Olechowski-Hrdlicka,
Karin, Die gemeinsamen Angelegenheiten der
Österreichisch-Ungarischen Monarchie. Vorgeschichte – Ausgleich 1867 –
Staatsrechtliche Kontroversen (= Rechtshistorische Reihe 232). Lang, Frankfurt
am Main 2000. 552 S.
Die
Geschichte der Habsburgermonarchie erfährt in der österreichischen Forschung
seit den 1980er Jahren eine erfreulicherweise verstärkte Aufmerksamkeit.
Sichtbarster Ausdruck war der Beginn der Arbeiten an dem mehrbändigen Werk „Die
Habsburgermonarchie“, einem gemeinsamen Projekt österreichischer und
ungarischer Historiker. Eine internationale Zusammenarbeit bietet sich hier
besonders an, denn die Donaumonarchie war mehrfach in die europäische
Rechtsgeschichte eingebunden: Es handelte sich um eine supranationale
Organisation eines Vielvölkerstaates im europäischen Zeitalter des
Spätliberalismus. Außerdem wird an die gesellschaftspolitische sowie an die
juristische Modernisation der Länder innerhalb der
Habsburgermonarchie angeknüpft. Am Ende einer langen Verfassungsentwicklung,
angefangen beim Absolutismus, sollten nun die Prinzipien des
Konstitutionalismus in Verbindung mit der nationalen Selbständigkeit
verwirklicht werden. Den gemeinsamen Angelegenheiten der Donaumonarchie, einem
in diesem Zusammenhang zentralen Thema, widmet sich die hier zu besprechende
Arbeit, die als Dissertation an der Universität Wien angenommen wurde.
Das Werk behandelt einerseits und weitgehend referierend die wichtigsten
Etappen der Verfassungsentwicklung, wobei die Verfasserin
weniger eine komplexe Fragestellung bearbeiten will als in jenem Lehrbuchstil
vorgeht, der schon ein anderes kürzlich publiziertes Buch von ihr auszeichnet.[1] Andererseits präsentiert die Verfasserin aber
auch, und dies darf als methodisch ungewöhnlich gelten, einen
verfassungsdogmatischen Kommentar zum
österreichisch-ungarischen Ausgleich, wobei sich die Verfasserin
vor allem auf die Gesetzgebungsgeschichte stützt.
Beginnend mit den ersten Kontakten der Habsburger zu den Ländern der Stephanskrone, eröffnet die Verfasserin
ihr Buch mit einer Geschichte der Habsburgerherrschaft bis hin zum 18. und 19.
Jahrhundert. Trotz des globalen Themas gelingt der Verfasserin
eine gut lesbare Zusammenfassung, wobei nur einige Abschnitte durch besondere
Kürze auffallen. Zum Beispiel ist die langjährige Regierungszeit Maria
Theresias und Josephs des Zweiten auf nur einigen Seiten und daher lediglich
ansatzweise dargestellt. Deutlich werden aber die
jahrhundertenlange Verbindung Ungarns mit dem Hause Habsburg. Danach werden,
ausgehend von der Militärverwaltung Ungarns und bis hin zum
österreichisch-ungarischen Ausgleich, die einzelnen Verfassungsdokumente
erläutert. Schließlich wird der teilweise steinige Weg zum Ausgleich sehr anschaulich
dargestellt, wobei die Verfasserin auf die Entstehung
der Ausgleichsgesetze besonders genau eingeht: Der Beitrag von Ferenc Deák zum Ausgleich wird genauso gewürdigt wie die
Gegenpositionen detailreich beschrieben werden. Nur die Größe auch dieses Themas
verhindert es, daß die Verfasserin
spezielleren Fragen nachgehen kann.
