Ebel20010319Stillstand Nr. 10376 ZRG 119 (2002) 43
Stillstand,
Erneuerung und Kontinuität. Einsprüche zur Preußenforschung, hg. v. Wolff,
Jörg (= Rechtshistorische Reihe 234). Lang, Frankfurt am Main 2001. 257 S.
Hinrichs, Ernst (S.
11-34) Problem Preußen in Europa - im „System von Nystad“;
mehr ein Überblick mit Fragen als neue Sicht. Entscheidend die außenpolitische
Sicht, nicht einmal die vom Reich her; für den Rechtshistoriker nicht
hilfreich.
Rüping, Hinrich (S. 35-50) fußt auf
seinen intensiven Thomasius-Forschungen und eröffnet den Blick auf einen
spezifischen Aspekt der preußischen Aufklärung in (straf-) rechtsgeschichtlicher
Sicht, der aber wohl nicht als „Einspruch“ i. S. d. Buch-Untertitels, sondern
als Fortführung zu bewerten (und zu begrüßen) ist.
Birtsch, Günter (S. 51-68) untersucht die
Haltung Friedrichs II. zur Aufklärung, vornehmlich in ihren Auswirkungen für
Administration und Justiz. Bei letzterer wird - freilich nicht überraschend -
ein starker aufklärerischer Akzent festgestellt. Wenn
er abschließend, vielleicht durchaus beifallswürdig, zustimmend ein Resumée Friedrich Meineckes anführt, ist wohl auch in
diesem Beitrag kein „Einspruch“ im Sinne des Herausgebers zu sehen.
Hattenhauer, Hans (S. 69-86) ediert - mit
kundigen Vorbemerkungen - einen recht versteckten Aufsatz im Umfeld des Inkraftsetzens des Allgemeinen Landrechts, der Stimmungen,
Spott und Kritik repräsentiert: Sehr lesenswert und eine Vertiefung der
Kenntnisse des spät-/nach-friderzianischen Preußens mit einem Blick auf die
Rolle Kants in der Diskussion.
Krause, Peter (S.
87-140) eröffnet einen quellengesättigten Zugriff auf die Rolle des berüchtigten
Woellner während der Regierungszeit Friedrich
Wilhelms II., die allenfalls im Anhang über den bekannten Zopfschulzen spezifisch
rechtshistorische Bezüge aufweist.
Anders Lingelbach,
Gerhard (S. 141-158), der ein klassisches (privat-) rechtsgeschichtliches
Problem anfaßt und Bereicherungen zur Einführung bzw. Beibehaltung des code civil in Preußen bietet.
Einen
kurzen Literaturbericht über die neueste polnische Preußen-Literatur gibt Janicka, Danuta (S. 159-168).
Eher
wirtschaftsgeschichtlich orientiert, aber damit auch zwangsläufig die
Rechtsgeschichte betreffend, sind die Ausführungen von Brand, Jürgen (S.
169-208) zum Kampf für oder gegen die Einführung der Gewerbefreiheit und die
Abschaffung der zünftischen Verfassung in den
fünfziger und sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts. Hier wird die allgemein
bis heute festzustellende Monothematisierung auf die preußische Entwicklung erfreulicherweise
aufgebrochen; andererseits die Glorifizierung der Reformen von 1810
relativiert.
Der
Herausgeber Wolff, Jörg (S. 209-232) schließlich versucht ein Resümee
zumindest einiger Vorträge der Tagung im Sinne des Themas, um dann auf Fontane
im Sinne der von ihm sog. „preußischen Idee“ zu verorten. Man mag diesen
literarhistorischen Essay genießen; Erkenntnis für die Arbeitsgebiete dieser
Zeitschrift bringt er nicht.
Versöhnlich
wird der Rezensent hingegen durch den abschließenden Beitrag von Klaus,
Helmut (S. 209-233), der die Klammern von preußischer und heutiger
Verwaltungsstruktur anschaulich darstellt.
Gesamtkommentar:
Thema verfehlt, aber (deshalb?) ein besonders interessantes Buch.
Berlin-Dahlem Friedrich
Ebel