass er sein Personal im Großen und
Ganzen gut ausgewählt hat: Auf das Kapitel „Eike von Repgow (etwa 1180-1235) -
Schöpfer des Sachsenspiegels“ (S. 1-18) folgen: „Ulrich Zasius (1461-1535) -
Ein deutscher Rechtsgelehrter im Zeitalter des Humanismus“ (S. 19-38), „Johann
Freiherr von Schwarzenberg (1463-1528) ,Liebhaber des Rechts und Reformator der
Strafrechtspflege“' (S. 39-62), „Der Dreißigjährige Krieg, das Alte Reich und
Samuel von Pufendorf (1632-1694)“ (S. 63-83), „Anton Friedrich Justus Thibaut
(1772-1840), Friedrich Carl von Savigny (1770-1861) und der Weg zur deutschen
Rechtseinheit“ (S. 85-113), „Robert von Mohl (1799-1875) - Staatsrechtslehrer
und erster Reichsjustizminister Deutschlands“ (S. 115-136), „Gottlieb Planck
(1825-1910) - „Ziehvater des BGB“ (S. 137-160), „Adolf Wach (1843-1926) - Ein
,Klassiker' der modernen deutschen Prozessrechtswissenschaft“ (S. 161-176), „Im
Dienste des Unrechts: Erwin Bumke (1874-1945 - Letzter Präsident des
Reichsgerichts“ (S. 177-199), „Hilde Benjamin (1902-1989) -Symbolfigur der
DDR-Justiz“ (S. 201-227) und „Carlo Schmid (1896-1979) - Vordenker der
Bundesrepublik Deutschland“ (S. 229-259). Ein gründlich gearbeitetes Register
zeigt schließlich auf den ersten Blick, wie viel Sachwissen der Verfasser bei
der Darstellung dieser Lebensbilder eingebracht hat.
Es fällt schwer, an dieser geschickten,
reichhaltigen und um den Leser werbenden Darstellung Wesentliches anzumerken
oder gar zu kritisieren. Immerhin: Ein anderer Titel wäre wohl zu empfehlen
gewesen, zumal die Verwechslung mit einem ähnlich klingenden älteren nicht
auszuschließen ist; die „Vom ... zum ...-Titel“ und die „Zwischen ... und
...-Titel“ haben sich heute etwas verbraucht, so dass hier bereits der
Untertitel genügend über den Gegenstand des Buches ausgesagt hätte. Überflüssig
war auch der eingangs erklärte Jammer um die in ihrer Existenz bedrohte
Rechtsgeschichte. Wer ein solches Buch verfasst, hat schließlich selbst am
besten verstanden, was heute von Rechtshistorikern verlangt wird, damit ihr
Fach nicht abstirbt. Die Beweislast für den von Heinrich Mitteis beschworenen
„Lebenswert der Rechtsgeschichte“ tragen doch die Rechtshistoriker selbst; da
sie aber hier erbracht wird, hatte der Verfasser eigentlich keinen Grund zum
Jammern, wäre Stolz und Selbstbewusstsein eher angebracht gewesen. Auffällig
ist zudem, dass die Galerie keinen Vertreter des Rechts der Aufklärung enthält,
Christian Wolff hätte die Sammlung sicher gut geschmückt. Auch die
Zeitgeschichte der alten Bundesrepublik ist noch unbesetzt; wie wäre es mit
einem Lebensbild von Franz Wieacker? Oder sollte man in einer sicher bald
fälligen Neuauflage nicht doch auch den europäischen Horizont ausleuchten und
aus jedem seiner großen Rechtskulturen wenigstens einen Vertreter vorstellen?
Für die Verbesserung der Typographie wäre eine stärkere Gliederung in Absätze
zu wünschen und eine markantere Hervorhebung der Zitate, wobei zudem keine
lateinische Wendung unübersetzt geboten werden sollte. Schön sind die Porträts
der beschriebenen Personen. Vielleicht aber könnte man hier und dort an
passender Stelle auch eine Landkarte bieten? Schließlich wäre zu raten, dass
die sehr hilfreichen Literaturlisten am Schluss der Kapitel die wichtigsten
Quellentexte in ihren am leichtesten zugänglichen Editionen gesondert
mitteilen. Aber solche Wünsche sind Kleinigkeiten im Vergleich zu dem Wert
eines Buches, aus dem nicht nur der junge rechtshistorische Laie, sondern auch
der altgediente Fachmann Neues erfahren kann. Das Buch ist mehr als eine
unterhaltsame Lektüre und sollte alsbald in die Leselisten für das Wahlfach
Rechtsgeschichte aufgenommen werden.
Kiel Hans
Hattenhauer