Als Übergang zum zweiten, dem von ihr sogenannten „Systematischen Teil“
stellt die Verfasserin die These auf, daß Ungarn eine besondere Stellung innerhalb des
Habsburgerreiches innehatte, was auf den unterschiedlichen Rechtssystemen
beruhte (S. 183). Doch welche Wurzeln hatte dieser „Sonderweg“ Ungarns? Hier
eröffnet sich ein zukünftiges Forschungsfeld, bei dem die zentraleuropäische
Perspektive der Verfasserin wichtige Anregungen geben
kann.
Im
zweiten Hauptkapitel hat die Verfasserin die
Geschichte der Regelung der drei gemeinsamen Regierungsangelegenheiten
rekonstruiert. Die Gesetzgebungsgeschichte der Außenpolitik, der Militär- und
Finanzverwaltung werden nach den Verfassungsdokumenten
zusammengestellt. Die Darstellung ist aber eher deskriptiv, die Entwicklung
einer ausdifferenzierten Forschungsfrage trat angesichts der großen Menge der
ausgewerteten Quellen zurück. Die Abschlußthese, daß es sich in der Doppelmonarchie um eine Symbiose von
zwei selbständigen Staaten handelte, ist allerdings anhand der Untersuchung
leicht nachvollzuziehen.
Die Verfasserin kann sich bei ihrer Studie auf
eine breite Literaturbasis stützen, insbesondere wurden viele deutschsprachige
zeitgenössische Quellen ausgewertet. Doch findet die ungarische Forschung nur
dann Eingang, wenn sie auf deutsch publiziert wurde. Da die letzte umfassende
deutschsprachige Darstellung aus ungarischer Sicht 1910 publiziert wurde,[2] konnte die moderne ungarische verfassungsrechtliche Literatur[3] nicht berücksichtigt werden. Angemerkt sei auch, daß
eine Flut von Abkürzungen die Lesbarkeit des Textes beeinträchtigt.
Nachdem mit der hier besprochenen Studie das Material zur
Gesetzgebungsgeschichte des Ausgleichs umfassend sortiert und präsentiert
wurde, wird es zukünftig besser möglich sein, die immerhin 51jährige
Rechtspraxis während des Ausgleichs zu analysieren. Wie sich in diesem Kontext
Spätliberalismus und Konstitutionalismus entfalteten, wie die Symbiose von
Österreich und Ungarn wissenschaftlich kategorisiert wurde,[4] wird sich unter Benutzung der Arbeit von Olechowski-Hrdlicka leichter
untersuchen lassen.
Frankfurt am Main/Budapest Katalin Gönczi
[1] Olechowski, Thomas /
Hrdlicka, Karin, Rechtsgeschichte: Materialien und Übersichten, Wien 1999
(= WUV Arbeitsbücher Jus, Bd. 8).
[2] Heinrich Marczali, Ungarische
Verfassungsgeschichte, Tübingen 1910. Dieses Werk ist übrigens ein Produkt des deutsch-ungarischen Zusammenarbeit und wurde auf
Initiative des Heidelberger Staatsrechtlers Georg Jellinek verfaßt.
Näher dazu bei István Csekey, Nagy Ernô és a magyar
közjogírás új iránya [Ernô Nagy und die neue
Richtung der ungarischen öffentlich-rechtlichen Literatur], in: Magyar Jogászegyleti Értekezések, Bd. 89
[1926], S. 183 f.
[3] Barna
Mezey [Hg.], Magyar alkotmánytörténet
[Ungarische Verfassungsgeschichte], 2. Aufl., Budapest 1998. Dazu meine
Rezension in Ius Commune –
Zeitschrift für Europäische Rechtsgeschichte, Bd. 26 (1999), S. 365 ff.
[4] Als Ergebnis eines
Wissenstransfers von Deutschland nach Ungarn wurden z.B. Begrifflichkeiten von
Georg Jellinek auf den österreichisch-ungarischen Staatenverband angewandt,
vgl. Ernô Nagy, Rezension zu Jellinek,
Die Lehre von Staatenverbindungen, in: Jogtudományi Közlöny, Jg. 19 (1884), S. 13 ff.