Reich,
Regionen und Europa in Mittelalter und Neuzeit. Festschrift für Peter Moraw,
hg. v. Heinig, Paul-Joachim/Jahns, Sigrid/Schmidt, Hans-Joachim/Schwinges,
Rainer Christoph/Wefers, Sabine (= Historische Forschungen 67). Duncker
& Humblot, Berlin 2000. Frontispiz, XVIII, 759 S., 6 Tab.
Eine Festschrift als Zeichen der Dankbarkeit für einen Gelehrten anzuzeigen, die nicht weniger als 38 Beiträge enthält, bietet einem jeden Rezensenten Schwierigkeit der Auswahl, es sei denn er begnüge sich mit dem Abdruck des Inhaltsverzeichnisses. Seine dem Gebot der Umfangsbegrenzung unterliegende Auswahl wird erleichtert durch die von Barbara Krauß als Redakteurin getroffene Einteilung in 5 Hauptgruppen: Herrschaftskonzepte, Herrschaftspraxis, Personen - Gruppen - Verbände, Universität und Umfeld, Darstellung und Nachdenken über Geschichte. Dieser Ordnung sei gefolgt.
Joachim
Ehlers, Der wundertätige König (S. 3-20), stellt gegenüber Mark
Bloch und Jaques Le Goff die in Frankreich und England schon im 11.
Jahrhundert nachweisbaren Zeugnisse thaumaturgischer Herrscherfähigkeit heraus
und weist auf den Unterbruch von Nachweisen als Folge der Reformbewegungen hin,
so daß neue Belege erst im 13. Jahrhundert wieder greifbar werden. - Hans -
Joachim Schmidt, Vollgewalt, Souveränität und Staat (S. 21-51), geht den
Herrschaftskonzepten Kaiser Friedrich II. nach, verfolgt Begriffsentleihungen
aus der Papstkanzlei, erläutert das Wirken kaiserlicher Legaten und stellt die
Beeinflussung vom geistlichen zum weltlichen Recht bei der Formung
administrativer Strukturen heraus. - Bernd Schneidmüller, Konsensuale
Herrschaft (S. 53-87), geht aus vom Würzburger Hoftag 1216, weist auf die Hilfe
der Ministerialität für die Herrschaftskontinuität hin und zieht eine Linie bis
hin zu den kurfürstlichen Willebriefen. Mehr zu beachten wäre jedoch der die
spätmittelalterliche Politik tragende Egoismus. - Jürgen Miethke, Die
„Wahldekrete“ bei der Wahl eines rex
Romanorum (S. 89-113), hebt die seit der Mitte des 13. Jahrhunderts
auftretenden Wahlbekanntmachungen von früheren Mitteilungen ab und geht
besonders auf die Doppelwahl 1257 und die Dokumente seit 1273 ein. - Mit den
Wahlkapitulationen beschäftigt sich Günther Lottes (S. 133-148).
Zum
Großabschnitt der Herrschaftspraxis trägt Rudolf Schieffer,
„Ausländische“ Empfänger von Königsurkunden der Ottonen, Salier und Staufer (S.
191-202) Beobachtungen an Besitzbestätigungen für Kirchen in Frankreich und
Süditalien bei. - Ivan Hlavácek, Wenzel (IV.) und Giangaleazzo Visconti
(S. 203-226), geht den Beziehungen zwischen Prag und Mailand im Umfeld der
luxemburgischen Italienpolitik nach, beleuchtet das Verhalten Jodoks von Mähren
als Reichsvikar in der Lombardei und beschäftigt sich mit der in der Forschung
oftmals gewürdigten Herzogserhebung von 1395 mit Ausblicken auf die Entwertung
der Beziehung durch die Wirren in der böhmischen Sippe. - Einen groß angelegten
Überblick steuert Giorgio Chittolini bei über Städte, kirchliche
Institutionen und bürgerliche Religion in Nord- und Mittelitalien in der
zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts (S. 227-248). Christiane Schuchard, Die
Papstfinanz und der Norden Europas im späten Mittelalter (S. 249-260), widmet
sich insbesondere den Kollektorien als Instrumenten der päpstlichen Politik. - Erich
Meuthen bringt mit einer Studie über den Regensburger Christentag 1471 (S.
279-286) eine Stellungnahme zur Reichstagsforschung, gefolgt in diesem
Themenbereich von Sabine Wefers, Der Wormser Tag von 1495 und die ältere
Staatswerdung (S. 287-304), den sie mit dem noch in seiner Art
mittelalterlichen Frankfurter Tag 1486 vergleicht und die Beweggründe für die
in Worms gegen Maximilians I. auftretende Verweigerung bloßlegt.
Aus der
Folge des dritten Teils sei hervorgehoben die Abhandlung Paul-Joachim
Heinigs über Fürstenmorde (S.355-388) mit bemerkenswertem Vergleich
derartiger Ereignisse in Italien, Frankreich, England und Deutschland. In die
Zeit des Investiturstreits, der jedoch nicht Ursache ist, fällt eine erste
Häufung, eine zweite in die Jahre zwischen 1160 und 1233. Späte Mordfälle mit
besonders hoher Rate in Italien wurden meist verübt an Parvenüs und sind von
daher mental begründbar. - Kaspar Elm, Sacrum Commercium (389-412),
analysiert Stufen und Wege der Ausbreitung des Franziskanerordens besonders in
den Rheinlanden und Franken und weist auf die Spannungen zwischen der Zentrale
in Umbrien und den deutschen Provinzen hin. - Werner Paravicini geht (S.
413-442) Reisen von Edelleuten aus dem Ordensland Preußen und Livland nach
Frankreich im 15. Jahrhundert nach, dies verbunden mit breiter Quellenedition.
- Kurt Andermann Gemmingen-Michelfeld (S. 459-478) erläutert am Beispiel
einer Adelsfamilie das System der Pfründenerwerbungen in den mittelrheinischen
Bistümern und der Einbindung in die kurpfälzische Ministerialität.
Aus dem
vierten Teil seien sieben Beiträge genannt, an der Spitze Jaques Verger,
Une autorité universelle? (S. 515-527), der Beziehungen von Fürsten und Königen
zur Pariser Universität behandelt, darunter Ludwig der Bayer, Karl IV. und
Sigismund. - Rainer Christoph Schwinges, Stiefel, Wams und Studium (S.
543-564), vermittelt ausgezeichnete Einblicke in den Alttag eines Studenten in
Köln im späten 15. Jahrhundert - Barbara Dölemeyer, Die Universität als
„gelehrte Manufaktur“ (S. 565-582), widmet ihre Studie Hochschulreformen in
Hessen in der Zeit des Absolutismus, gefolgt von Notker Hammerstein, der
(S. 583-598) die Bedeutung der Universität Gießen im 18. Jahrhundert skizziert.
In den gleichen Forschungsbereich führt Eva - Maria Felschow mit den
Beispielen Marburg und Gießen S. 599-618). Jürgen Petersohn gibt einen
Reisebericht von 1417 über die heruntergekommene Abtei Reichenau verbunden mit
subtiler Interpretation eines Reliquienbefundes und der Altarweiheinschrift (S.
653-674). - Jean-Marie Moeglin untersucht die wohl erste Fassung der
bayerischen Chronik des Ulrich Fücher im Blick auf die genealogischen
Konstruktionen vor dem habsburgisch- wittelsbachischen Gegensatz um das Jahr
1470 (S. 675-698).
Mainz Alois
Gerlich