GerlachReich200100912 Nr. 10216 ZRG 119 (2002) 00

 

 

Reich, Regionen und Europa in Mittelalter und Neuzeit. Festschrift für Peter Moraw, hg. v. Heinig, Paul-Joachim/Jahns, Sigrid/Schmidt, Hans-Joachim/Schwinges, Rainer Christoph/Wefers, Sabine (= Historische Forschungen 67). Duncker & Humblot, Berlin 2000. Frontispiz, XVIII, 759 S., 6 Tab.

 

Eine Festschrift als Zeichen der Dankbarkeit für einen Gelehrten anzuzeigen, die nicht weniger als 38 Beiträge enthält, bietet einem jeden Rezensenten Schwierigkeit der Auswahl, es sei denn er begnüge sich mit dem Abdruck des Inhaltsverzeichnisses. Seine dem Gebot der Umfangsbegrenzung unterliegende Auswahl wird erleichtert durch die von Barbara Krauß als Redakteurin getroffene Einteilung in 5 Hauptgruppen: Herrschaftskonzepte, Herrschaftspraxis, Personen - Gruppen - Verbände, Universität und Umfeld, Darstellung und Nachdenken über Geschichte. Dieser Ordnung sei gefolgt.

Joachim Ehlers, Der wundertätige König (S. 3-20), stellt gegenüber Mark Bloch und Jaques Le Goff die in Frankreich und England schon im 11. Jahrhundert nachweisbaren Zeugnisse thaumaturgischer Herrscherfähigkeit heraus und weist auf den Unterbruch von Nachweisen als Folge der Reformbewegungen hin, so daß neue Belege erst im 13. Jahrhundert wieder greifbar werden. - Hans - Joachim Schmidt, Vollgewalt, Souveränität und Staat (S. 21-51), geht den Herrschaftskonzepten Kaiser Friedrich II. nach, verfolgt Begriffsentleihungen aus der Papstkanzlei, erläutert das Wirken kaiserlicher Legaten und stellt die Beeinflussung vom geistlichen zum weltlichen Recht bei der Formung administrativer Strukturen heraus. - Bernd Schneidmüller, Konsensuale Herrschaft (S. 53-87), geht aus vom Würzburger Hoftag 1216, weist auf die Hilfe der Ministerialität für die Herrschaftskontinuität hin und zieht eine Linie bis hin zu den kurfürstlichen Willebriefen. Mehr zu beachten wäre jedoch der die spätmittelalterliche Politik tragende Egoismus. - Jürgen Miethke, Die „Wahldekrete“ bei der Wahl eines rex Romanorum (S. 89-113), hebt die seit der Mitte des 13. Jahrhunderts auftretenden Wahlbekanntmachungen von früheren Mitteilungen ab und geht besonders auf die Doppelwahl 1257 und die Dokumente seit 1273 ein. - Mit den Wahlkapitulationen beschäftigt sich Günther Lottes (S. 133-148).

Zum Großabschnitt der Herrschaftspraxis trägt Rudolf Schieffer, „Ausländische“ Empfänger von Königsurkunden der Ottonen, Salier und Staufer (S. 191-202) Beobachtungen an Besitzbestätigungen für Kirchen in Frankreich und Süditalien bei. - Ivan Hlavácek, Wenzel (IV.) und Giangaleazzo Visconti (S. 203-226), geht den Beziehungen zwischen Prag und Mailand im Umfeld der luxemburgischen Italienpolitik nach, beleuchtet das Verhalten Jodoks von Mähren als Reichsvikar in der Lombardei und beschäftigt sich mit der in der Forschung oftmals gewürdigten Herzogserhebung von 1395 mit Ausblicken auf die Entwertung der Beziehung durch die Wirren in der böhmischen Sippe. - Einen groß angelegten Überblick steuert Giorgio Chittolini bei über Städte, kirchliche Institutionen und bürgerliche Religion in Nord- und Mittelitalien in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts (S. 227-248). Christiane Schuchard, Die Papstfinanz und der Norden Europas im späten Mittelalter (S. 249-260), widmet sich insbesondere den Kollektorien als Instrumenten der päpstlichen Politik. - Erich Meuthen bringt mit einer Studie über den Regensburger Christentag 1471 (S. 279-286) eine Stellungnahme zur Reichstagsforschung, gefolgt in diesem Themenbereich von Sabine Wefers, Der Wormser Tag von 1495 und die ältere Staatswerdung (S. 287-304), den sie mit dem noch in seiner Art mittelalterlichen Frankfurter Tag 1486 vergleicht und die Beweggründe für die in Worms gegen Maximilians I. auftretende Verweigerung bloßlegt.

Aus der Folge des dritten Teils sei hervorgehoben die Abhandlung Paul-Joachim Heinigs über Fürstenmorde (S.355-388) mit bemerkenswertem Vergleich derartiger Ereignisse in Italien, Frankreich, England und Deutschland. In die Zeit des Investiturstreits, der jedoch nicht Ursache ist, fällt eine erste Häufung, eine zweite in die Jahre zwischen 1160 und 1233. Späte Mordfälle mit besonders hoher Rate in Italien wurden meist verübt an Parvenüs und sind von daher mental begründbar. - Kaspar Elm, Sacrum Commercium (389-412), analysiert Stufen und Wege der Ausbreitung des Franziskanerordens besonders in den Rheinlanden und Franken und weist auf die Spannungen zwischen der Zentrale in Umbrien und den deutschen Provinzen hin. - Werner Paravicini geht (S. 413-442) Reisen von Edelleuten aus dem Ordensland Preußen und Livland nach Frankreich im 15. Jahrhundert nach, dies verbunden mit breiter Quellenedition. - Kurt Andermann Gemmingen-Michelfeld (S. 459-478) erläutert am Beispiel einer Adelsfamilie das System der Pfründenerwerbungen in den mittelrheinischen Bistümern und der Einbindung in die kurpfälzische Ministerialität.

Aus dem vierten Teil seien sieben Beiträge genannt, an der Spitze Jaques Verger, Une autorité universelle? (S. 515-527), der Beziehungen von Fürsten und Königen zur Pariser Universität behandelt, darunter Ludwig der Bayer, Karl IV. und Sigismund. - Rainer Christoph Schwinges, Stiefel, Wams und Studium (S. 543-564), vermittelt ausgezeichnete Einblicke in den Alttag eines Studenten in Köln im späten 15. Jahrhundert - Barbara Dölemeyer, Die Universität als „gelehrte Manufaktur“ (S. 565-582), widmet ihre Studie Hochschulreformen in Hessen in der Zeit des Absolutismus, gefolgt von Notker Hammerstein, der (S. 583-598) die Bedeutung der Universität Gießen im 18. Jahrhundert skizziert. In den gleichen Forschungsbereich führt Eva - Maria Felschow mit den Beispielen Marburg und Gießen S. 599-618). Jürgen Petersohn gibt einen Reisebericht von 1417 über die heruntergekommene Abtei Reichenau verbunden mit subtiler Interpretation eines Reliquienbefundes und der Altarweiheinschrift (S. 653-674). - Jean-Marie Moeglin untersucht die wohl erste Fassung der bayerischen Chronik des Ulrich Fücher im Blick auf die genealogischen Konstruktionen vor dem habsburgisch- wittelsbachischen Gegensatz um das Jahr 1470 (S. 675-698).

 

Mainz                                                                                                                        Alois Gerlich