GergenBührer-Thierry20000927 Nr. 1231 ZRG 119 (2002) 21
Bührer-Thierry, Geneviève,
Évêques et pouvoir dans le royaume de Germanie. Les Églises de Bavière et
Souabe 876-973. Picard, Paris 1997. 278 S.
Bereits
1994 an der Universität Paris IV-Sorbonne verteidigt,
wurde die vorliegende Dissertation von Frau Bührer-Thierry
zu Ende des Jahres 1997 publiziert. Die Veröffentlichung füllt eine
wissenschaftliche Lücke v. a. für unser Wissen um den Machtzusammenhang der
Bischöfe im Süddeutschland des 10. Jahrhunderts.
Einen
„klassischen“ Weg schlägt die Studie ein in der Betrachtung des Übergangs von
der karolingischen Kirche zum Reichskirchensystem. Der Machtzuwachs der
Bischöfe, die im 12. Jahrhundert zu Reichsfürsten aufstiegen, hatte indes
bereits am Ende der Karolingerzeit begonnen, als der Episkopat zur Regel
erklärte, eine wesentliche Rolle bei der Ausübung der königlichen Macht spielen
zu wollen und gar zu sollen.
Frau Bührer-Thierry problematisiert die politische Rolle der Bischöfe in den Herzogtümern Bayern und Schwaben, indem sie in drei Teilen folgendes untersucht. Zum einen den Episkopat und seine Rolle in der königlichen Politik und im königlichen Rat („L´épiscopat, au coeur des destinées politiques du royaume oriental“), wozu sie minutiös die diplomatischen Quellen erschließt.
Der zweite
Abschnitt, „Le concile comme instrument
de gouvernement“, wirft Licht auf die Frage, auf
welche Weise die Konzilien ein Regierungsinstrument bildeten; hier ist
insbesondere wichtig, wieweit die Konzilien Gerichtsprozesse behandelten und
diese sogar ersetzen konnten (S. 89-106). Die Untersuchung zeigt, daß das Konzil das beste Mittel war, um die Ordnung im
Königreich als auch in der Christenheit am besten wiederherzustellen. Diese
„Therapie-Funktion“ („Le concile comme thérapie“, S. 106) konnte das Konzil von Hohenaltheim im Jahre 916 jedoch nicht mehr erfüllen und
scheiterte. Unter Konrad I., dem „letzten Karolinger“[1],
war der Konsens für diese Autorität - der karolingischen Herrschaft inhärent -
bereits entschwunden. Die Konzilskanones, die
geradezu das Werk des päpstlichen Legaten Peters von Orta
waren, ersetzten die Gerichtsbarkeit des Königs und konnten den Verlust seiner
Autorität nur bestätigen[2].
In einem
dritten Teil stellt die Autorin dem Bischof den princeps gegenüber und geht dazu auf die Bischofswahlen und
Bischofsabsetzungen ein (Ernennung von Richwin von Straßburg, 913 und Absetzung
Herolds von Salzburg, 953), um schließlich die Bischöfe als Vertreter des princeps in seiner Diözese zu
qualifizieren. Allerdings war diese Vertreterstellung mehr als Stütze denn als
vollständige Ersetzung konzipiert[3].
Zu all
diesen Untersuchungen folgen Tabellen über die Erwähnungen der Bischöfe in den
königlichen Diplomen, ihre Teilnahme an den Konzilien sowie über ihre Herkunft
und ihre Wahl (S. 231-248).
Als
Arbeitsergebnis kann festgehalten werden, daß die
Wurzeln der ottonischen Könige im Süden des
Königreiches zur Zeit der letzten Karolinger zu suchen sind, denn gerade die
süddeutschen Bischöfe beeinflußten maßgeblich die
Reichskirchenideologie. Das Bistum Schwaben erscheint dabei weit intensiver
Königskirche zu sein als Bayern, welches seinerseits die „herzögliche“
oder „nationale“ Kirchenverfassung weiterführt. Dieser Unterschied wird
deutlich, wenn man die Übertragung öffentlicher Rechte an die Bischöfe
beobachtet, die in Bayern erst richtig mit Otto II. beginnt, während sie in
Schwaben bereits unter Otto I. praktiziert wurde. Auch die Lasten auf den
Kirchen Bayerns sind geringer, gemessen an der Zahl der milites, die die
Landeskirchen stellen mußten.
Frau Bührer-Thierry gibt zwei wichtige, aus vorliegender Studie
erwachsende Anstöße für die zukünftige Forschung, nämlich die Zusammenhänge
zwischen den Bischöfen und Bistümern von Bayern, Sachsen und Böhmen vor der
Gründung des Bistums Prag im Jahre 973 sowie deren Beziehungen zu den Klöstern
und Abteien, um zu erkunden, wie Bischöfe diese einerseits ausbeuten, doch
andererseits mit Gütern bedenken bzw. reformieren wollten.
Saarbrücken Thomas
Gergen
[1] Hans-Werner Goetz, „Der letzte ,Karolinger’“? Die Regierung Konrads I. im Spiegel seiner Urkunden“, Archiv für Diplomatik 26 (1980), S. 56-125.
[2] So schon Horst Fuhrmann, „Die Synode von Hohenaltheim (916) quellenkundlich betrachtet“, Deutsches Archiv 43 (1987), S. 453.
[3] Olivier Guyotjeannin, Bibliothèque de l´École
des Chartes B.É.C. 1998, S. 624-625.